Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Menstrŭation“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 481482
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Menstrŭation. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 481–482. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Menstr%C5%ADation (Version vom 20.03.2024)

[481] Menstrŭation (lat., monatliche Reinigung, Regel, Periode, griech. Katamenien), der mit regelmäßiger Periodizität stattfindende Abgang von Blut aus den weiblichen Genitalien, steht zu dem Geschlechtsleben des Weibes in der innigsten Beziehung. Sie tritt in unsern Klimaten durchschnittlich mit dem 14. Lebensjahr ein und dauert, wenn nicht besondere Verhältnisse dazwischentreten, bis etwa zum 45. Jahr an. Der Eintritt der M. signalisiert die geschlechtliche Reife und die Fortpflanzungsfähigkeit des weiblichen Organismus, ihr Erlöschen kennzeichnet [482] das Aufhören dieser Fähigkeit. In südlichen Klimaten tritt die M. schon bei Mädchen von 8–12 Jahren ein, erlischt dafür auch um so früher; in nördlichen Gegenden dagegen fällt der Eintritt der M. erst in das 18.–20. Jahr. Die physiologische Bedeutung der M. beruht in der jedesmal dabei stattfindenden Abstoßung eines reifen, befruchtungsfähigen Eies aus dem Eierstock, welches in den Eileiter und durch diesen in die Gebärmutter übertritt. Dabei wird die Schleimhaut der Gebärmutter sehr blutreich und schwillt bedeutend an, die oberflächliche Schicht der Schleimhaut wird abgestoßen, so daß Bestandteile derselben im Menstrualblut sich vorfinden. Die Schleimabsonderung in der Scheide, in geringerm Grad auch in der Gebärmutter, nimmt zu, die äußern Genitalien werden blutreicher und wärmer; viele Kapillargefäße der Gebärmutterschleimhaut zerreißen infolge ihrer übermäßigen Anfüllung mit Blut, und das vergossene Blut läuft eben als Menstrualblut ab. Bei gesunden weiblichen Individuen dauert die Menstrualblutung 2–5 Tage; die Menge des vergossenen Bluts wechselt zwischen 0,1 u. 0,2 kg. Die M. verläuft unter Symptomen, welche sonst nur pathologischen Prozessen zukommen. Der Blutandrang zu den Beckenorganen, vorzugsweise die Veränderungen an der Gebärmutter, wodurch sich letztere gleichsam zur Aufnahme des Eies vorbereitet, veranlassen das Gefühl von Zerren und erhöhter Wärme in der Beckengegend; auch die Brüste, welche anschwellen, sind öfters der Sitz leichter Schmerzempfindungen. Die Zahl der Pulsschläge ist vermehrt, der Puls manchmal unregelmäßig, der Herzstoß kräftiger, die Atemzüge etwas beschleunigt, die Hautausdünstung häufig von ganz eigentümlichem Geruch. Der Appetit ist bald vermindert, bald auch merklich gesteigert. Schmerzen in der Kreuzgegend und im Rücken sowie flüchtige, kolikartige Schmerzen stellen sich manchmal ein. Die Haut ist blässer, etwas gedunsen, die Stimme rauher, die Schilddrüse etwas angeschwollen. Die Leistungsfähigkeit der Muskeln ist während der M. geringer, die Gesichtszüge sind schlaffer, das Auge ist weniger lebhaft. Übrigens besteht eine größere Empfindlichkeit der Sinnesorgane gegen äußere Eindrücke. Das Schlafbedürfnis ist größer; Hitzegefühl abwechselnd mit Frösteln, Eingenommenheit des Kopfes, Unlust zu geistigen Anstrengungen und eine gewisse Reizbarkeit des Gemüts sind ganz gewöhnliche Erscheinungen bei der M. Während der Schwangerschaft und der Säugungsperiode setzt die M. aus; doch findet in seltenen Fällen eine Menstrualblutung auch während der Schwangerschaft, meist jedoch nur in den ersten zwei oder drei Monaten derselben, statt. Sehr selten kehrt die Menstrualblutung bis zu Ende der Schwangerschaft ganz in der nämlichen Weise wie außer derselben regelmäßig wieder. Die subjektiven Beschwerden, mit welchen die M. gewöhnlich einhergeht, erheischen nur ein geregeltes diätetisches Verhalten: körperliche und geistige Ruhe, Aufenthalt in kühler Luft, aber Vermeidung von Erkältung und Diätfehlern. Die Menstruationsstörungen und Menstruationsanomalien gehören zu den häufigsten pathologischen Vorkommnissen während der Zeit der Fortpflanzungsfähigkeit des weiblichen Organismus. Ein zu früher Eintritt der M. (Menstruatio praecox) kommt nicht häufig vor. Wenn in unserm Klima die M. nicht im 14.–16., sondern schon im 12.–14. Jahr eintritt, so ist dies nur dann eine krankhafte Erscheinung, wenn der Körper noch verhältnismäßig unentwickelt ist. Man beobachtet aber auch bei scheinbar völlig unentwickelten elf- bis zwölfjährigen Mädchen zuweilen regelmäßig wiederkehrende und von allen Symptomen der M. begleitete Blutungen aus den Genitalien, und die Erfahrung lehrt, daß fast alle solche Mädchen später an hartnäckiger Bleichsucht erkranken. Unter vikarierender M. versteht man Blutungen aus Schleimhäuten, aus Wunden in Gefäßgeschwülsten, welche statt der ausbleibenden Blutung aus den Genitalien oder neben einem geringfügigen Blutverlust aus denselben stattfinden. Allzu reichliche menstruale Blutungen nennt man Menorrhagien. Sie erfordern eine umsichtige ärztliche Behandlung. Über erschwerte M. s. Dysmenorrhöe, über Verspätung des Eintritts etc. der M. s. Amenorrhöe.