Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Moscherosch“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 821
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Moscherosch. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 821. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Moscherosch (Version vom 31.08.2021)

[821] Moscherosch, Johann Michael, deutscher Satiriker, geb. 5. März 1601 zu Willstädt bei Straßburg, studierte in letzterer Stadt Jura, wurde 1626 Hofmeister bei dem Grafen von Leiningen-Dachsburg, 1629 Amtmann bei dem Grafen von Crichingen und 1636 Amtmann zu Finstingen a. d. Saar, wo er 1641 für seine Kinder das pädagogische Büchlein „Christliches Vermächtnis oder schuldige Vorsorge eines treuen Vaters“ (Straßb. 1643) schrieb. 1645 unter die Mitglieder der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ aufgenommen, wurde er bald darauf in der Festung Benfelden, die damals im Besitz der Schweden war, als schwedischer Staatssekretär und Kriegsrat angestellt und später als Staatssekretär und Fiskal nach Straßburg versetzt, 1656 aber zum Präsidenten der Kanzleikammer und des Kriegs- und Kirchenrats in Buchsweiler ernannt. Später legte er dieses Amt nieder und diente dem Kurfürsten von Mainz und zugleich der Landgräfin von Hessen. Er starb 4. April 1669 während einer Reise in Worms. Nach Herz und Sinn war M. ein Deutscher, der wie kein andrer in seiner Zeit die sittlichen Gefahren ahnte, die von Frankreich her seinem Vaterland drohten. Sein Hauptwerk in dieser Beziehung, das in einer etwas schwerfälligen Form ein köstliches und wahrheitsgetreues Sittengemälde seiner Zeit enthält, ist seine satirische Schrift „Philander von Sittewalt. Wunderliche und wahrhaftige Gesichte etc.“ In der Form von 14 Gesichten, die er teilweise dem Spanier Quevedo (in dessen „Sueños y discursos“) nachbildete, stellt er die Thorheiten und Laster seiner Zeit dar und geißelt sie auf die unbarmherzigste Weise. Die Nachäffung des Fremdländischen, namentlich des Französischen, in Tracht und Sprache, die ärztliche Charlatanerie, die Verwilderung des Soldatenlebens etc. werden mit der größten Wahrheit und Derbheit geschildert. Diese Flugschriften, die zuerst einzeln erschienen, kamen 1645 und 1648 in einer Sammlung heraus und wurden bald in Frankfurt a. M. nachgedruckt. Spätere Ausgaben sind die Straßburger von 1650, 1665 und 1677. Neue Ausgaben besorgten Dittmar (die vier ersten Gesichte, mit Biographie, Berl. 1830) u. Bobertag (Auswahl in Kürschners „Deutscher Nationallitteratur“, Bd. 32, Stuttg. 1884). Vgl. Nickels, M. als Pädagog (Leipz. 1883).