Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Maulwurf“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 357
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Maulwurf. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 357. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Maulwurf (Version vom 20.08.2021)

[357] Maulwurf (Mull, Talpa L.), Säugetiergattung aus der Ordnung der Insektenfresser und der Familie der Maulwürfe (Talpina), gedrungen gebaute Tiere mit walzenförmigem Körper ohne abgesetzten Hals, kleinem Kopf ohne sichtbare Augen und Ohren, mit rüsselartiger Schnauze, verkürzten Extremitäten, zu verhältnismäßig sehr großen, breiten Grabfüßen umgewandelten Vorderfüßen und kurzhaarigem, seidenartigem Pelz; sie leben unterirdisch und graben vortrefflich; man findet sie in Wiesen, Feldern, Gärten und Wäldern, aber fast niemals an der Erdoberfläche, da sie sich meist nur in ihren Gängen schnell und sicher fortbewegen und die Wirkung des Lichts schmerzlich empfinden; im Notfall schwimmen sie vortrefflich. Geruch und Gehör sind gut ausgebildet, um so schlechter das Gesicht; ihre geistigen Fähigkeiten sind gering, sie zeigen sich unverträglich, bissig und höchst mordlustig. Sie leben nur von Kerbtieren, Würmern, Asseln, Krustentieren, fressen aber auch kleine Säugetiere, Vögel, Frösche u. Schnecken und sind sehr gefräßig. Der gemeine M. (Mull-, d. h. Staubwerfer, Talpa europaea L., s. Tafel „Insektenfresser“) ist 15 cm lang, mit 2,5 cm langem Schwanz, 5 cm hoch, schwarz, an den nackten Pfoten, Fußsohlen, der Rüsselspitze und dem Schwanzende fleischfarben. Die Augen sind schwarz und etwa von der Größe eines Mohnkörnchens; sie liegen in der Mitte zwischen der Rüsselspitze und den Ohren und sind von dem Kopfhaar völlig bedeckt, haben aber Lider und können willkürlich hervorgedrückt und eingezogen, also zum Sehen benutzt werden. Der M. findet sich in ganz Mitteleuropa, in Asien bis zum Amur und südlich bis zum Kaukasus, fehlt in Irland, Nordschottland, Mittel- und Süditalien und Griechenland. Er gräbt sich gewöhnlich an einer von außen schwer zugänglichen Stelle, unter Baumwurzeln, einer Mauer etc., eine Wohnung (s. Figur), die mit Laub, Moos etc. gepolstert wird, 50–60 cm unter der Erdoberfläche liegt und durch ein eigentümliches System von 2 kreisförmigen konzentrisch und mehreren radial verlaufenden Röhren mit der oft 30–50 m langen Laufröhre, deren Wände von auffallender Festigkeit sind, in Verbindung steht, durch welche er täglich dreimal in sein weit entferntes Jagdgebiet geht, um hier wühlend Insekten und deren Larven, besonders Engerlinge, auch Regenwürmer etc., zu erbeuten. Besondere Gänge führen zu Pfützen und Bächen, auch legt er wohl Schächte an, in denen sich Regenwasser sammelt. Er kommt nur in den Sommermonaten des Nachts, selten bei Tag auf die Erdoberfläche, wo er dann auf Schnecken, Frösche, Blindschleichen, Mäuse und selbst auf kleine Vögel Jagd macht. Im Verhältnis zu seiner Größe ist er ein furchtbares Raubtier, dabei wild, blutdürstig, grausam. Er lebt einsiedlerisch, und wenn er auf einen andern M. stößt, so kämpfen beide, bis der eine unterliegt, der dann vom Sieger gefressen wird. Im Winter senkt er seine Gänge bis in frostfreie Tiefen, wo Insekten und Würmer Schutz suchen, und hält keinen Winterschlaf. Er läuft auf der Oberfläche, besonders aber in seinen unterirdischen Gängen mit großer Behendigkeit und gräbt mit wahrhaft wunderbarer Geschwindigkeit. Das Weibchen wirft nach vierwöchentlicher Tragzeit 3–5 Junge, welche rasch heranwachsen und von der Mutter sehr sorgfältig

Bau des Maulwurfs.

behandelt werden. Als Kerbtiervertilger sehr nützlich, wird der M. in Gärten durch Unterwühlen und Aufwerfen der Erde sehr lästig, weshalb ihm mit Maulwurfsfallen und Bügelfallen eifrig nachgestellt wird. Außer vom Menschen wird er besonders vom Iltis, Wiesel, Raubvögeln, Raben und Storch, auch vom Igel und von der Kreuzotter verfolgt. Sein Fell wird in Rußland zu kleinen Säckchen verarbeitet. Früher wurden viele Teile des Maulwurfs abergläubisch als Heilmittel benutzt. Vgl. Kober, M. und Nagetiere, deren Nutzen und Schaden (Stuttg. 1877).