Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kolowrat“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 963
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Kolowrat. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 963. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kolowrat (Version vom 11.11.2024)

[963] Kolowrat, ein in Böhmen und Österreich begütertes altes Adelsgeschlecht slawischen Ursprungs, dessen ältester Stammsitz in Oberkrain gesucht wird, jedenfalls aber auf böhmischer Erde heimisch und hier emporgekommen, bestand früher aus vielen Linien, von denen gegenwärtig nur noch die seit 1674 reichsgräfliche Hauptlinie K.-Krakowsky übrig ist, die sich wieder in drei Zweige: Brzeznitz, Radenin und Teinitzl, teilte, von denen nur noch die mittlere, deren Haupt Graf Philipp ist, blüht. Der letzte Vertreter der ältesten, 1660 in den Reichsgrafenstand erhobenen Linie, K.-Liebsteinsky, war Franz Anton, geb. 31. Jan. 1778 zu Prag. Derselbe trat in den österreichischen Staatsdienst, ward 1807 zum Stadthauptmann von Prag, sodann 1810 an Stelle des Grafen Wallis zum Oberstburggrafen von Böhmen wie zum Präsidenten der böhmischen Stände ernannt und zeichnete sich in dieser Stellung durch Besonnenheit, Charakterfestigkeit und Milde aus, während seine Arbeitskraft nicht hoch geschätzt wurde und er meist andre für sich arbeiten ließ. Besondere Verdienste erwarb er sich um die Belebung des Nationalgefühls der Böhmen durch Forderung des Studiums der böhmischen Sprache und Geschichte sowie durch Sammlung von historischen und ethnographischen Denkmälern, welchen Bestrebungen er in der Gründung des vaterländischen Museums einen Mittelpunkt gab. Gleiche Pflege wie der Wissenschaft und Kunst ließ er Wohlthätigkeitsanstalten angedeihen, wie denn das reorganisierte Armeninstitut, die Sparkasse etc. ihm ihre Entstehung verdanken. Nicht minder faßte er die materiellen Interessen des Landes ins Auge und erstrebte unter anderm Handelsfreiheit, allmähliches Aufhören des intellektuellen wie des merkantilischen Prohibitivsystems, Reduktion des stehenden Heers und Wiederbelebung der längst verkommenen historischen Provinzialstände, wenigstens als Kreditanstalt. 1825 ward er von Kaiser Franz gleichsam als Gegengewicht gegen Metternich in das Staatsministerium nach Wien berufen und machte, namentlich seit Ferdinands Regierungsantritt (1835), seinen Einfluß zu gunsten einer versöhnlichen Politik geltend. Infolge der Ereignisse vom März 1848 trat K., nachdem er 21. März bis 4. April an der Spitze eines neuen Ministeriums gestanden, aus dem öffentlichen Dienst zurück und starb, eine humane, den Künsten und Wissenschaften stets befreundet gebliebene Persönlichkeit, 4. April 1861 in Wien kinderlos.