Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Millefiōri“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 628
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Millefiōri. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 628. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Millefi%C5%8Dri (Version vom 24.12.2022)

[628] Millefiōri (ital., „tausend Blumen“), mit Hilfe farbiger Glasstäbe dargestellte Glasarbeiten. Man gewinnt durch einfaches Ausziehen einer gleichfarbigen Glasmasse von kreisförmigem oder polygonalem Querschnitt massive Stäbe von gleichem Querschnitt und aus überfangenem Glas in gleicher Weise Stäbe, welche auf dem Querschnitt einen Kern von andrer Farbe zeigen. Mehrere derartige mit farblosem Glas überfangene Stäbe lassen sich durch Anwärmen und Hin- und Herrollen auf der Marbelplatte in einen einzigen Stab verwandeln, welcher nun auf dem Querschnitt mehrere andersfarbige, kreisrunde oder polygonale Kerne zeigt. Werden diese letztern Stäbe ausgezogen und mehrere derselben wieder zu einem einzigen Stab verschmolzen, so zeigt dieser regelmäßige Gruppen von Kernen auf dem Querschnitt, und es ist ersichtlich, daß man in solcher Weise sehr komplizierte Gebilde gewinnen kann, besonders wenn man die Stäbe auch noch um ihre Achse dreht. Einfarbige und zusammengesetzte derartige Stäbchen bilden die Elemente, die schon von der alten Glastechnik zu den sogen. Mosaik- und Filigrangläsern benutzt wurden, bei denen indessen meist immer nur der Querschnitt der Elemente zur Geltung kommt. So hat man durch Zusammenschmelzung verschieden gefärbter, einfarbiger, mit der Pinzette nachgeformter Elemente Porträte und Wappen hergestellt und diese dann durch Ausziehen so verkleinert, daß z. B. auf einem Querschnitt von nur etwas über 1 cm Durchmesser vier Porträte erschienen. Die Alten wußten sogar aus übereinander gelegten Blättern verschiedenfarbigen Glases oder aus überfangenen Glasstreifen, die zu Stäbchen zusammengerollt wurden, verlaufende Spiralen bis zu verschwindender Feinheit herzustellen und diese zu dem zierlichsten Rankenornament zu benutzen. In Ägypten, Rom und Byzanz wurde, nach den zahlreich gefundenen Resten zu urteilen, die Fabrikation farbenreicher, als Vasi fioriti oder millefiori bezeichneter Hohlgläser sehr schwunghaft betrieben, und wahrscheinlich waren ähnliche Fabrikate auch die im Altertum so hochgeschätzten Calices allassontes. Später benutzte Venedig die Elemente viel freier als das Altertum. Namentlich ließ man jetzt auch die farbigen, eingeschmolzenen Stäbchen über die ganze Höhe eines Gefäßes verlaufen, den innern farblosen Kern regelmäßig umspannen, resp. gar nicht mehr hervortreten, sondern vollständig durch die Stäbchen verdecken. Zur Darstellung derartiger Gläser (Petinet-, Faden-, Filingrangläser) setzt man z. B. in eine Thonform längs der aufsteigenden Wand einen in sich geschlossenen Kranz einfacher oder bereits zusammengesetzter und gewundener Elemente ein, steckt dann ein an der Pfeife erblasenes noch weiches Kölbchen in die Form, bläst dasselbe weiter auf, so daß die weiche Glasmasse den Stabkranz aufnimmt, hebt es mit den Elementen aus der Thonform heraus, wärmt an und drückt die Elemente durch Rollen des Kölbchens auf einer Platte noch tiefer in das Glas hinein. Man zieht nun das Kölbchen mit der Zange nach unten zu aus, schneidet den keine Elemente enthaltenden Boden mit der Schere ab, kneift die das Stabmuster enthaltenden Wandungen zusammen, so daß sich alle Stabenden in einem Punkt vereinigen, und arbeitet schließlich nach dem Wiederanwärmen das Gefäß in der üblichen Weise aus. Man erhält dann ein Gefäß mit von oben nach unten verlaufender Streifung, und wenn man das Kölbchen vor der Verarbeitung um seine Achse gedreht hatte, so erhält man die Musterung in Schraubenlinien. Die retikulierten Gläser zeigen ein regelmäßiges, durch sich kreuzende, weiß gefärbte Fäden gebildetes, in farblosem Glas liegendes Rautendessin und innerhalb jeder Raute ein Luftbläschen; man erhält sie aus zwei konischen Röhren, welche durch aufgeschmolzene, in entgegengesetzter Richtung schraubenförmig verlaufende weiße Fäden gerippt sind. Diese Röhren werden ineinander geschoben und vorsichtig miteinander verschmolzen, wobei die Rippen rautenförmige Felder bilden und in jedem derselben eine Luftblase einschließen. An das eine Ende des innern Rohrs schmelzt man dann einen an der Pfeife gebildeten Trichter aus gewöhnlichem Glas; das andre Ende kneift man mit der Zange zu, und dann verarbeitet man das Arbeitsstück auf gewöhnliche Weise weiter.