Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Masanĭello“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Masanĭello“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 11 (1888), Seite 305
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Masaniello
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Masanĭello. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 305. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Masan%C4%ADello (Version vom 28.12.2023)

[305] Masanĭello, eigentlich Tommaso Aniello, der Hauptanführer beim Aufstand in Neapel 1647, geb. 1623 zu Amalfi, lebte in Neapel als Fischer und Obsthändler. Der Steuerdruck, der unter der spanischen Herrschaft auf der Bevölkerung lastete, war durch das 3. Jan. 1647 vom Vizekönig, Herzog von Arcos, publizierte Edikt, welches eine hohe Abgabe auf Getreide und Früchte legte, ins Unerträgliche gesteigert worden; das Versprechen, sie aufzuheben, wurde nicht gehalten und die Aufregung und Erbitterung des Volkes dadurch auf die Spitze getrieben. Als 7. Juli die Bewohner Neapels zur Feier eines Marienfestes zahlreich in den Straßen versammelt waren, entstand auf dem Markt Streit zwischen den Fruchthändlern und Steuererhebern. M., dessen Frau wegen heimlicher Umgehung der Abgabepflicht bestraft worden, und der daher gegen die Regierung erbittert war, rief die Menge durch den Ruf: „Eßt, Kinder, eßt, dann wollen wir die Steuern abschaffen!“ zur Selbsthilfe; die Steuerhäuser in der Stadt wurden geplündert und niedergerissen, die Gefängnisse erbrochen und der Vizekönig, dessen Person sich die Aufständischen bemächtigten, gezwungen, die Abschaffung sämtlicher Steuern eidlich zu versprechen. Indessen rettete er sich in der Nacht in das Kastell und überließ die Stadt den Rebellen. M. übte nun eine unbeschränkte Herrschaft, ließ viele Häuser der Beamten und andrer verhaßter Personen zerstören und schlug, zum Generalkapitän des Volkes erwählt, die zur Unterstützung des Statthalters heranziehenden Truppen zurück. Täglich saß er auf dem Platz Toledo zu Gericht, und seine Todesurteile wurden auf der Stelle vollzogen. Die Banditen, welche in die Stadt strömten, um an den Vorteilen der Anarchie teilzunehmen, wurden zurückgetrieben oder hingerichtet. M. war gutmütig und nicht ohne edle Regungen, aber eitel, selbstgefällig und ohne höhere Ziele. Der Erzbischof Filomarino unterhandelte endlich mit M. über eine förmliche Kapitulation, zu deren Abschluß sich M. 12. Juli zu Pferde, von mehr als hunderttausend Menschen begleitet, selbst zum Herzog von Arcos begab. Ein Vertrag, welcher die Abschaffung der neuen Steuern und Amnestie versprach, wurde abgeschlossen und 13. Juli in der Kirche del Carmine beschworen. Von da an traten bei M. Anzeichen des Irrsinns hervor, und es ward daher dem Vizekönig leicht, das Volk, das überdies die Versöhnung mit dem Vizekönig mit Mißtrauen betrachtet hatte, zum Abfall von dem „von Gott Gezeichneten“ zu bestimmen. Als M. 16. Juli in der Kirche del Carmine erschien und das Volk aufforderte, ihn zu beschützen, ward er nach dem Kloster del Carmine gebracht und hier von vier Banditen, die Arcos gedungen, mit Flintenschüssen getötet. Tags darauf veranstaltete ihm das reuige Volk ein großartiges Totenfest und setzte seine Leiche in der Kirche del Carmine bei. Auber benutzte den Stoff zu der Oper „Die Stumme von Portici“. Vgl. Rivas de Saavedra, Insureccion de Napoli en 1647 (Madr. 1849, 2 Bde.; franz., Par. 1849; daraus die „Histoire de M.“, von Florence herausgegeben, Par. 1860).