Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Minghetti“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Minghetti“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 11 (1888), Seite 656
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Marco Minghetti
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Minghetti. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 656. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Minghetti (Version vom 12.02.2023)

[656] Minghetti, Marco, ital. Staatsmann, geb. 8. Sept. 1818 zu Bologna als der Sohn eines reichen Kaufmanns, studierte daselbst, bereiste Deutschland, England, Frankreich, begründete 1846, nach Pius’ IX. Thronbesteigung, in Bologna das gemäßigt liberale Journal „Il Felsineo“, war Mitglied der 1847 von Pius IX. nach Rom berufenen Konsulta und des am 10. März 1848 gebildeten liberalen Kabinetts als Minister der öffentlichen Arbeiten. Aber schon durch die Encyklika vom 29. April d. J. über die wahre Gesinnung Pius’ IX. belehrt, trat er zurück, begab sich zu Karl Albert von Sardinien, ward dessen Generalstab zugeteilt, machte den Feldzug von 1848 in der Lombardei mit und erhielt nach dem Kampfe von Goito den Rang eines Majors. Nach dem unglücklichen Ausgang des Kriegs kehrte er als Privatmann in seine Vaterstadt zurück, wo er die Schrift „Della economia pubblica e delle sue attinenze colla morale et col diritto“ (Bologna 1859, 2. Aufl. 1868) veröffentlichte. Zugleich knüpfte er ein Freundschaftsverhältnis mit Cavour an und stand demselben 1859 als Generalsekretär im Auswärtigen Ministerium bis zum Frieden von Villafranca zur Seite. Darauf betrieb er als Präsident der Nationalversammlung der Romagna die Vereinigung dieser Provinz mit Sardinien und vertrat seine Vaterstadt im italienischen Parlament. Im Oktober 1860 übernahm er unter Cavour das Ministerium des Innern und behielt es auch unter Ricasoli. Da jedoch seine neue Verwaltungsreorganisation nach großen Regionen und im dezentralisierenden Sinn beim Parlament eine ungünstige Aufnahme fand, so trat er 1862 zurück. In dem Kabinett Farinis übernahm er im Dezember 1862 die Finanzen und nach Farinis Ausscheiden 1863 zugleich den Vorsitz. Sein Werk war die Konvention vom 15. Sept. 1864; die Entrüstung, welche sie in Turin erregte, wo es zu Unruhen kam, bewog ihn, 20. Sept. 1864 zurückzutreten. 1868 im Juli ging er als Gesandter nach London, trat aber bereits im Mai 1869 als Ackerbauminister wieder ins Ministerium Menabrea, mit dem er im November 1869 seine Entlassung nahm. Er war sodann Führer der Opposition gegen das Kabinett Lanza-Sella und Berichterstatter im Parlament über dessen Finanzvorlagen und trat nach seinem Sturz im Juli 1873 an die Spitze des Koalitionsministeriums, in dem er selbst die Finanzen übernahm. Während er für seine Hauptaufgabe die Lösung der innern Verwaltungsfragen und die Herstellung des finanziellen Gleichgewichts erklärte, wurde ihm gleich zu Anfang ein großer Erfolg durch die Allianz mit Deutschland und die Aussöhnung mit Österreich zu teil, welche die Besuche der Monarchen begründeten. Die Beseitigung des Defizits und das Bankgesetz waren ebenfalls bedeutende Verdienste Minghettis; indes die Zersplitterung der Parteien im Parlament und der Mangel einer festen Majorität nötigten ihn im März 1876 zum Rücktritt. Er starb 10. Dez. 1886 in Rom. Von seinen Schriften sind noch zu erwähnen: „Opuscoli letterari ed economici“ (Florenz 1872), „Le donne italiani nelle belle arti“ (Giugno 1877), „Stato e chiesa“ (Mail. 1878), in dem er ein kirchenpolitisches System auf Grund der Cavourschen Formel: „Libera chiesa in libero stato“ aufstellte, „Il citadino e lo stato“ (1886) und eine wertvolle Biographie Raffaels („Raffaello“, Bologna 1885; deutsch von Münz, Bresl. 1887).