Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Machiavelli“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 31
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Machiavelli. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 31. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Machiavelli (Version vom 20.11.2023)

[31] Machiavelli (spr. mackjawélli), Niccolò di Bernardo dei, einer der größten Staatsmänner und Geschichtschreiber Italiens, geb. 5. Mai 1469 zu Florenz aus einer alten, aber verarmten Patrizierfamilie, deren Glieder zu den höchsten Staatsämtern der florentinischen Republik gelangt waren, ward Cancelliere (Kanzler) sowie nach der Vertreibung der Mediceer 1494 Staatssekretär der florentinischen Republik und mehrmals mit Missionen an die Höfe von Frankreich, Österreich und Rom betraut, über welche er ausgezeichnete Staatsschriften an seine Behörde sandte. Als die Mediceer 1512 nach Florenz zurückkehrten, wurde M. von der Staatsverwaltung entfernt und, der Teilnahme an der Verschwörung von Boscoli und Capponi gegen den Kardinal Giovanni de’ Medici verdächtig, eingekerkert und dann aus Florenz verbannt. Nachdem Giovanni de’ Medici als Leo X. den päpstlichen Stuhl bestiegen hatte, durfte M. nach Florenz zurückkehren, wo er aber nur zu unbedeutenden Sendungen verwendet wurde und seine Zeit poetischen und historischen Arbeiten widmete. Der Kardinal Julius schenkte ihm zwar sein Vertrauen, als er unter dem Namen Clemens VII. Papst geworden war; die Gunst seiner Mitbürger vermochte er jedoch nicht wiederzugewinnen. Er starb 22. Juni 1527 in Florenz. Seine Komödien („Clizia“, „Mandragola“ u. a.), Nachahmungen des Plautus, zeichnen sich durch scharfe Charakteristik und witzigen Dialog aus, sind aber äußerst anstößig. Die „Istorie fiorentine“ (Flor. 1532; deutsch von Neumann, Berl. 1809, 2 Bde., und von Reumont, Leipz. 1846, 2 Bde.) von 1215 bis 1492 sind eins der vorzüglichsten Werke der italienischen Prosa, lebendig, anschaulich, in edlem Stil. Obwohl Popolare, beurteilt M. doch die Mediceer, von denen er eine Pension von 100 Dukaten bezog, sehr mild. Machiavellis berühmteste Werke sind seine „Discorsi sopra la prima decade di Tito Livio“ (Wien 1532 und 1630; deutsch von Grüzmacher, Berl. 1871), worin er die Verfassung des alten Rom als die vorzüglichste preist, „Dell’ arte della guerra sette libri“ und sein Hauptwerk: „Il Principe“ (Rom 1535 u. öfter; lat., Leiden 1643; deutsch neuerlich von Eberhard, 2. Aufl., Berl. 1873; von Grüzmacher, das. 1870), 1514 abgefaßt und an Lorenzo de’ Medici gerichtet, worin M. einen Fürsten schildert, der, wie Cäsar Borgia, ohne Rücksicht auf Moral und Religion, durch Klugheit und konsequentes Handeln in dem von ihm unterjochten Staat seine Alleinherrschaft zu begründen weiß. Man nennt daher eine Staatskunst, der alle sittliche Grundlage fehlt, und welche die Klugheit zur einzigen Richtschnur ihres Handelns macht, Machiavellismus oder machiavellistische Politik. Friedrich II. erklärte in seinem „Antimachiavell“ jene Schrift für eine der gefährlichsten. Da aber die im „Principe“ ausgesprochenen Ansichten den Grundsätzen, zu denen sich M. in seinen andern Werken und in seinem Leben bekannte, durchaus widersprechen, da uns die Zeitgenossen M. als einen geschichts- und welterfahrenen und dabei redlichen Mann, als einen warmen Freund des Vaterlandes schildern, so sehen Neuere, namentlich Herder, Macaulay und Ranke („Zur Kritik neuerer Geschichtschreiber“, 2. Aufl., Leipz. 1874), im „Principe“ ein politisches Musterwerk für die italienischen Fürsten damaliger Zeit, in ihrem Geschmack nach ihren Grundsätzen zu dem Zwecke geschrieben, Italien von den Barbaren zu befreien. „M. suchte die Heilung Italiens, doch der Zustand desselben schien ihm so verzweifelt, daß er kühn genug war, ihm Gift zu verschreiben“ (Ranke). Gesamtausgaben von seinen Werken erschienen seit 1550 öfter, so zu Florenz 1813, 8 Bde., 1826, 10 Bde., und in Einem Band 1833; von Parenti, das. 1843; von Polidori, das. 1857. Die erste kritische und vollständige Gesamtausgabe veranstaltete die „Società italiana per l’incremento degli studj“ durch Passerini, Fanfani u. a. (Flor. 1873 ff.). Eine deutsche Übersetzung lieferte Ziegler (Stuttg. 1832–41, 8 Bde.). Eine Sammlung von Machiavellis Briefen veranstaltete Leo (Berl. 1826). Ein Band Gesandtschaftsberichte erschien zu Florenz 1858. Vgl. Villari, N. M. und seine Zeit (deutsch, Leipz. 1877–83, 3 Bde.); Amico, La vita di Niccolò M. (Flor. 1877 ff.); Tommasini, La vita e gli scritti di N. M. (Rom 1883 ff.); Triantafillis, Nuovi studii su N. M. (Vened. 1878).