Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Malz“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 170171
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Malz. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 170–171. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Malz (Version vom 05.12.2023)

[170] Malz (lat. maltum), einem unterbrochenen Keimungsprozeß unterworfenes Getreide, welches durch diese Behandlung in hohem Grade die Eigenschaft erlangt, die in ihm enthaltene Stärke und selbst noch größere Mengen von letzterer in Dextrin und Zucker zu verwandeln. Man bereitet das M. namentlich für die Zwecke der Bierbrauerei und Branntweinbrennerei und zieht die Gerste allen andern Getreidearten vor, weil sie jene zuckerbildende Kraft in besonders hohem Grad erreicht. Die Malzbereitung beginnt mit dem Einweichen oder Einquellen, zu welchem Zweck man die möglichst gleichartige Gerste einige Zentimeter hoch mit Wasser übergießt und die schwimmenden tauben oder beschädigten Körner abschöpft (Abschöpfgerste zu Viehfutter). Das Wasser reinigt die Gerste und löst aus der strohigen Samenschale Extraktivstoffe, welche leicht in Gärung und Fäulnis übergehen, so daß man das Wasser wiederholt wechseln muß. Nach 2–7 Tagen hat die Gerste 40–50 Proz. Wasser aufgenommen, ihr Volumen um 18–24 Proz. vergrößert, aber um 1–2 Proz. an Gewicht verloren. Man läßt sie abtropfen und bringt sie auf die Malztenne (Haufentenne, Wachskeller), um die Keimung einzuleiten. Hierbei nimmt zunächst die Quantität der löslichen Kleberstoffe zu, und gleichzeitig beginnt die Dextrin- und Zuckerbildung. Diese Umwandlung unlöslicher in lösliche Stoffe ermöglicht die Entwickelung des Keims, [171] welchem letztere als erste Nahrung dienen. Zuerst tritt das Würzelchen hervor und erreicht eine gewisse Länge, dann beginnt das Wachstum des Blattfederchens, aus welchem sich der Halm entwickelt, und in diesem Moment besitzt das Korn die größte zuckerbildende Kraft. Bei weiterm Fortschreiten der Keimung würde dieselbe wieder abnehmen und namentlich viel Stoff von der nun schnell wachsenden Pflanze verbraucht werden; es kommt also darauf an, die Keimung in einem bestimmten Zeitpunkt zu unterbrechen, und die Aufgabe der Malzbereitung ist, dafür zu sorgen, daß zu diesem Zeitpunkt alle Körner gleich weit entwickelt sind. Der Malzkeller muß 2–3 m in der Erde liegen, mit niedrigen, innen durch Klappen oder Laden verschließbaren Fenstern versehen sein und eine möglich beständige Temperatur von 10–15° besitzen. Auf dem sorgfältig geebneten steinernen Fußboden breitet man die eingeweichte Gerste zu einem 12–15 cm hohen Haufen (Malzscheibe, Beet) aus und schaufelt diesen alle 6–8 Stunden um, bis die Oberfläche hinreichend getrocknet erscheint. Zeigt sich dann der Keim als weißer Punkt, aus welchem sich mehrere Würzelchen entwickeln (Guzeln, Äugeln), so macht man den Haufen je nach der Temperatur des Lokals 30–60 cm hoch und läßt ihn längere Zeit liegen, damit sich die Temperatur steigere. Bei dem Keimen wird nämlich unter Absorption von Sauerstoff und Bildung von Kohlensäure viel Wärme entwickelt, und durch geschickte Regelung der Temperatur hat man den Keimungsprozeß völlig in der Gewalt. Die Würzelchen erreichen bald die Länge von mehreren Millimetern und beginnen sich zu verfilzen; man zieht dann den Haufen mehr und mehr aus und sucht das Würzelchen auf die 1,25–1,5fache Länge des Korns zu bringen, ohne daß sich der Blattkeim entwickelt. Die mittlere Keimzeit beträgt acht Tage, und Frühling und Herbst sind dem Prozeß günstiger als der Sommer. Der Gewichtsverlust der Gerste während des Keimens beträgt 3 Proz. Zur Tötung des Keims bringt man das Grünmalz, welches bisweilen auch als solches verbraucht wird, auf den Trockenboden (Schwelkboden, Schwelche, Welkboden), wo es in 3–5 cm hoher Schicht ausgebreitet und täglich sechs- bis siebenmal umgeschaufelt wird, so daß es unter dem Einfluß eines lebhaften Luftzugs schnell trocknet. Dabei brechen die Würzelchen zum Teil ab, den Rest entfernt man durch Treten mit Holzschuhen oder in einer rotierenden Trommel und sondert dann die Würzelchen von dem M. durch eine Wurfmaschine. So erhält man das Luft- oder Schwelchmalz. Für die meisten Biere aber wird das M. während des Trocknens einer höhern Temperatur ausgesetzt (gedarrt), um sowohl den Dextringehalt zu steigern, als auch gewisse Röstprodukte zu bilden, welche den Geschmack des Biers verbessern und es haltbarer machen. Stets wird das Grünmalz zur Bereitung von Darrmalz zunächst auf dem Schwelkboden einigermaßen getrocknet, und dann muß die Temperatur auf der Malzdarre sehr sorgfältig geregelt werden, weil in dem feuchten M. die Stärke leicht in Kleister übergeführt wird und das trockne bei zu hoher Temperatur zwar nicht die zuckerbildende Kraft, wohl aber die Feinheit des Aromas einbüßt. Feucht zu stark erhitztes M. bildet das Glasmalz (Steinmalz), in welchem der Kleister zu einer hornartigen Masse getrocknet und für Wasser undurchdringlich geworden ist. Zum Erhitzen des Malzes dienen die Malzdarren, in welchen das M. auf siebähnlich durchlöchertem Metallblech (Blechdarren) oder auf Drahtgeflecht (Drahtdarren) entweder durch die Verbrennungsgase direkt (Rauchdarren) oder durch heiße Luft (Luftdarren), bisweilen auch unter Anwendung beider Systeme, erhitzt wird. Für Brennereien wird das M. schließlich höchstens auf 56, für Brauereien aber auf 100° erhitzt. Je nach der angewandten Temperatur erhält man gelbes, bernsteingelbes oder braunes M. Außerdem röstet man zum Färben dunkler Biere M. in blechernen Cylindern über freiem Feuer, bis es durch und durch dunkel kaffeebraun geworden ist (Farbmalz), wobei es freilich die zuckerbildende Kraft völlig einbüßt. 100 Teile Gerste geben durchschnittlich 92 Teile Luftmalz, auf 8–9 Volumen Gerste aber erhält man 1 Vol. M. mehr. Lufttrocknes M. enthält, wie lufttrockne Gerste, etwa 12 Proz. Wasser. In neuerer Zeit sind auch mechanische Mälzereieinrichtungen angegeben worden, in welchen der Keimlings- und Darrungsprozeß auf einfache und wirksame Weise mechanisch geregelt wird. Dieselben scheinen besonders für Malzfabriken und Bierbrauereien geeignet zu sein. Die Veränderungen, welche die Bestandteile der Gerste bei der Umwandlung in M. erleiden, zeigt folgende Tabelle:

  Gerste Luftmalz Darrmalz Stark
gedörrtes
Malz
Röstprodukte 0,0 0,0 7,8 14,0
Dextrin 5,6 8,0 6,6 10,2
Stärke 67,0 58,1 58,6 47,6
Zucker 0,0 0,5 0,7 0,9
Zellstoff 9,6 14,4 10,8 11,5
Eiweißstoffe 12,1 13,6 10,4 10,5
Fett 2,6 2,2 2,4 2,6
Mineralstoffe 3,1 3,2 2,7 2,7

Die zuckerbildende Kraft des Malzes beruht auf seinem Gehalt an Diastase (und Maltin, s. Diastase), und man benutzt dieselbe, um in der Bierbrauerei und Branntweinbrennerei große Mengen Stärkemehl in Dextrin und Zucker umzuwandeln. Die zuckerbildende Kraft ist am stärksten im Grünmalz und vermindert sich beim Darren so stark, daß 100 Teile Grünmalz trotz des hohen Wassergehalts ebensoviel Stärke in Dextrin und Zucker verwandeln wie 100 Teile Darrmalz. Anderweitige Verwendung findet das M. zur Bereitung von Malzextrakt, Malzbonbons etc., zur Liebigschen Suppe für Säuglinge, zu Bädern etc. Vor der Verwendung wird das M. zwischen Walzen zerquetscht, Darrmalz auch auf gewöhnlichen Mahlgängen geschroten, und damit sich beim Einmaischen keine Klümpchen bilden, deren Verflüssigung viel Zeit kosten würde, wendet man Malzmilchapparate an, welche das M. mit Wasser zu einer milchartigen Flüssigkeit zusammenreiben. Mit großem Vorteil benutzt man auch Vorrichtungen nach Art der Holländer in den Papierfabriken, welche das M. außerordentlich fein zerteilen und alle kleinsten Teile zur Wirksamkeit bringen. Vgl. Schneider, Mälzerei. Chemie und Physiologie der Malzbereitung (Leipz. 1874); Bersch, Die Fabrikation von M. (Berl. 1880); Thausing, Theorie und Praxis der Malzbereitung etc. (Leipz. 1882); Johannesson, Lexikon der Malzfabrikation etc. (Berl. 1884); Weber, Die Malzfabrikation (Wien 1886).