Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Marlowe“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 268
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Marlowe. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 268. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Marlowe (Version vom 13.01.2024)

[268] Marlowe (Marlow, spr. márlo), Christopher (Kit), engl. Schauspieldichter, einer der bedeutendsten Vorläufer Shakespeares, ward zu Canterbury 1562 als Sohn eines Schuhmachers geboren, erhielt eine königliche Freistelle in der King’s School daselbst und studierte dann in Cambridge, wo er 1587 Master of Arts wurde. Bereits 1586 hatte er ein Drama: „Tamburlaine the Great“, geschrieben und hierdurch den sogen. Blank verse (s. d.) für immer in das englische Drama eingeführt. In dem Stück sind unter vielfachen Übertreibungen und dem Schwulste der Diktion Stellen von hoher Schönheit und wilder Größe verborgen. Durch den Erfolg ermuntert, betrat M. selbst auf einige Zeit die Bühne und widmete sich dann ausschließlich der litterarischen Beschäftigung. Es erschien zuerst: „Life and death of Dr. Faustus“ (1588; hrsg. von Wagner, Lond. 1877; von Ward, Oxf. 1878), die älteste dramatische Bearbeitung der Faustsage voll dramatischer Kraft und hoher Sprachgewalt, die indessen im Faust weniger den Durst nach Wissen als nach sinnlichem Genuß schildert (s. Faust). Das Werk wurde übersetzt von Ad. Böttger (Leipz. 1857), von Bodenstedt in „Shakespeares Zeitgenossen“, Bd. 3 (Berl. 1860), von A. v. d. Velde (Bresl. 1870), der zu beweisen sucht, daß M. das Spießsche Volksbuch von Faust gekannt und dem deutschen Original den Stoff zu seinem Stück entnommen hat, und von W. Müller (Leipz. 1879). Es folgten: „The jew of Malta“ (um 1589; deutsch von Kannegießer, Berl. 1808), bei aller Roheit und Wüstheit großartig, auch durch eine hochkomische Szene ausgezeichnet; „The massacre at Paris“ (nach 1589), mit trefflicher Charakterzeichnung des Herzogs von Guise, sonst ohne dramatisches Interesse, und „Edward II.“ (1594; hrsg. von Tancock, Lond. 1880; deutsch von Prölß im „Altenglischen Theater“, Bd. 1, Leipz. 1881), wahrscheinlich das letzte und wohl das beste Stück Marlowes, eine „Historie“, die alle ältern Werke ähnlicher Art überragt, in der Konstruktion den Historien Shakespeares gleich und reich an glänzenden Szenen, unter denen sich die Schilderung vom Tod Eduards auszeichnet. Auch die Versifikation des Dichters zeigt sich in diesem Stück in ihrem Glanz. Man schrieb M. noch andre Stücke zu, wohl mit Unrecht; doch verfaßte er mit Nash (s. d.) das Trauerspiel „Dido“ und übersetzte einen Teil von „Hero und Leander“ und die Elegien des Ovid (1598), die der Erzbischof von Canterbury als sittenlos verbrennen ließ. Marlowes Privatleben war zügellos. Er starb, zu früh für seine Kunst, in einem Liebeshandel von seinem Nebenbuhler erstochen und wurde 1. Juni 1593 in Deptford begraben. Neuere Ausgaben seiner Werke besorgten A. Dyce (1850, 3 Bde.), Cunningham (1872), Bullen (1885, 3 Bde.), Breymann und Wagner (Heilbr. 1885 ff.).