Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Luftspiegelung“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 990991
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Luftspiegelung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 990–991. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Luftspiegelung (Version vom 17.04.2024)

[990] Luftspiegelung (Kimmung, Fata Morgana, franz. Mirage), eine optische Lufterscheinung, welche dadurch entsteht, daß Lichtstrahlen, wenn sie durch ungleich erwärmte und folglich auch ungleich dichte Luftschichten dringen, gebrochen und von der ursprünglichen Richtung abgelenkt werden. Sie ist also eine Folge der atmosphärischen Strahlenbrechung (s. Brechung des Lichts). Sie besteht darin, daß Gegenstände, die sich unter dem Horizont befinden, deutlich sichtbar, also gewissermaßen gehoben werden, aber stets wie von Wasser umgeben, oder daß über dem Horizont befindliche Gegenstände doppelt, vergrößert oder umgekehrt in der Luft schwebend erscheinen. Am häufigsten ist die L. über weiten Ebenen, namentlich über größern Sandflächen und über Gewässern, und am auffallendsten in den heißen und kalten Gegenden der Erde. Die deutschen Seeleute nennen diese Erscheinung Kimmung, die englischen Looming, die holländischen Uppdracht, die französischen Mirage. In Indien nennt man die L. Chiltram, „Bild“, oder Sikota, „Schlösser der kalten Zeit“; bei den Arabern heißt sie Sehrab, „geheimnisvolles Wasser“, auch Bacher el Alfrid, „Sohn des Teufels“, oder Bacher el Gazal. Die Erklärung der L. über stark erwärmtem ebenen Boden beruht auf folgendem. An heißen, windstillen Sommertagen, wenn der Boden durch die Sonnenstrahlen erhitzt ist und die untern Luftschichten an dieser hohen Temperatur teilgenommen haben, beobachtet man eine eigentümlich zitternde Bewegung wenige Zoll über der Erde. Blickt man auf eine etwas geneigte Ebene, so erinnert die Erscheinung wohl an den leise bewegten Spiegel eines Sees. In Niederägypten z. B., wo die Sonne eine höhere Wärme entwickelt, zeigt sich das Phänomen auf dem ebenen Boden bedeutend stärker. Hier ist auch die L. durch Monge 1798 untersucht worden. Ist nämlich die Luft völlig ruhig, so lagern die Luftschichten in ebenen horizontalen Schichten übereinander, und der Temperaturunterschied wird so bedeutend, daß die Lichtstrahlen, indem sie aus einer Luftschicht in die andre übergehen, eine bedeutende Brechung erleiden und teilweise total reflektiert werden können. Unter diesen Umständen verschwindet für den Beobachter der Boden in einiger Entfernung (indem die von demselben ausgehenden Lichtstrahlen total reflektiert werden); er sieht zwar noch die höhern Gegenstände, wie Hügel, Dörfer und Bäume, aber er erblickt von diesen gleichzeitig ein umgekehrtes Spiegelbild in derselben Weise, wie sich hohe Gegenstände am Ufer eines Sees in diesem spiegeln. Der Reisende glaubt deshalb stets in der Nähe eines Wassers zu sein, dessen Ufer fliehen, sobald er sich ihnen zu nähern sucht. Besteigt der Beobachter eine Höhe, so steigt auch der Spiegel, und endlich verschwinden selbst Felsen unter demselben. Ähnliche Erscheinungen beobachtet man überall in wärmern Gegenden in der Nähe der Küsten auf dem Meer, und der Schiffer kennt sie als Seegesicht. In den Polargegenden zeigt sich die L. unter andern Bedingungen als in den heißen Gegenden, indem namentlich die Oberfläche des Meers in den kalten Gegenden der [991] Erde bei sonst hellem Wetter viel kälter ist als die über ihr befindliche atmosphärische Luft; deshalb wird die der Oberfläche des Meers nächste Luftschicht vorzugsweise kalt, und die Dichtigkeit der Luft nimmt von unten an aufwärts in stärkerm Maß als gewöhnlich ab. Befindet sich nun das Auge eines Beobachters in der kalten Schicht, so ist es möglich, daß von einem ebenfalls in der kalten Schicht befindlichen Gegenstand Lichtstrahlen so in dasselbe gelangen, daß dadurch ein umgekehrtes Bild des Gegenstandes oberhalb desselben in der Luft zum Vorschein kommt. Über einem entfernten Schiff erscheint ein zweites umgekehrt in der Luft und mit seinen Mastspitzen die des wirklichen Schiffs berührend. Schiffe, die noch unter dem Horizont sind, können auf diese Weise sichtbar werden und geben bisweilen selbst noch ein Spiegelbild. Die Grenzflächen zwischen den ungleich erwärmten Luftschichten sind, namentlich bei bewegter Luft, gekrümmt, und in diesem Fall müssen die Spiegelbilder notwendig verzerrt werden, schwanken und sich vielfach verändern. Auf diese Weise erklären sich auch die Luftbilder von Ruinen, Schlössern und Palästen, die man namentlich zu Neapel, Reggio und an den Küsten von Sizilien schwankend in der Luft erblickt und die das Volk als Fata Morgana (s. d.) anstaunt. Auch an den Küsten der Nordsee und Ostsee zeigen sich zuweilen ähnliche Erscheinungen.