Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Mandāt“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 179
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Mandāt. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 179. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Mand%C4%81t (Version vom 07.12.2023)

[179] Mandāt (Mandatum, Bevollmächtigungsvertrag, Vollmachtsauftrag), der Vertrag, infolge dessen jemand Geschäfte eines andern übernimmt. Der Auftraggeber heißt Mandans (Mandant) oder Mandator, Dominus negotii, Prinzipal, Kommittent; derjenige, welcher den Auftrag erhält, Procurator, Mandatar, Gewalthaber, Bevollmächtigter. Das M. ist ein Spezialmandat (Mandatum speciale), wenn es sich nur auf ein bestimmtes einzelnes Geschäft, ein Generalmandat (Mandatum generale), wenn es sich auf eine ganze Gattung von Geschäften oder gar auf die Verwaltung eines ganzen Vermögens bezieht. Der dem Mandatar erteilte Auftrag (Vollmacht) ist hiernach entweder eine Spezial- oder eine Generalvollmacht. Vielfach ist Schriftlichkeit der Vollmacht vorgeschrieben; dies gilt namentlich von der Prozeßvollmacht (s. d.). Nach preußischem Recht ist außerdem zu jedem gerichtlichen Geschäft gerichtlich oder notariell beglaubigte Vollmacht erforderlich. Der Mandatar hat das übernommene Geschäft nach den ihm erteilten Vorschriften oder, wenn solche fehlen, auf die zweckmäßigste Weise auszurichten; er ist zur Anwendung des größten Fleißes verpflichtet und haftet für den Schaden, welcher durch sein Versehen den Mandanten trifft. Der Mandant hat dem Mandatar die Auslagen zu erstatten und den Schaden zu ersetzen, den durch seine Schuld der Mandatar in der Vollziehung des Mandats erlitten hat. Das M. erlischt durch den Tod des Mandanten oder des Mandatars; auch können beide Teile das M. kündigen. Der Mandant kann nach heutigem Rechte durch Handlungen seines Beauftragten unmittelbar Eigentum und Forderungsrechte gegen Dritte erwerben, aber auch Dritten gegenüber verpflichtet werden. Handeln für andre ohne Auftrag ist Geschäftsführung (negotiorum gestio). Bei den Römern war die Unentgeltlichkeit eine wesentliche Voraussetzung des Mandatsvertrags; sie grenzte denselben dem Dienstmietvertrag gegenüber ab. Heutzutage ist dieser Unterschied hinweggefallen; das Unterscheidungsmoment zwischen M. und Dienstmiete besteht vielmehr darin, daß es sich bei ersterm um ein frei widerrufliches Vertragsverhältnis handelt, während bei der Dienstmiete beide Teile gebunden sind. Die deutsche Rechtsanwaltsordnung faßt das Rechtsverhältnis zwischen Klienten und Anwalt als M. auf; dasselbe gilt von dem Verhältnis des Prozeßbevollmächtigten zu seinem Auftraggeber. Personen, die zur Besorgung gewisser Geschäfte öffentlich bestellt sind, müssen nach preußischem wie österreichischem Recht sich über ein angetragenes M. und dessen Annahme sofort erklären, widrigen Falls sie dem Auftraggeber für etwanigen Schaden haften; diese Vorschrift ist auch in die deutsche Rechtsanwaltsordnung übergegangen (s. Rechtsanwalt). Von einem stillschweigenden M. (Mandatum tacitum) spricht man in dem Sinn, daß mit gewissen Thatsachen eine Bevollmächtigung gesetzlich als verbunden gilt. So ist nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (Art. 296) anzunehmen, daß der Überbringer einer Quittung ermächtigt sei, die Zahlung anzunehmen. Der in einem Laden oder in einem offenen Magazin oder Warenlager Angestellte gilt für ermächtigt, daselbst Verkäufe und Empfangnahmen vorzunehmen, welche in einem derartigen Geschäft gewöhnlich geschehen (Handelsgesetzbuch, Art. 50). Nach preußischem Landrecht ist der mit dem Verkauf beauftragte Inhaber einer beweglichen Sache auch als beauftragt anzusehen, den Preis zu empfangen. Besonders wichtig für Handel und Verkehr sind die sogen. Postmandate (s. Postauftrag). M. heißt auch die richterliche Verfügung, durch welche auf des Klägers einseitiges Anbringen der Gegenpartei etwas anbefohlen oder verboten wird (s. Mandatsprozeß). Früher nannte man auch die allgemeinen landesherrlichen Verordnungen Mandate; ferner hießen so die Konstitutionen der römischen Kaiser, welche Instruktionen für deren Stellvertreter, namentlich die Legaten und Prokuratoren, enthielten. Endlich wird auch der Auftrag, welchen ein Abgeordneter durch die Wahl zur Vertretung seiner Wähler erhält, als M. bezeichnet. So spricht man z. B. von einem Reichstagsmandat, obgleich die Reichsverfassung (Art. 29) die ausdrückliche Bestimmung enthält, daß die Abgeordneten an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden sind, oder daß, wie man dies auch auszudrücken pflegt, das M. der Abgeordneten kein imperatives ist.