Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Mühlsteine“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 855
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Mühlsteine. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 855. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:M%C3%BChlsteine (Version vom 23.02.2024)

[855] Mühlsteine, diejenigen Teile der Mühlen, zwischen welchen das Getreide gemahlen wird. Die M. müssen bei gewisser Kohäsion und großer Härte entweder ein körniges oder besser ein poröses Gefüge mit natürlichen Schnittkanten und Ecken besitzen, sich leicht bearbeiten lassen, ohne spröde zu sein, beim Gebrauch die rechte Mahlfähigkeit möglichst lange behalten (nicht leicht stumpf werden) und sich nicht merklich abnutzen, um das Mahlgut weder durch Steinpulver zu verunreinigen, noch die Farbe des Mehls zu beeinträchtigen. In den alten Mühlen behalf man sich mit Sandsteinen, wie sie möglichst nahe am Ort vorkamen; jetzt verwendet man auf die Beschaffung der Steine viel größere Sorgfalt, da von deren Beschaffenheit zum sehr großen Teil der Erfolg des ganzen Mahlprozesses abhängt. Sandsteine benutzt man noch für die grobe Müllerei, zum Spitzen und Schroten der Körner, und man erhält gute M. aus diesem Material von Jonsdorf unweit Zittau im Liebethaler Grund, aus der Gegend zwischen Löwenberg und Bunzlau, von Rothenburg a. d. T., von Münden und vom Osterwald bei Elze im Hannöverschen, von Neckartenzlingen bei Nürtingen, aus den Niederwallseer Steinbrüchen unweit Wien, aus dem Dogeser Steinbruch bei Prag, von Waldshut in Baden etc. Besser als Sandstein ist Porphyr, den besonders der Thüringer Wald oberhalb Frankenhain und Dörrberg und Krawinkel liefern. Verschlackter Basalt (Mühlsteinlava) bildet die rheinischen M., die bei Andernach gewonnen werden und erst in neuerer Zeit durch die französischen M. etwas verdrängt worden sind. Die ausgezeichnetsten M. bestehen aus porösem Süßwasserquarz, wie er bei La Ferté sous Jouarre (Departement Seine-et-Marne) vorkommt. Sie sind sehr hart und porös und besitzen zahllose kleine Höhlungen, in denen Quarzfäden, dem netzförmigen Knochengewebe vergleichbar, sich zeigen, die natürliche Schneiden bilden und sich beim Abarbeiten teilweise von selbst erneuern; sie schälen die Hülsen förmlich vom Kern des Getreides ab, ohne daß ein Netzen desselben nötig wird. Man findet aber dies Quarzgestein nicht in der Mächtigkeit und Gleichartigkeit, daß man die M. in Einem Stück daraus bearbeiten könnte; vielmehr muß man dieselben aus kleinern Stücken zusammensetzen und letztere mit Zement oder Gips untereinander verkitten, wobei man aber den Kern aus gewöhnlichem Sandstein bildet. Das Ganze wird mit eisernen Reifen umgeben. Den eben genannten Steinen ähnlich sind die von Bergerac sowie die von Fony und Segelong in Ungarn. – Die Aufgabe der Steine, nicht das ganze Getreidekorn zu zerreiben, sondern die Schalen abzutrennen und nur den Kern in Mehl zu verwandeln, kann durch ebene Steine nicht erreicht werden; man haut deshalb mit den „Mühlpillen“ Rinnen in die M., welche scherenartig wirken und das Mehl zugleich nach dem Umfang des Steins treiben. Diese Rinnen (Fig. 1), welche von dreieckigem Querschnitt ab sind, nennt man Hauschläge oder Furchen, und die damit versehenen M. heißen geschärft. Die Form und der Verlauf der Rinnen sind für das Gelingen der Mahloperation von großer Wichtigkeit. Bei deutschen Mühlen sind die Hauschläge des Bodensteins radiale Linien st (Fig. 2), die des Läufers sind dagegen gekrümmt mno und zwar so, daß sie wenigstens annähernd eine logarithmische Spirallinie

Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 1 u. 2. Schärfung der Mühlsteine.

bilden, welche die Eigenschaft hat, daß alle vom Mittelpunkt gezogenen Linien mit derselben gleiche Winkel bilden. Ein gewisses Abweichen von der logarithmischen Spirale hat für die Praxis manche Vorzüge. Im Mittelpunkt der Steine, wo das Korn aufgeschüttet wird, hat dasselbe noch ein größeres Volumen als an der Peripherie der Steine, und man macht daher die Rillen dort tiefer als am Umfang. Die scherenartige Wirkung der Hauschläge veranlaßt nun bei weitläufiger Stellung der Steine zunächst ein Schälen des Getreides, und der Kern wird erst in Mehl verwandelt, wenn man nach dem folgenden Aufschütten die Steine einander mehr nähert. Nach einer andern Methode sind die französischen und amerikanischen Steine geschärft. Bei erstern sind die Rillen geradlinig, aber nicht Radien des Steins, sondern sie bilden Tangenten ap, rb zu den „Augen“ des Steins und parallele Linien c mit diesen Tangenten. Die ähnlich verlaufenden Rillen der amerikanischen Steine sind gekrümmt. Zur Herstellung der Furchen hat man mehrfach Maschinen in Anwendung gebracht, doch konnten sich dieselben bisher nicht recht Eingang verschaffen. Vortrefflich arbeiten die mit Diamanten armierten Schärfmaschinen, deren bedeutende Anschaffungskosten aber wohl nur von großen Mühlenetablissements getragen werden können.