Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kurs“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 348350
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Kurs. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 348–350. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kurs (Version vom 02.08.2021)

[348] Kurs (lat. cursus, franz. cours, „Lauf“), im Post- und Eisenbahnwesen die Richtung und Reihenfolge der Züge; im Seewesen die nach der Himmelsgegend (Windrose) angegebene Richtung, in welcher ein Schiff segelt. Im Handel heißt K. der Umlauf (daher eine Münze außer K. setzen); insbesondere aber bedeutet K. den Preis, zu welchem an einem bestimmten Tag im regelmäßigen Börsenverkehr eines Handelsplatzes die an der Börse gehandelten Geldsorten und Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen gewesen sind. Der Kurs steht auf pari (al pari), wenn er dem Nennbetrag eines Wertpapiers (bei Wechseln demnach der Wechselsumme) gleich ist, er steht über pari, wenn er mehr, unter pari, wenn er weniger beträgt. Der K. fremder Geldsorten wird im allgemeinen vom Metallgehalt nur wenig abweichen und zwar innerhalb der Grenzen, welche durch den Vorteil des Einschmelzens, bez. durch den der Ausfuhr bedingt sind. Ebenso sind die Grenzen für den K. von ungemünztem Gold (Barrengold) durch die Prägungskosten oder durch die Menge der dafür erhältlichen Banknoten (1392 Mk. nach dem deutschen Bankgesetz) bestimmt. Das Metallgeld der Landeswährung hat dagegen keinen K., solange es seinen Zweck vollständig erfüllt. Bildet sich jedoch neben ihm eine Papierwährung aus, indem dem Papiergeld Zwangskurs beigelegt, d. h. jedermann gezwungen wird, das (entwertete) Papiergeld zu seinem Nenngehalt anzunehmen, so bezeichnet man den Aufschlag des Metallgeldes als Agio (s. d.). Von einem Kassenkurs spricht man dann, wenn Geldsorten an Staatskassen zu einem bestimmten Betrag stets angenommen werden. Die Höhe des Kurses regelt sich im allgemeinen nach den Gesetzen, nach denen der Preis überhaupt sich richtet. Ist der Zinsfuß gegeben, so hängt der K. bei Wertpapieren, welche Zinsen oder Dividenden in Aussicht stellen, von deren Einträglichkeit, mithin auch von dem Vertrauen ab, welches der Schuldner genießt (Kredit des Staats etc.) oder welches man in das betreffende Unternehmen (Aktienunternehmung) setzt. Der Wechselkurs nach fremden Plätzen hängt vorzüglich von der Menge der Zahlungen ab, welche nach außen zu machen oder von dort zu erhalten sind. Man spricht vom Wechselpari zweier Plätze, wenn dieselben gleiche Kurse haben, bez. wenn bei sofort einlöslichen Wechseln am einen Orte die gleiche Menge an Metall, bez. bei ungleicher Währung die gleiche Wertsumme zu zahlen, wie am andern Ort zu erhalten ist. Sind nun viele Hinauszahlungen zu machen, so werden, um die Kosten der Metallsendung zu meiden, Wechsel auf fremde Plätze gesucht. Infolgedessen steigt der K. über pari, und man bezeichnet ihn dann als günstig für den Ort, auf welchen der Wechsel lautet (nämlich weil dieser Ort mehr Geld zu empfangen, als zu zahlen hat); im entgegengesetzten Fall ist der Wechselkurs für diesen Ort ungünstig. Doch kann der Wechselkurs zwei bestimmte Grenzen nicht überschreiten, nämlich diejenigen, von welchen ab es vorteilhaft sein würde, Verbindlichkeiten durch Metallsendungen auszugleichen (Kosten der Barsendung gegenüber denen der Provision, der Kourtage und des Stempels, welche für den Wechsel zu zahlen sind. Vgl. Goldpunkt). Im übrigen sucht die Arbitrage (s. d.) Kursverschiedenheiten zwischen verschiedenen Wechselplätzen auszugleichen.

Die Zusammenstellung aller Kurse eines Platzes bildet den Kurszettel desselben. Es gibt amtliche und nichtamtliche Kurszettel. Die Privatkurszettel werden teils von einzelnen Maklern oder Bankhäusern, bez. Bankinstituten herausgegeben und an ihre Korrespondenten versandt, teils von den Börsenberichterstattern der Fachzeitungen zur Orientierung der Zeitungsleser verfaßt. Dieselben weichen nicht nur oft von den offiziellen Kursnotierungen ab, sondern sie enthalten auch Kurse von Wechsel-, Geld- und Effektensorten, welche nicht in den [349] amtlichen Kurszetteln notiert sind. Die amtlichen oder offiziellen Kurszettel, welche nur diejenigen Effekten enthalten, die von der Börsenbehörde zur amtlichen Notierung zugelassen sind, dienen bei Streitigkeiten in Geld-, Wechsel- und Effektengeschäften den richterlichen Entscheidungen zur Grundlage. (Vgl. das Allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch, Art. 343 u. 353.) Die Feststellung der Kurse findet durch die vereideten Makler (Börsenältesten, Börsenkorporationen etc.) auf Grund bestimmter Usancen oder Vorschriften statt und beruht auf den von den vereideten und nicht vereideten Maklern gemachten Angaben, zu welchem K. die ihnen an dem betreffenden Tag übergebenen An- und Verkaufsaufträge ausgeführt worden sind. Die notierten Kurse sind in der Regel Durchschnitts- oder Mittelkurse, die demnach mit den Preisen, zu welchen die einzelnen Effekten wirklich gehandelt wurden, nicht gerade übereinstimmen. Vollständiger erfüllt natürlich ein Kurszettel seinen Zweck, wenn, wie an der Pariser Börse, für das Zeitgeschäft außer den arithmetischen Mitteln aus allen Kursen auch die höchsten, die niedrigsten Kurse, ferner Anfangs- und Schlußkurse (Kurse bei Beginn und Schluß der Börse) angegeben werden, zu welchen Papiere und Geldsorten nur angeboten, nur begehrt oder wirklich verkauft wurden. Kompensations-, Liquidationskurs, Ultimokurs heißt der K., welcher bei einer Liquidation als maßgebend gilt, bez. der K. zu Ende eines Monats oder Jahrs (vgl. Börse, S. 237).

In den Kurszetteln werden zunächst die Wechselplätze angegeben, auf welche der K. lautet. Hinter den aufgeführten Wechselplätzen folgt in den neuern Kurszetteln diejenige feste Geldsumme, für welche der K. gilt; sie heißt die feste oder unveränderliche Valuta (le certain) im Gegensatz zur veränderlichen Valuta (l’incertain) und beträgt jetzt im Berliner, Hamburger, Frankfurter und Wiener Kurszettel je 100 Münzeinheiten des betreffenden auswärtigen Wechselplatzes. So verfügt man über 100 Frank in Paris bei Wechselparität durch Zahlung von 81 Mk. in Berlin. Steht der K. unter pari, so ist in Berlin ein Wechsel auf Paris für weniger als 81 Mk. zu kaufen. Nur für Londoner Wechsel besteht eine Ausnahme, indem Berlin und Hamburg für je 1 Pfd. Sterl., Frankfurt und Wien für je 10 Pfd. Sterl. den K. notieren. Auch der K. für New Yorker Wechsel wird in Hamburg für je 1 Doll. notiert. Früher wurde diese feste Valuta nicht angegeben, sondern als bekannt vorausgesetzt. Nach der festen Valuta folgt zunächst die Angabe der Sicht, d. h. der Zeit, welche die notierten Wechsel noch zu laufen haben. Laufen dieselben noch bis zu 8 Tagen (Petersburg bis 3 Wochen), so haben sie kurze Sicht (k. S.); Wechsel, welche noch 3 Monate laufen, sind langsichtig, daher die Bezeichnungen: „kurz London“, „lang Petersburg“. Laufen Wechsel länger als 14 Tage und kürzer als 2½ Monate, dann gelten solche als mittelsichtig und werden gewöhnlich zum langen K., vermehrt um einen zu vereinbarenden Zinssatz für die abgelaufenen Tage, gehandelt. Der Spalte für die Sicht folgt diejenige für den Zinsfuß (Z. F.), welcher zur Berechnung kommt, wenn der Verfalltag eines Wechsels entweder über die kurze Sicht (höchstens 8 Tage) hinausgeht, oder die lange Sicht (um höchstens 14 Tage) nicht erreicht. Im erstern Fall wird der sich ergebende Zins für die überschießenden Tage von der aus dem K. berechneten Valuta in Abzug gebracht, im andern Fall für die an der langen Sicht fehlenden Tage zur berechneten Valuta hinzugezählt. Der Zins wird zum Teil nach den Diskontraten der großen Banken bemessen oder (und dies ist überwiegend der Fall) nach den Diskontsätzen, welche am offenen Markt in London, Paris und andern Plätzen bezahlt werden, und die meist von den betreffenden Bankraten abweichen.

Der Zinsfußangabe folgt sodann der K. selbst. Derselbe wurde früher (in manchen Kurszetteln auch noch jetzt) in dreifacher Weise angegeben. In einer Spalte wird derjenige Preis aufgeführt, welchen der Wechselbrief- oder Papierinhaber für seine Briefe, Papiere oder Waren fordert, oder zu welchem er sie anbietet; in einer zweiten steht dann der K., zu welchem der Geldinhaber Briefe, Papiere oder Ware gesucht hat, und endlich in einer dritten der wirklich bezahlte Preis oder der K., zu welchem Abschlüsse vorgekommen sind. Die erste Spalte wird mit „Brief“, „Papier“ oder „Ware“ (abgekürzt: B., P. oder W.) oder Angeboten, in Frankreich: plus bas, Lettres (L.), offert (o.), in England: Paper (P.), Bills (B.) überschrieben, die zweite mit „Geld“, Gesucht (abgekürzt: G., Ges.), Begehrt, in Frankreich: plus haut, Argent (A.), demandé (D.), in England: Prices negociated (P. N.), Money (M.), die dritte mit „bezahlt“ (abgekürzt: bez., bz.), gemacht, Begeben, „Clôture“ (C.).

Im Berliner und Frankfurter Kurszettel findet sich eine solche Scheidung in drei Spalten nicht, es wird hier nur eine Kurszahl angegeben und hinter dieselbe entweder „B.“ oder „G.“ oder „bz.“ oder „bz. B.“ oder „bz. G.“ gesetzt. Steht hinter der Kurszahl: B., so war zu dem betreffenden K. noch Ware angeboten; steht dahinter G., so blieb zu diesem K. der betreffende Gegenstand gesucht; die Bezeichnung „bz.“ gibt die vorgefallenen Schlüsse an. Die Abkürzungen „bz. B.“ und „bz. G.“ erklären sich danach von selbst. Die Bezeichnungen „Brief“ und „Geld“ für „angeboten“ und „gesucht“ sind im Börsenverkehr so allgemein geworden, daß sie nicht nur bei der Notierung von Wechseln und Effekten, sondern auch bei Geldsorten und selbst bei den Artikeln der Produktenbörse in Anwendung kommen.

Im Kurszettel für Sorten, d. h. Gold-, Silber- und Papiergeldsorten, wird der K. entweder pro Stück der betreffenden Münze oder (namentlich bei Banknoten) für je 100 Münzeinheiten oder endlich bei einzelnen Geldsorten sowie bei Barren nach dem Gewicht (al marco) von 500 g fein angegeben. Etwas verwickelter sind Einrichtung und Berechnung der Effektenkurszettel. Bei denselben ist zunächst zwischen „Zins-“ und „Dividendenpapieren“, sodann zwischen vollgezahlten und nicht vollgezahlten Stücken, zwischen Effekten, welche auf die jetzige inländische Währung oder auf eine frühere oder eine fremde Währung lauten, zwischen Papieren, welche pro Stück oder nach Prozenten des Nennbetrags berechnet werden, zu unterscheiden. Ferner kommen in Betracht: 1) bei den Zinspapieren der stehende Zinsfuß, die Zinserhebungstermine, die Währung und der Nenngehalt, bez. die Größe der einzelnen Stücke (Appoints); 2) bei den Dividendenpapieren die Dividenden der letzten Jahre, der laufende usuelle Börsenzinsfuß, der Dividendenerhebungstermin sowie ebenfalls Größe, bez. Nennbetrag der einzelnen Stücke. An den Börsen, an welchen eine Lostrennung der Dividendenkoupons mit Ablauf des Geschäftsjahrs stattfindet, tritt eine veränderte Notierung insofern ein, als dem K. das Plus der geschätzten Dividende über den laufenden Zins ab- und das Minus zugerechnet wird. Wird keine Dividende erwartet, so erhöht sich der K. um den in der Regel 4 Proz. betragenden laufenden [350] Zins. Außerdem kommen noch Kourtage und Provision in Anrechnung. Die Kourtage ist die dem Makler, die Provision die dem Bankier für die Vermittelung des Geschäfts zu zahlende Vergütung. Die Kourtage wird sowohl vom Käufer als vom Verkäufer wahrgenommen und beträgt in Berlin von allen nach Prozenten berechneten Effekten ½ pro Mille des vollen Nennbetrags der Stücke. Bei den pro Stück gehandelten Effekten wird auch die Kourtage pro Stück berechnet. Die Provision berechnet der Bankier meist nach dem ausmachenden Betrag. Stehen die betreffenden Effekten jedoch unter pari, so wird die Provision meist vom Nennbetrag berechnet. Kourtage und Provision werden beim Ankauf zu dem ausmachenden Betrag hinzugerechnet, beim Verkauf dagegen von demselben in Abzug gebracht. Vgl. Göschen, Theory of foreign exchanges (12. Aufl., Lond. 1886; deutsch, Frankf. 1875); Schraut, Die Lehre von den auswärtigen Wechselkursen (2. Aufl., Leipz. 1882).

Kurs des Schiffs, der Winkel, welchen der Kiel mit dem Meridian bildet; er wird nach dem Kompaß gesteuert. Generalkurs heißt: aus verschieden gesegelten Kursen den K. bestimmen, den das Schiff hätte segeln müssen, um den durchlaufenen Weg (Distanz) in gerader Linie zu machen. Wahrer K. ist der für Mißweisung (Variation) und Abtrift verbesserte K. K. steuern, den Lauf des Schiffs nach dem Kompaß lenken.