Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kolin“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Kolin“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 9 (1887), Seite 935936
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Kolín
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Kolin. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 935–936. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kolin (Version vom 27.09.2023)

[935] Kolin (Neukolin, auch Kollin), Stadt im östlichen Böhmen, links an der Elbe, über welche zwei eiserne Brücken führen, und an der Kreuzung der Österreichisch-Ungarischen Staatseisenbahn und der Nordwestbahn gelegen, mit vier Vorstädten, ist Sitz einer Bezirkshauptmannschaft und eines Bezirksgerichts, hat eine schöne St. Bartholomäuskirche aus dem 13. Jahrh. mit einem in reichem gotischen Stil von Peter Arler 1360–78 erbauten Chor und frei stehendem Glockenturm, ein Schloß, ein Realgymnasium, eine gewerbliche Fortbildungsschule, eine Kreditbank und (1880) 11,636 Einw. K. bildet einen Zentralpunkt der böhmischen Zuckerfabrikation und hat außerdem Fabriken für Chemikalien, Öl, Spiritus, Metallwaren, ferner Bierbrauereien, Kunstmühlen und eine Gasanstalt. Auch wird in K. lebhafter Handel und in der Umgebung Obst- und Gemüsebau betrieben.

Hier 1278 Vertrag zwischen Kaiser Rudolf und Ottokar sowie 18. Juni 1757 Schlacht zwischen den Preußen unter Friedrich II. und den Österreichern unter Daun. Durch den Sieg der Preußen bei Prag 6. Mai war die österreichische Hauptarmee zum Teil

Kärtchen zur Schlacht bei Kolin (18. Juni 1757).

zersprengt; 44,000 Mann derselben unter dem Prinzen von Lothringen wurden in der Hauptstadt Böhmens belagert, das Heer Dauns, welches 30,000 Mann stark am Tag der Schlacht bis 40 km vor Prag vorgedrungen, war vor dem Bevernschen Korps bis Goltsch-Jenikau zurückgewichen, hatte sich aber auf diesem Rückzug bis auf 54,000 Mann verstärkt. Auf direkten Befehl aus Wien, zum Entsatz von Prag eine Schlacht zu wagen, ging Daun 12. Juni wieder vor, und Bevern, der nur 20,000 Mann hatte, zog sich vor ihm auf der großen Kaiserstraße bis Planian zurück. Da verließ der König mit 13,000 Mann von dem Einschließungsheer Prag, vereinigte sich mit dem Herzog von Bevern und beschloß, mit Einem Schlag dem Krieg ein Ende zu machen. 31,000 Mann stark, 18,000 Mann zu Fuß und 13,000 Reiter, rückte er den Österreichern entgegen und traf sie 18. Juni in einer durch Schluchten, Hohlwege und sumpfige Wiesen hinlänglich gedeckten Stellung bei Krichnow auf den Höhen bei K., mit dem rechten Flügel bei Kretschor, dem linken bei Bositz, südlich der großen Kaiserstraße. [936] Friedrich, der Dauns und seines Heers Tüchtigkeit weit unterschätzte, befahl seinem Heer, den Marsch auf der Kaiserstraße nach K. so lange fortzusetzen, bis seine Spitzen den rechten österreichischen Flügel umfassen könnten. Dann sollte Zieten die Reiterei auf diesem Flügel werfen, Hülsen mit dem Fußvolk der Avantgarde Kretschor nehmen und, wenn dies geschehen, Prinz Moritz von Dessau mit dem linken Flügel angreifen, der rechte Flügel aber nördlich der Kaiserstraße für weitere Verwendung stehen bleiben. Um 2 Uhr begann die Schlacht. Zieten schlug die feindliche Reiterei unter Nadásdy, Hülsen eroberte Kretschor und die dortigen Batterien; da er aber versäumte, den etwas weiter links liegenden Eichbusch zu nehmen, kam das Gefecht hier zum Stehen, die erschöpften Bataillone gerieten durch Angriffe der Österreicher in Bedrängnis und bedurften dringend der Hilfe durch das Eingreifen des Prinzen Moritz. Dieser wandte sich jedoch infolge eines Mißverständnisses zu weit rechts gegen Dauns Hauptfronte, so daß Friedrich, um die Lücke zwischen Moritz und Hülsen auszufüllen, die Reserve des zweiten Treffens heranziehen mußte. Gleichzeitig begann General Manstein auf dem rechten Flügel bei Chotzenitz gegen die Kroaten, welche ihn belästigten, wider den strengen Befehl des Königs ein Gefecht, in welches schließlich seine ganze Infanterie verwickelt wurde. Daun war bereits im Begriff gewesen, die Schlacht abzubrechen, und hatte die Zurückführung des schweren Geschützes und den Abmarsch einiger Regimenter nach Suchdol befohlen, als er in anbetracht seiner numerischen Überlegenheit doch auszuharren beschloß. In der That war es den Preußen, die kein frisches Bataillon mehr hatten, nicht möglich, in dem furchtbaren Geschützfeuer des Feindes die errungenen Vorteile zu behaupten. Überdies versäumte Zieten, mit der Reiterei rechtzeitig der Infanterie zu Hilfe zu kommen. Um 4 Uhr nachmittags machte zuerst Oberstleutnant v. Benkendorf mit einem sächsischen Dragonerregiment einen Angriff auf das erschütterte preußische Fußvolk. Er gelang, und seinem Beispiel folgten noch zwei sächsische sowie mehrere österreichische Reiterregimenter. Sie umfaßten die Bataillone Hülsens und des Prinzen Moritz von allen Seiten und zerschmetterten sie Stoß auf Stoß. Der König sammelte von den Flüchtigen 400 Mann und führte sie gegen eine Batterie, aber auch sie verliefen sich. Als er sich allein sah, kehrte er um und befahl den Rückzug, der unter Zietens Schutz unbelästigt vollführt wurde. Aber nur 6000 Mann waren noch beisammen, 14,000 Mann an Toten, Verwundeten und Gefangenen, 29 Fahnen, 43 Geschütze waren verloren; der Verlust der Österreicher betrug 8000 Mann. Die Aufhebung der Belagerung von Prag und die Räumung Böhmens war die nächste Folge dieses ersten Siegs Dauns. Maria Theresia datierte die Stiftung des nach ihr benannten Ordens von diesem denkwürdigen 18. Juni. Friedrich verlor an diesem Tag den bisher genossenen Ruf der Unüberwindlichkeit. Vgl. Kutzen, Über die vermeintliche Schuld Friedrichs an dem Verlust der Schlacht von K. („Abhandl. der Schlesischen Gesellschaft“, Bresl. 1862); Derselbe, Der Tag von K. (2. Ausg., das. 1860); M. Duncker, Die Schlacht bei K. (in den „Abhandlungen zur preußischen Geschichte“, Leipz. 1876).