Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Magensaft“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 6970
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Magensaft. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 69–70. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Magensaft (Version vom 20.11.2023)

[69] Magensaft, Absonderungsprodukt der Magenschleimhaut, eine farblose, klare oder etwas getrübte Flüssigkeit von stark saurer Reaktion, enthält Pepsin, Salzsäure und etwa 98 Proz. Wasser. Das Pepsin wird in den Labdrüsen gebildet und vermag in saurer Lösung eine fast unbegrenzte Menge von Eiweiß zu verdauen. Die Salzsäure ist in Mengen von 0,1–0,4 Proz. im M. enthalten. Ihre Wirkung ist keine spezifische, sie kann vielmehr durch zahlreiche andre Säuren, z. B. Phosphor-, Salpeter-, Schwefelsäure, ersetzt werden. Die Absonderung des Magensafts erfolgt nur zur Zeit der Verdauung. Die Salzsäure kann durch Stoffe, welche im Blut vorkommen, aus Chloriden frei gemacht werden. Fügt man zu einer Lösung von Chlorcalcium phosphorsaures Natron, welches, wie das Chlorcalcium, ein Blutbestandteil ist, so erhält man unter Bildung von phosphorsaurem Kalk und Chlornatrium eine Lösung, welche freie Salzsäure enthält. Außerdem kann aber auch noch durch die Einwirkung von saurem phosphorsaurem Natron, dessen Vorkommen im Blut nicht bezweifelt werden kann, auf das Kochsalz des Bluts Salzsäure entstehen. Da nun die Säuren ein viel größeres Diffusionsvermögen als die übrigen Körper haben, an der Spitze sämtlicher Säuren aber wieder die Salzsäure steht, so läßt sich das Auftreten von Salzsäure im M. auf Diffusionsvorgänge zurückführen, und man kann annehmen, daß in der Magenschleimhaut ein Diffusionsapparat von außerordentlicher Feinheit liege, der nur denjenigen Substanzen den Durchtritt gestatte, welche mit der größten Leichtigkeit diffundieren. Der M. wirkt lösend auf viele Substanzen, verdauend aber nur auf die Eiweißkörper ein, indem er diese peptonisiert (s. Verdauung). Die Schnelligkeit, mit der die Verdauung durch den M. erfolgt, ist abhängig von seinem Gehalt an Pepsin, von seinem Säuregrad, von seinem Gehalt an Verdauungsprodukten und von seiner Temperatur. Innerhalb gewisser Grenzen erfolgt die Verdauung um so schneller, je reicher der M. an Pepsin ist, und die kräftigste [70] Wirksamkeit zeigt er bei einem Salzsäuregehalt von 0,3–1,0 Proz. Eine Verdauungsflüssigkeit, die bereits ein gewisses Quantum Eiweiß verarbeitet hat, verliert sehr an Wirksamkeit, die ihr aber durch das Zufügen neuer Säure wiedergegeben werden kann. Die Peptonisierung erfolgt am schnellsten bei Temperaturen von 35–50°; bei 0° hört die Wirkung des Magensafts ganz auf. Der M. läßt das Nuclein, das Mucin und die verhornte Substanz ganz unverändert; seine Wirkung erstreckt sich aber auf die sämtlichen übrigen Eiweißstoffe sowie auf das Kollagen und die elastische Substanz (näheres s. Verdauung). Um sogen. künstlichen M. herzustellen, der Eiweißkörper bei Brutofenwärme in ähnlicher Weise verdaut wie der natürliche M., extrahiert man die gut gewaschene und zerkleinerte Schleimhaut des Schweinemagens mit 0,5 Proz. Salzsäure. Einen Glycerinauszug der Magenschleimhaut kann man viele Jahre hindurch unzersetzt aufbewahren, und es genügt der Zusatz weniger Tropfen desselben zu einer 0,5proz. Salzsäure, um sofort einen sehr kräftigen künstlichen M. zu erhalten.