Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Leuchtenberg“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 731732
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Leuchtenberg. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 731–732. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Leuchtenberg (Version vom 20.04.2023)

[731] Leuchtenberg, vormalige gefürstete Landgrafschaft in der Oberpfalz, mit Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat, im sogen. Nordgau an der Nab, umfaßte ungefähr 220 qkm (4 QM.). L. stand früher unter eignen Landgrafen, deren Stammsitz das Bergschloß L. war, von welchem die Landgrafschaft den Namen führte. Mit dem Tode des Landgrafen Maximilian Adam erlosch 1646 die Mannslinie, und 1647 wurde Herzog Albrecht VI. von Bayern, der Gemahl der Schwester des letzten Landgrafen, mit der Landgrafschaft belehnt, überließ sie aber 1650 seinem Bruder, dem Kurfürsten Maximilian von Bayern, dessen älterer Sohn, Ferdinand Maria, nach erlangter Majorennität L. wieder an seinen jüngern Bruder, Maximilian Philipp, abtrat. Letzterer starb 1705 kinderlos, und nachdem es Joseph I. der Familie Lamberg verliehen, nahm es 1712 der Kurfürst von Bayern wieder in Besitz. Von nun an verliehen die Kurfürsten [732] L. ihren jüngern Brüdern gewöhnlich als Apanage. 1817 trat Maximilian Joseph, König von Bayern, L. nebst dem vormaligen Bistum Eichstätt und andern Gebietsteilen seinem Schwiegersohn Eugen Beauharnais, ehemaligem Vizekönig von Italien, als mediatisiertes Herzogtum ab. Auch wurde demselben und seinen Nachfolgern in der Standesherrschaft das Prädikat „Königliche Hoheit“, den übrigen Mitgliedern der Familie der Titel „Fürsten und Fürstinnen von L.“ mit dem Prädikat „Durchlaucht“ zugestanden. Durch die Heirat des Sohns Eugens, Maximilian, mit der russischen Großfürstin Marie wurde die Familie L. nach Rußland verpflanzt, wo sie den Titel „Kaiserliche Hoheit“ und „Fürsten von Romanowski“ erhielt. Haupt der Familie ist seit 1852 Herzog Nikolaus Maximilianowitsch, geb. 4. Aug. 1843. Vgl. Wittmann, Geschichte der Landgrafen von L. (Münch. 1851–52, 3 Bde.); Brunner, Geschichte von L. (Weiden 1862).

Leuchtenberg, 1) Eugen, Herzog von L. und Fürst von Eichstätt, zur Zeit des ersten französischen Kaiserreichs Vizekönig von Italien, geb. 3. Sept. 1781 zu Paris, Sohn des 1794 guillotinierten Vicomte Alexandre de Beauharnais (s. d.) und der Josephine Tascher de la Pagerie, nachmaligen Kaiserin der Franzosen, folgte 1793 dem Vater zur Rheinarmee, wohnte nach Verheiratung seiner Mutter mit Bonaparte den Feldzügen in Italien und der Expedition nach Ägypten bei und wurde 1804 vom Kaiser Napoleon I. zum französischen Prinzen und 1805 zum Vizekönig von Italien erhoben. 1806 vermählte ihn der Kaiser mit der Prinzessin Amalie Auguste von Bayern, 1807 ernannte er ihn zum Prinzen von Venedig, adoptierte ihn und bestimmte ihn zum Erben des Königreichs Italien. Obschon des Vizekönigs politische Gewalt sehr beschränkt war, that er doch für Italien viel und erwarb sich die Liebe der Bewohner. Als Oberbefehlshaber der italienischen Armee drang er 1809 nach Ungarn vor, gewann 14. Juni das Treffen bei Raab und trug dadurch viel zum Sieg bei Wagram bei. Nach der Scheidung seiner Mutter ward er, da er damit die Aussicht auf den italienischen Thron verlor, vom Kaiser 1810 zum Nachfolger des Fürsten-Primas als Großherzog von Frankfurt ernannt. 1812 befehligte er das dritte Armeekorps mit Auszeichnung, und seiner und Neys rastloser Thätigkeit auf dem unglücklichen Rückzug hatte Frankreich wenigstens die Erhaltung der Trümmer des Heers zu verdanken. Nach Napoleons und Murats Abgang übernahm er den Oberbefehl und sammelte die Armee bei Magdeburg. Am 2. Mai 1813 entschied er bei Lützen durch die Umgehung des rechten feindlichen Flügels den Sieg. Von Dresden aus schickte ihn Napoleon zur Armee in Italien, wo er sich nach dem Beitritt Österreichs zur Koalition, selbst nach Murats Abfall, geschickt zu verteidigen wußte. Vergebens boten ihm die verbündeten Mächte nach Napoleons Sturz das Großherzogtum Genua an. Er begab sich mit seiner Familie zunächst nach Paris, wo er die ihm angetragene französische Marschallswürde ablehnte, dann nach München und Wien, wo er dem Kongreß beiwohnte. Bei Napoleons Rückkehr ging er nach Baireuth; an den Ereignissen von 1815 nahm er keinen thätigen Anteil. Im Vertrag von Fontainebleau (11. April 1814) war ihm für seine Dotationen in Italien eine Entschädigung von 5 Mill. Frank ausgeworfen worden. Er überließ diese Summe der Krone Bayern und erhielt von seinem Schwiegervater, dem König Maximilian I., 1817 die Landgrafschaft Leuchtenberg und das Fürstentum Eichstätt. Er starb 21. Febr. 1824 in München, wo ihm in der Michaelskirche von Thorwaldsen ein schönes Denkmal errichtet wurde, und hinterließ zwei Söhne und vier Töchter. L. verbarg unter einem einfachen Äußern einen großen Charakter und hohe Talente. Aufrichtigkeit, Menschlichkeit und Gerechtigkeit bildeten seine hervorstechendsten Eigenschaften. Vgl. Vaudoncourt, Histoire politique et militaire du prince Eugène (Par. 1827, 3 Bde.); Armandi, Vie militaire du prince Eugène (das. 1843, 2 Bde.); Schneidawind, Prinz Eugen, Herzog von L. (Stockh. 1857); Du Casse, Mémoires et correspondance du prince Eugène (Par. 1858–60, 10 Bde.; deutsch, Halle 1858–59, 3 Bde.; unvollendet). Seine Gemahlin Amalie Auguste, geb. 21. Juni 1788 zu Straßburg, gest. 13. Mai 1851, gebar ihm zwei Söhne (s. unten) und vier Töchter: Josephine, geb. 14. März 1807, seit 1823 Gemahlin des 8. Juli 1859 verstorbenen Königs Oskar von Schweden, gest. 7. Juni 1876; Eugenie, geb. 22. Dez. 1808, Gemahlin des Fürsten Friedrich von Hohenzollern-Hechingen, gest. 1847; Amalie, geb. 31. Juli 1812, die Witwe des Kaisers Dom Pedro von Brasilien, gest. 26. Jan. 1873 in Lissabon; Theodolinde, geb. 13. April 1814, seit 1841 Gemahlin des Grafen Wilhelm von Württemberg, gest. 1. April 1857.

2) Karl August Eugen Napoleon, Herzog von, Sohn des vorigen, geb. 9. Dez. 1810 zu Mailand, besuchte 1826 die Universität München und begleitete infolge der Vermählung seiner Schwester mit dem Kaiser Dom Pedro dieselbe 1829 nach Brasilien. Während der Revolution in Belgien wünschte ihn die eine der Parteien auf dem belgischen Thron zu sehen, doch scheiterte das Projekt an dem Widerstand des französischen Hofs. Auf den Wunsch des sterbenden Kaisers Dom Pedro wurde der Prinz 25. Jan. 1835 mit der jungen Königin Dona Maria von Portugal vermählt, doch starb er schon 18. März d. J.

3) Maximilian Eugen Joseph Napoleon, Bruder des vorigen, nach dessen Tod Herzog von L., geb. 2. Okt. 1817 zu München, erhielt seine Erziehung und wissenschaftliche Ausbildung unter der Leitung seiner Mutter, succedierte seinem Bruder 1835 in L. und vermählte sich 14. Juli 1839 mit der Großfürstin Maria von Rußland (geb. 18. Aug. 1819, gest. 21. Febr. 1876), wobei er den Titel „Kaiserliche Hoheit“ und den Rang eines russischen Generalmajors erhielt. Er starb 1. Nov. 1852 in Petersburg. Aus seiner Ehe entsprangen zwei Töchter und vier Söhne, die 1852 vom Kaiser das Prädikat „Kaiserliche Hoheit“ und den Zunamen Romanowski erhielten. Der älteste Sohn, Nikolaus Maximilianowitsch, geb. 4. Aug. 1843, folgte seinem Vater 1852 unter mütterlicher Vormundschaft in L. und lebt in Petersburg; er ist vermählt mit Nadina Annenkow, die für sich und ihre Deszendenz 1879 den Titel der Grafen von Beauharnais erhalten hat. Die älteste Tochter, Marie, geb. 16. Okt. 1841, ist seit 11. Febr. 1863 mit dem Prinzen Wilhelm von Baden, die zweite, Eugenie (geb. 1. April 1845), seit 19. Jan. 1868 mit dem Prinzen Alexander von Oldenburg vermählt. Jüngere Söhne sind: Prinz Eugen, geb. 8. Febr. 1847, Prinz Sergei, geb. 20. Dez. 1849, fiel 24. Okt. 1877 im russisch-türkischen Krieg vor Rustschuk, und Prinz Georg, geb. 29. Febr. 1852.