Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Lappland“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 517518
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Lappland. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 517–518. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Lappland (Version vom 25.02.2023)

[517] Lappland (Sameland), Landschaft im nördlichsten Teil Europas, grenzt gegen N. an das Eismeer, gegen S. an das schwedische Norrland und an das mittlere Finnland, gegen O. an das Weiße Meer und gegen W. an das norwegische Amt Tromsö und zerfällt in das norwegische, russische und schwedische L. Das norwegische L., 47,287 qkm (858,8 QM.) groß, nimmt den nördlichsten Teil ein (s. Finnmarken); das russische umfaßt den nordöstlichen und zwar einen Teil des Gouvernements Archangel (Halbinsel Kola und Gebiet am Kem) und einen Strich im finnischen Gouvernement Uleåborg (Propstei Kemi am Bottnischen Meerbusen), zusammen etwa 130,000 qkm (2361 QM.), und das schwedische den südlichen Teil, 115,778 qkm (2102,7 QM.). Letzteres ist gegenwärtig in folgende 5 Lappmarken eingeteilt: Asele- oder Angermanlands-, Umeå- oder Lycksele-, Piteå-, Luleå- und Torneå-Lappmark. Ein Teil von Torneå-Lappmark und ganz Kemi-Lappmark wurde von Schweden im Frieden von Frederikshamn (17. Sept. 1809) nebst Finnland, wozu es gegenwärtig gehört, an Rußland abgetreten. L. ist ein unwirtliches Land, teils bergig, teils eben und mit Wäldern und Sümpfen bedeckt, nach O. sich allmählich verflachend. Im Gebirge, der Fortsetzung der sogen. Kjölen, entspringen zahlreiche Flüsse, die in den Bottnischen Meerbusen münden, so Luleå, Piteå, Skellefteå und Umeå. Auch finden sich zahlreiche Seen, zum Teil von beträchtlichem Umfang, z. B. der Enare in Finnland von 1421 qkm (25,8 QM.) Flächeninhalt. Der Winter ist lang und streng, der Sommer kurz. Der längste Tag dauert in den südlichen Gegenden 24 Stunden, in den nördlichsten aber drei Monate; ebenso lang ist dann die längste Nacht im Winter. Im Sommer ist infolge der sehr kurzen Nächte die Hitze sehr groß, und es plagen dann zahllose Mückenschwärme Menschen und Vieh. Der Boden eignet sich nur in den südlichsten Gegenden des schwedischen L. zum Anbau. Pferde, Rindvieh und Schafe finden sich fast ausschließlich bei den Kolonisten und nur vereinzelt bei den norwegischen Lappen, die wie die übrigen in Rußland und Schweden ursprünglich nur Renntiere züchteten. Von wilden Tieren gibt es Wölfe, Bären, Luchse, Füchse, Marder, Hermeline, Fischottern, Hasen etc. Zugvögel und wildes Geflügel sowie Fische sind in Menge vorhanden. Von Mineralien findet man Eisen.

Die Ureinwohner sind Lappen, zu denen etwa 10,000 Kolonisten kommen. Die Lappen, welche sich selbst Same oder Samelad nennen und jenen Namen für schimpflich halten, gehören zum finnisch-ugrischen Volksstamm; doch sind sie hinsichtlich ihrer Körpergestalt von den Finnen sehr verschieden. Sie sind beträchtlich kleiner als die übrigen Bewohner Skandinaviens und Europas überhaupt; ihre durchschnittliche Größe ist kaum 1,6 m. Bei den Lappen an den Küsten, welche nur von der Fischerei oder als Lotsen leben, soll sich (nach Bastian) durch das beständige Sitzen in äußerst engen Kähnen eine eigentümliche, von Generation zu Generation zunehmende Schwächung und Verkürzung der Beine, dagegen kräftige Muskulatur und Größe der Arme herausbilden. Ihr Gesicht ist breit mit spitzem Kinn, großem Mund, vorstehenden Backenknochen, breiter Nase und eng geschlitzten, doch horizontal gestellten Augen. Ihr Haar ist dunkelbraun und schlicht, ihre Gesichtsfarbe gelblich. Von Haus aus gutmütigen und sanften Charakters, sind sie infolge des auf ihnen lastenden Druckes träge, feig und mißtrauisch geworden und zeigen sich von dieser ungünstigen Seite besonders der herrschenden Rasse gegenüber. Ihre geistige Begabung ist nicht groß, doch können wenigstens in Norwegen viele von ihnen lesen und schreiben. Als Heiden brachten die Lappen ihren Göttern auf Bergspitzen, Seeinseln und in Höhlen Opfer dar, die meist in Renntieren bestanden; Priester hatten sie nicht, wohl aber Zauberer und Wahrsager, die einen großen Einfluß ausübten. Gegenwärtig bekennen sie sich sämtlich zum Christentum, und zwar gehören die skandinavischen und finnischen Lappen zur evangelischen, die russischen, d. h. die Bewohner der Halbinsel Kola, zur griechisch-katholischen Kirche. Erstere besitzen auch eine bescheidene religiöse Litteratur, bei allen aber spielt der Aberglaube noch eine bedeutende Rolle. Sprachlich gehören die Lappen zu der finnisch-ugrischen Gruppe des Ural-altaischen Sprachstammes (s. d.). Grammatiken der lappischen Sprache verfaßten Possart in deutscher (Stuttg. 1840), Stockfleth (Christ. 1850) und Friis (das. 1856) in norwegischer Sprache, [518] Wörterbücher Stockfleth („Norsk-lappisk Ordbog“, das. 1850) und Friis („Lexicon lapponicum“, das. 1885–87, mit Formenlehre; letztere auch besonders erschienen). Proben lappischer Volkspoesie gab neuerdings Donner unter dem Titel: „Lieder der Lappen“ (Helsingf. 1876) heraus (vgl. auch Dulk und Hartung, Fahrten durch Norwegen, Stuttg. 1877). Die Lappen gerben Häute, verfertigen Zwirn aus den Sehnen der Renntiere, weben Decken, stricken Handschuhe, verfertigen hölzerne Gerätschaften, Kähne, Schlitten und die nötigen Kleidungsstücke. Die Tracht der beiden Geschlechter ist wenig verschieden; sie besteht in einem Pelz, Beinkleidern, Schuhen und ist je nach der Jahreszeit von Renntierfell, Filz oder grobem Tuch. Die russischen Lappen dagegen tragen eine mit Ohrlappen versehene Kopfbedeckung. Nach ihrer Lebensweise teilt man die Lappen in Renntier- oder Berglappen und Fischer- oder Küstenlappen, welch letztere die größere Zahl ausmachen und im ganzen viel höher stehen als die erstern. Die Berglappen führen ein Nomadenleben, indem sie mit ihren Renntierherden umherziehen. Diese sind der einzige Reichtum des Lappen; von ihnen entnimmt er alles, was er zu seiner Nahrung und Kleidung bedarf. Doch ist zum Unterhalt einer Familie eine nicht geringe Zahl dieser Tiere erforderlich; wer nicht mehr als 100 Renntiere besitzt, ist gezwungen, sich mit seiner Herde an einen größern Besitzer anzuschließen, und tritt dadurch zu diesem in das Verhältnis der Dienstpflichtigkeit. Zur Selbständigkeit und Wohlhabenheit gehört eine Renntierherde von 300 bis 500 Stück. Da aber das Gebiet, welches den Lappen früher zu ungehindertem Durchziehen offen stand, durch das Vordringen der ackerbautreibenden Bevölkerung nach N. bedeutend geschmälert ward und noch wird, so sahen sich viele der ärmern Lappen genötigt, das nomadische Leben aufzugeben und mit Annahme fester Wohnsitze einen andern Nahrungszweig zu suchen. Als solcher bot sich bei der niedrigen Kulturstufe des Volkes zunächst nur die Fischerei in den Seen und Flüssen und an den Meeresküsten sowie als Nebengewerbe die Jagd dar, welch letzterer auch die Renntierlappen obliegen. Mit Beginn der warmen Jahreszeit ziehen die letztern nach den Hochplateaus, von wo sie im Herbst mit ihren beladenen Renntieren in das niedrige waldreiche Land zurückkehren. An einem zum Winteraufenthalt geeigneten Ort wird die Hütte (Gamme) errichtet. Diese ist von festerer Bauart als das leichte Sommerzelt, außen mit Rasen bedeckt, innen mit Renntierfellen bekleidet und wird oft ganz eingeschneit. Die wenigen von Lappen bewohnten Dörfer bestehen aus Erd- und Holzhütten, die zerstreut um die hölzerne Kirche herumliegen. Die Gesamtheit der Lappen mag gegenwärtig kaum 25,000 übersteigen. S. die „Völker- und Sprachenkarte von Europa“. Vgl. Helms, L. und die Lappländer (Leipz. 1868); Aubel, Reise nach L. (das. 1874); Friis, Lappisk Mythologi, Eventyr og Folkesagn (Christ. 1871); Derselbe, En Sommer i Finmarken (das. 1871); Nemiromitch-Dantschenko, L. und die Lappländer (Petersb. 1876); Ecker, L. und die Lappländer (Freiburg 1878); Poestion, Lappländische Märchen, Volkssagen etc. (Wien 1885); Friis, Laila. Schilderungen aus L. (deutsch, Leipz. 1886). Über die Bekehrungsgeschichte der Lappen vgl. H. Hammond, Den nordiske Missions Historie (Kopenh. 1787); J. Vahl, Lapperne og den lapske Mission (das. 1865); D. Thrap, Thomas v. Westen (Christ. 1882). Eine ethnographische Karte des norwegischen L. lieferte Friis.