Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
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Band 11 (1888), Seite 426427
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Mehl. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 426–427. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Mehl (Version vom 24.02.2024)

[426]

Durchschnitt des Weizenkorns.

Mehl, das Pulver der Getreidearten, welches auf den Mühlen (s. d.) gewonnen wird und auch bei gleicher Abstammung verschiedene Zusammensetzung zeigt, je nachdem beim Mahlen oder Beuteln eine mehr oder weniger vollständige Trennung der stickstoffreichern, äußern Schichten von dem innern, stärkemehlreichern Kern des Samens stattgefunden hat. Das Weizenkorn zeigt, ähnlich wie die übrigen Getreidearten, im vielfach vergrößerten Durchschnitt (s. Figur) die Fruchthülle (Pericarpium), welche aus der äußern farblosen Fruchthaut (Epicarpium, 1 u. 2), der gelben Fleischhaut (Sarcocarpium, 3) und der innern Fruchthaut (Endocarpium, 4) besteht. Diese Hüllen, welche vorzugsweise aus Holzfaser gebildet sind, keine Nahrungsstoffe enthalten und völlig unverdaulich sind, umschließen den Kern, an welchem [427] sich nochmals mehrere Schichten unterscheiden lassen. Er ist zunächst von der äußern Samenhaut (Testa, 5) umgeben, die je nach der Varietät des Weizens mehr oder weniger gelb gefärbt ist, und auf diese folgt nach innen die Embryomembran oder Eiweißschicht (Perispermium, 6), welche aus großen, von Stärkemehl freien Zellen gebildet wird und hauptsächlich stickstoffhaltige Substanzen enthält. Innerhalb der Embryomembran liegen der Mehlkern 7, 8, 9 und der fettreiche Embryo 10. Der innerste Teil des Kerns 9 ist am weichsten und liefert beim Mahlen das weißeste M., welches die geringste Menge eiweißartiger Substanzen enthält und mithin am wenigsten nahrhaft ist. Die Schicht 8 ist viel härter und liefert beim ersten Beuteln des Mehls die weiße Grütze, die aber wieder vermahlen wird und mit dem ersten Produkt das Brotmehl liefert. Die Schicht 7 ist noch härter, wird als graue Grütze abgesondert und gibt, da man sie stets mit Teilen der äußern Schichten, die im wesentlichen die Kleie bilden, gemischt erhält, beim Backen ein schwarzes Brot. In allen Mehlsorten des Handels findet man mehr Wasser und weniger Stickstoff als im Getreide. Die Verminderung des Stickstoffgehalts wird durch Abscheidung der äußern Hüllen der Getreidesamen (Kleie) veranlaßt. Das M. ist um so „feiner“, je weniger Kleie es enthält; aber aus der Zusammensetzung des Getreides folgt auch, daß das feinste M. am ärmsten an Nahrungsstoff ist. Da die Kleie gefärbt ist, so ist das feinste M. auch das weißeste. Die Zusammensetzung der wichtigsten Mehlsorten ist etwa folgende:

  Weizenmehl Roggen­mehl Gersten­mehl Hafer­mehl
feines grobes
Wasser 15,54 14,25 14,60 14,00 11,70
Kleberstoffe 11,16 13,85 12,75 14,39 22,30
Zucker 2,34 2,35 3,47 3,04 2,19
Gummi 6,25 6,50 4,10 6,33 2,81
Fett 1,07 1,26 1,80 2,23 5,68
Stärkemehl 63,64 61,79 64,29 53,16 58,14

Einen genauen Einblick in den Mehlbereitungsprozeß liefern folgende Angaben. Ein Weizen, welcher enthielt:

10,5 Wasser,
01,5 Asche,
14,4 Kleber,
65,4 Stärke,
08,2 Fett und Holzfaser,

lieferte:

18,72 Grieß- und Auszugsmehl,
32,68 Semmelmehl,
22,22 Brotmehl,
02,58 Schwarzmehl,
18,52 Kleie,
01,29 Abfall (Koppstaub),
03,99 Verlust,

und es enthielten:

  Wasser Asche Kleber Stärke
Grieß- und Auszugsmehl 10,6 0,41 11,7 70,0
Semmelmehl 10,5 0,60 13,3 67,2
Brotmehl 10,7 0,96 15,4 63,5
Schwarzmehl 9,5 1,55 14,9 61,0
Kleie 10,7 5,46 14,3 43,6
Abfall 9,2 2,65 15,2 0,0

Ein aus dem ganzen Korn bei Abscheidung von 13 Proz. Kleie dargestelltes Weizenmehl enthielt 10,5 Wasser, 14,4 Kleber, 65,6 Stärke, 1,0 Asche. Da das M. reich ist an den leicht zersetzbaren Kleberstoffen, so muß es recht trocken sein und an einem trocknen Ort gelagert werden. Im feuchten M. entstehen Milchsäure, Buttersäure etc.; der Kleber verdirbt und verursacht einen widrigen, mulstrigen Geruch und Geschmack; zugleich entwickeln sich Pilze, Infusorien und Milben. Zur Untersuchung und Prüfung des Mehls genügt meist die Bestimmung des Wassergehalts durch Austrocknen und des Aschengehalts durch Verbrennen im Platintiegel, wobei sich z. B. sofort eine nicht seltene Verfälschung mit Gips herausstellt. Zur weitern Untersuchung ist eine chemische Analyse und die Anwendung des Mikroskops erforderlich. Die Kleie, aus den äußern Hüllen des Getreides gebildet, aber stets mit mehr oder weniger von den Bestandteilen des Mehls gemischt, enthält:

  Weizen­kleie Roggen­kleie
Wasser 12,70 15,32.
Eiweißartige Stoffe 17,93 18,18.
Zucker 4,32 1,86.
Gummi 8,85 10,40.
Fett 3,79 4,72.
Holzfaser 30,65 28,53.
Stärke 21,76 21,09.

Der Nährwert der Kleie erscheint nach ihrem hohen Stickstoffgehalt sehr bedeutend; aber der große Gehalt an Holzfaser mindert ihren Wert erheblich, und da es selbst durch Säuren und Alkalien nicht gelingt, die eiweißartigen Substanzen völlig von der Holzfaser zu trennen, so muß ein Teil dieser letztern gewiß als völlig unverdaulich gelten (vgl. Brot, S. 472). Man benutzt die Kleie als Viehfutter, in der Färberei zur Bereitung der warmen Indigküpe, in der Zeugdruckerei zur Reinigung des weißen Grundes bedruckter Gewebe und zur Befreiung der bedruckten Stelle von nur mechanisch anhaftendem Farbstoff, endlich auch in der Gerberei. Vgl. Kick, Die Mehlfabrikation (2. Aufl., Leipz. 1878; Supplement 1883); Meyer, Die Fabrikation des Mehls (das. 1886).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 562563
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[562] Mehl. Getreidemehl wird bisweilen mit Sand, Gips, Schwerspat verfälscht, häufiger sind pflanzliche und tierische Verunreinigungen, die mit dem Mikroskop erkannt werden: Brand-, Rost-, Schimmelpilze, Mutterkorn, Bakterien, Milben, Aaltierchen, Unkrautsame (Wachtelweizen, Wicken, Raden). Mutterkornhaltiges M. entwickelt beim Erwärmen mit Kalilauge einen Geruch nach Heringslake. Schüttelt und erwärmt man 2 g M. mit 10 cc einer Mischung von 95 Teilen verdünntem Alkohol und 5 Teilen Salzsäure, so färbt sich die Flüssigkeit bei Gegenwart von Mutterkorn rötlich. Auch zur Unterscheidung der verschiedenen Getreidemehle benutzt man hauptsächlich das Mikroskop. Gutes Weizenmehl muß beim Kneten mit Wasser mehr als ein Drittel seines Gewichts aufnehmen und eine gleichmäßige, elastische, nicht stark klebende, aber in Stränge dehnbare Masse bilden. Je weniger ausziehbar der Teig ist, desto geringer ist die Mehlsorte. Schüttet man [563] eine kleine Menge M. auf schwarzes, mattes Papier, legt ein Stück recht glattes Papier darauf und drückt das M. mit einem flachen Holz glatt, so lassen sich mit der Lupe gelbliche Kleieteilchen und schwarze Radeschalen leicht entdecken; legt man mehrere derartig hergerichtete Proben nebeneinander, so lassen sich die feinsten Farbenunterschiede erkennen. Beim Pekarisieren wird ein Brettchen mit derartigen Proben in Wasser getaucht, wobei die Farbenunterschiede deutlicher hervortreten. Zur Prüfung des Klebers macht man aus 50 g Weizenmehl und 20–25 g Wasser einen Teig, schlägt diesen in ein Tuch und knetet ihn unter einem Wasserstrahl, bis das Wasser klar abläuft. Sammelt man das Wasser in einem Gefäß, so setzt sich darin das Stärkemehl ab und kann gewogen werden. Guter Kleber ist blaßgelb und läßt sich zu dünnen Strängen ausziehen, ohne zu zerreißen; schlechter Kleber ist dunkler, bröckelig oder schleimig. Das Gewicht des feuchten Klebers beträgt 25–30 Proz. Zur Bestimmung der Backfähigkeit dient das Aleurometer (s. d., Bd. 1). Gutes Weizenmehl enthält 10 bis 12, höchstens 15 Proz. Wasser, durch Austrocknen einer gewogenen Probe läßt sich der Wassergehalt leicht bestimmen. Schüttelt man eine Messerspitze voll M. im Reagenzglas mit Chloroform, so fallen Mineralstoffe zu Boden, während das M. im Chloroform schwimmt (einen geringen Bodensatz gibt auch reines M.). Zur genauern Untersuchung auf mineralische Verunreinigungen werden 10 g M. im Platintiegel eingeäschert. Weizenmehl enthält 0,5–0,9 Proz. Asche, Roggenmehl bis 2 Proz. und kleiereiches M. nicht über 2,5 Proz. Bisweilen ist M. auch mit Alaun oder Kupfervitriol verfälscht worden, häufiger mit andern Mehlen, die man mikroskopisch nachzuweisen hat. Erwärmt man 1 g M. mit 50 g Wasser auf 60–61°, höchstens 62,5° und untersucht dann unter dem Mikroskop, so zeigen sich die Roggenstärkekörner mit Ausnahme der kleinsten gequollen, meist geplatzt, während die Weizenstärkekörner unverändert sind. Die oben erwähnte Mischung von Alkohol mit Salzsäure färbt sich mit Roggenmehl nicht, wird aber mit Gersten- und Hafermehl gelb und bei Mischungen deutlich blaßgelb. Um Buchweizenmehl zu erkennen, resp. zu entdecken, verkleistert man das M. mit konzentrierter Kalilauge und Wasser und setzt Salzsäure zu. Der durch die Kalilauge gelblich gewordene Kleister des Reis- (und des Roggen-) Mehls erscheint nach Zusatz der Salzsäure weiß, der Kleister des Buchweizens wird durch Kalilauge dunkelgrün oder schmutzig braungrün und dann durch Salzsäure rot.