Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Leicester“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 649650
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Leicester. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 649–650. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Leicester (Version vom 19.03.2023)

[649] Leicester (spr. lésster), Hauptstadt von Leicestershire (England), am schiffbaren Soar, inmitten eines berühmten Weidebezirks, ist unregelmäßig gebaut, hat noch Reste seiner römischen Mauer und viele altertümliche Gebäude (darunter das alte Schloß, jetzt Gerichtshof), ein Museum, ein kath. Seminar und (1881) 122,376 Einw., mit dem anstoßenden Belgrave aber 129,636. L. ist Hauptsitz der Strumpfwirkerei und betreibt außerdem namentlich noch die Fabrikation von elastischen Geweben und Stiefeln. – L. war vielleicht das alte Ratä oder Ragä der Coritani, jedenfalls aber Sitz einer römischen Ansiedelung; Reste der römischen Stadtmauer bestehen noch, und Altertümer aus der Zeit der Römer und Normannen sind in großer Zahl aufgefunden worden. 680 wurde hier ein Bistum errichtet, aber bald wieder verlegt. Während der Herrschaft des Hauses Lancaster war das von Heinrich II. zerstörte Schloß häufig königliche Residenz. Dicht bei der Stadt die Ruinen der 1143 gegründeten Abtei St. Mary Pré oder de Pratis, in welcher Kardinal Wolsey starb. Vgl. Curtis, Topographical history of the county of L. (Lond. 1831).

Leicester (spr. lésster), Robert Dudley, Graf von, Günstling der Königin Elisabeth von England, geb. 1532, jüngster Sohn des Herzogs von Northumberland, wurde nach seines Vaters Hinrichtung 1553 im Tower eingeschlossen und mit Härte behandelt. Die Königin Elisabeth, die ihn hier kennen lernte, schenkte dem schönen, gewandten Hofmann sehr unzweideutig ihre Gunst, und Dudley war ehrgeizig genug, dieses Verhältnis in jeder Weise auszubeuten. Sogleich nach der Thronbesteigung seiner Gönnerin 1558 zum Oberstallmeister und, trotz seiner Geistesbeschränktheit, zum Geheimrat erhoben und dabei mit Gütern und Gnaden überhäuft, hoffte er sogar auf die Hand der Königin, intrigierte deshalb gegen die Vermählungsanträge von seiten Österreichs und Frankreichs und soll auch seine Gemahlin Amy Robsart, welche von ihm getrennt lebte, vergiftet haben, welcher Verdacht [650] den Inhalt von Walter Scotts Roman „Kenilworth“ bildet. Elisabeth trug 1563 die Hand ihres Günstlings erfolglos der Königin Maria Stuart von Schottland an und ernannte ihn zugleich zum Grafen von L. und Baron von Denbigh. Als Maria Stuart 1568 in England Schutz suchte, schien L. das Komplott zu ihrer Vermählung mit dem Herzog von Norfolk zu unterstützen, verriet aber sodann den Plan an Elisabeth und trat auf die Seite derer, welche den Untergang Marias betrieben. Seine heimliche Vermählung mit Lattice Knollys, der Witwe des Grafen Walter von Essex, 1577, den er gleichfalls vergiftet haben sollte, reizte zwar den Zorn der Königin; aber sie nahm den um Verzeihung flehenden L. wieder zu Gnaden an und ernannte ihn 1585 zum Oberbefehlshaber der Hilfstruppen, mit welchen sie die Niederländer in ihrem Kampf gegen Spanien unterstützte. L. benahm sich in seiner schwierigen Stellung mit grenzenloser Willkür, zwang die Niederländer, ihn im Februar 1586 zum Generalstatthalter und Befehlshaber ihrer Kriegsmacht zu Wasser und zu Land zu erheben, und gab seinen Wunsch nach unumschränkter Herrschaft nicht undeutlich zu verstehen, daher ihn Elisabeth im Dezember 1587 zurückrief. Ungeachtet seines Mangels an militärischen Talenten vertraute sie ihm hierauf den Oberbefehl über das Heer an, welches die Hauptstadt während der Gefahr der spanischen Invasion schützen sollte. L. starb 4. Sept. 1588. Die Königin ließ unmittelbar nach seinem Ableben seine Güter öffentlich versteigern, um die an ihn verschleuderten Summen zurückzuerhalten. Leicesters Nachfolger in der Gunst der Herrscherin war sein 21jähriger Stiefsohn, Graf Robert von Essex (s. d. 2).