MKL1888:Kopp
[70] Kopp, 1) Joseph Eutychius, hervorragender schweizer. Geschichtsforscher, geb. 25. April 1793 zu Beromünster im Kanton Luzern, studierte in Luzern und Freiburg i. Br. Theologie und Philologie und wurde 1819 Professor der griechischen Sprache am Lyceum zu Luzern. Nachdem er 1828 zum Mitglied des Großen Rats und 1831 des Verfassungsrats gewählt worden, wurde er bei der Bewegung von 1841 abermals seiner wissenschaftlichen Muße durch die Wahl zum Verfassungs-, Kantons- und Regierungsrat entfremdet. Nachdem er sich vergeblich gegen die Berufung der Jesuiten gestemmt, die er trotz seiner konservativ-katholischen Gesinnung als den „Anfang [71] eines nicht zu berechnenden Unglücks“ erklärte, trat er 1845 wieder ins Privatleben zurück, unternahm Reisen nach Wien und Rom zum Zweck archivalischer Forschungen, wurde 1846 korrespondierendes Mitglied der Akademie zu Berlin und 1859 derjenigen zu Wien und starb 25. Okt. 1866 in Luzern. Obwohl Autodidakt in der Geschichtsforschung, ist K. der Niebuhr der Schweizergeschichte geworden. Von unbedingter Verehrung für J. v. Müller ausgehend, entdeckte er bei eindringendem Studium des urkundlichen Materials, daß seine auf Tschudi fußende Darstellung der Entstehung der Schweiz, die Erzählungen vom Rütlibund, von Tell, der Vertreibung der Vögte etc. unhaltbar seien, und lieferte durch seine ausgedehnten Forschungen die Bausteine zur wirklichen Geschichte derselben. Zu bedauern ist, daß K. mit der Sicherheit seiner Methode und seiner ebenso gründlichen wie ausgedehnten Gelehrsamkeit nicht auch das Talent eines Geschichtschreibers verband. Neben seinem Hauptwerk: „Geschichte der eidgenössischen Bünde“ (Luzern, Leipz. u. Berl. 1845–62, 5 Bde.), eigentlich einer gelehrten, aber weitschweifigen und wenig übersichtlichen deutschen Reichsgeschichte bis zum Tod Friedrichs des Schönen 1330 (fortgesetzt von Lütolf, Busson und Rohrer), sind zu erwähnen seine „Urkunden zur Geschichte der eidgenössischen Bünde“ (Bd. 1, Luz. 1835; Bd. 2, Wien 1851); „Geschichtsblätter aus der Schweiz“ (Luz. 1854–56, 2 Bde.); „Amtliche Sammlung der ältern eidgenössischen Abschiede 1291–1420“ (das. 1839). Seine „Dramatischen Werke“ (z. B. „König Rudolf I.“) erschienen gesammelt Luzern 1855–56, 4 Bde. Vgl. Lütolf, Joseph Eutychius K. (Luz. 1866).
2) Hermann, Chemiker, geb. 30. Okt. 1817 zu Hanau, studierte Naturwissenschaft in Heidelberg und Marburg, dann Chemie in Liebigs Laboratorium zu Gießen; er habilitierte sich daselbst 1841 als Privatdozent und erhielt 1843 die Professur der Physik und Chemie daselbst. 1864 folgte er einem Ruf nach Heidelberg. K. hat sich besonders um die Erforschung der Beziehungen zwischen den physikalischen Eigenschaften und der Zusammensetzung der Körper sowie um die Geschichte der Chemie Verdienste erworben. Sein Hauptwerk ist die „Geschichte der Chemie“ (Braunschw. 1843–47, 4 Bde.), zu welcher er als Nachtrag die die ältesten Perioden spezieller behandelnden „Beiträge zur Geschichte der Chemie“ (das. 1869–75, 3 Stück) lieferte. Ferner schrieb er: „Die Entwickelung der Chemie in der neuern Zeit“ (Münch. 1871–73, 2 Tle.); „Aurea catena Homeri“ (Braunschw. 1880); „Die Alchimie in älterer und neuerer Zeit“ (Heidelb. 1886, 2 Bde.). Mit Buff und Zamminer schrieb er: „Lehrbuch der physikalischen und theoretischen Chemie“ (2. Aufl., Braunschw. 1863). Mit Liebig gab er seit 1847, mit Will 1857–62 den „Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie, Physik, Mineralogie und Geologie“ heraus und redigierte mit Liebig und Wöhler die „Annalen der Chemie und Physik“ 1851–71. Außerdem veröffentlichte er zahlreiche Arbeiten über theoretische Chemie und spezielle Untersuchungen; auch schrieb er: „Einleitung in die Kristallographie und in die kristallographischen Kenntnisse der wichtigern Substanzen“ (Braunschw. 1849, mit Atlas; 2. Aufl. 1862); „Einiges über Witterungsangaben“ (das. 1879).
3) Karl, Bildhauer, geb. 1825 zu Wasseralfingen (Württemberg), erhielt seine Ausbildung auf der Kunstschule in Stuttgart, wurde von dem Architekten Zanth bei dem Bau des Lustschlosses des Königs von Württemberg, der „Wilhelma“, beschäftigt, ging 1850 nach Paris, lernte dort bei Lequesne und Toussaint und studierte auf der École des beaux-arts. Nach vierjährigem Aufenthalt daselbst nahm K. 1854 eine Lehrstelle zu Biberach in Württemberg an; 1862 ward er an das Polytechnikum in Stuttgart als Lehrer der Skulptur berufen. Sein Aufenthalt in Paris verlieh ihm eine elegante, sichere Vortragsweise; damit verbindet er eine zarte, sinnige Auffassung, welche namentlich bei seinen weiblichen Figuren zu Tage tritt. Seine Hauptwerke sind: Hero und Leander; Bacchus und Ariadne; die Personifikationen von acht schwäbischen Flüssen in Gestalt von Kindern, an den Fontänen des Schloßplatzes in Stuttgart; ein Christus am Kreuz in der Frauenkirche zu Eßlingen; eine Gruppe: Christus und Johannes als Knaben; verschiedene Engel als Grabfiguren; Lorelei; Justitia, Gesetzgebung und Exekutive für das Justizgebäude in Stuttgart. Er hat auch zahlreiche Porträtbüsten geschaffen.
4) Joseph, österreich. Politiker, geb. 1827 zu Wien, studierte die Rechte und wurde Advokat sowie Dekan des juristischen Doktorenkollegiums an der Wiener Universität. In beiden Stellungen genoß er als ausgezeichneter Jurist hohe Achtung und erhielt mehrere Ehrenämter. Er ist der Begründer des Deutschen Volksvereins, steht seit der Begründung des Deutschen Vereins an der Spitze desselben und präsidierte vielen Parteitagen. Im J. 1867 wurde er in den Wiener Gemeinderat, 1868 in den Landtag und 1873 zu Wien in das Abgeordnetenhaus des Reichsrats erwählt. Bereits 1871 hatte er sich an die Spitze der Opposition gegen Hohenwart gestellt und einen Abgeordnetentag aus allen Kronländern zusammenberufen. Im Reichsrat schwang er sich sehr bald zu einem der Führer erst des Fortschritts, dann der vereinigten Linken empor. K. ist nicht zu verwechseln mit Eduard K., ebenfalls Wiener Advokat, der als Wortführer der demokratischen großdeutschen und preußenfeindlichen Partei auf Schützenfesten einst eine Rolle spielte.
5) Georg, Fürstbischof von Breslau, geb. 24. Juli 1837 zu Duderstadt als Sohn eines armen Webers, besuchte das Gymnasium in Hildesheim, war 1856–1858 Telegraphist im hannöverschen Staatsdienst, studierte 1858–61 an der theologisch-philosophischen Lehranstalt in Hildesheim und empfing 1862 die Priesterweihe. Nachdem er Schulvikar in Henneckenrode und Kaplan zu Detfurt gewesen, ward er 1865 Hilfsarbeiter am Generalvikariat in Hildesheim, 1872 Generalvikar und Domkapitular und 1881 Bischof von Fulda. Er war trotz der gehässigsten Anfeindungen seitens der ultramontanen Presse eifrig bemüht, ein friedliches Verhältnis der Kirche zur preußischen Regierung herzustellen, und unterstützte den Papst Leo XIII. bei den Verhandlungen über die Revision der Maigesetzgebung. Zum Mitglied des Herrenhauses ernannt, nahm er 1886–87 an den Beratungen über die neuen Kirchengesetze vom 21. Mai 1886 und 30. April 1887 hervorragenden Anteil, beantragte eine Reihe von Abänderungen zu gunsten der Kirche, die zum Teil angenommen wurden, und gab im Namen des Papstes bindende Erklärungen ab. Der Papst ernannte ihn 1887 mit Zustimmung der preußischen Regierung zum Fürstbischof von Breslau.