Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kolberg“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 931
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Kolberg. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 931. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kolberg (Version vom 07.10.2024)

[931] Kolberg (Colberg), Stadt im preuß. Regierungsbezirk Köslin, ehemalige Hauptstadt des Herzogtums Kassuben, an der Persante, 3 km vor deren Mündung

Stiftswappen. Stadtwappen.
Wappen von Kolberg.

in die Ostsee, Knotenpunkt der Linie Belgard-K. der Preußischen Staatsbahn und der Eisenbahn Altdamm-K., hat 4 Vorstädte, darunter Kolbergermünde oder Münde an der Mündung der Persante, 6 Kirchen (darunter die schöne fünfschiffige Marienkirche, ein Backsteinbau des 14. und 15. Jahrh., und die 1871–76 erbaute Nikolaikirche in der Vorstadt Münde), eine Synagoge, ein gotisches Rathaus, ein Erzstandbild Friedrich Wilhelms III. von Drake auf dem Markt (hier auch Nettelbecks Haus [s. unten] und Ramlers Geburtshaus), einen durch Molen geschützten Hafen mit Leuchtfeuer an der Mündung der Persante, ein besuchtes See-, Sol- und Moorbad (Zahl der Kurgäste 1885: 6781), hübsche Anlagen, Gas- u. Wasserleitung (letztere mit imposantem Turm), Kanalisation und (1885) mit der Garnison (2 Infanteriebat. Nr. 54 und eine Abteil. Feldartillerie Nr. 17) 16,557 meist evang. Einwohner, welche Dampfholzschneiderei, Eisengießerei und Maschinenbau, Tabaksfabrikation, Fischerei (Lachse, Dorsche, Neunaugen) etc. betreiben. Der lebhafte Handel wird unterstützt durch eine Reichsbanknebenstelle und andre Geldinstitute. Die Reederei zählt 24 Seeschiffe zu 3801 Registertons. 1885 kamen an mit Ladung: 144 Schiffe zu 13,868 Registertons in Ballast oder leer: 53 Schiffe zu 3351 Registertons; es gingen ab mit Ladung: 114 Schiffe zu 8590 Registertons, in Ballast oder leer: 82 Schiffe zu 8380 Registertons. K. ist Sitz eines Landratsamtes (für den Kreis K.-Körlin), eines Amtsgerichts, eines Hauptsteueramtes und hat ein Gymnasium mit Realgymnasium, eine höhere Töchterschule mit Lehrerinnenseminar, ein adliges Fräuleinstift, ein Theater, eine Rettungsstation für Schiffbrüchige und ein Zucht- und Arbeitshaus. Die Festungswerke sind seit 1873 eingegangen, jedoch bleiben die Werke an der See (vier Schanzen und das Fort Münde) bestehen. Ein beliebter Vergnügungsort ist die Maikuhle, ein herrlicher Buchen-, Eichen- und Fichtenwald. – Die Stadt K. (poln. Brzegu), einer der ältesten Orte Pommerns, verdankt ihren Ursprung einer dort vorhanden gewesenen slawischen Feste, die 1065 in ein Domstift verwandelt wurde. Bald war K. ein mit Mauern und Gräben verwahrter Ort und wurde 1102 vom Herzog Bogislaw III. von Polen acht Tage lang vergeblich bestürmt. 1255 erhielt es von Herzog Barnim I. Stadtrecht, kam 1276 unter die Herrschaft des Stifts Kammin und wurde 1284 in den Hansabund aufgenommen. Seit 1530 fand die Reformation in K. Eingang. Im Dreißigjährigen Krieg kam es 1627 in die Gewalt der Kaiserlichen, wurde aber 1631 von den Schweden erobert, die sich bis 1653 im Besitz behaupteten und die Schöpfer der spätern Festung waren. 1653 wurde die Stadt an den Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg übergeben, welcher die Befestigungen durch Sparr verstärken ließ, hier eine Ritterakademie stiftete, die 1705 nach Berlin verlegt wurde und als das Kadettenhaus in Lichterfelde noch besteht. Im Siebenjährigen Krieg unternahmen die Russen, 10,000 Mann stark, zuerst 1758 eine Belagerung der nur von 700 Mann besetzten Stadt. Doch ihre Angriffe scheiterten an der Tapferkeit des Kommandanten Major v. Heyden, seiner Garnison und der Bürgerschaft, die an der Verteidigung teilnahm, und nach 19tägiger Belagerung zogen die Russen unverrichteter Sache ab. Denselben Ausgang hatte eine zweite Belagerung durch die Russen 26. Aug. bis 18. Sept. 1760; eine dritte (1761) endete dagegen damit, daß Kommandant Heyden, nach langer Verteidigung durch Hunger gezwungen, die Festung den Russen übergeben mußte, die jedoch 1762 nach Peters III. Thronbesteigung von ihnen wieder geräumt wurde. Noch rühmlicher zeichnete sich K. aus bei der sechsmonatlichen Belagerung der Feste durch die Franzosen 1806 und 1807. Hierher hatte sich der schwer verwundete Schill gerettet, und er und der Bürger Nettelbeck (s. d.) erhielten den Mut der Besatzung und der Bürger wach, bis diese durch das Eintreffen Gneisenaus mit neuem Eifer beseelt wurden. Am 10. Juni 1807 waren die Laufgräben so nahe gerückt, daß Breschbatterien angelegt werden konnten, und 1. Juli nahm der Feind auch die Maikuhle mit Sturm. Die Botschaft des Friedens von Tilsit (9. Juli 1807) hob endlich die Belagerung auf und erhielt die wichtige Festung dem König, welcher der Stadt ihren Beitrag zur Kriegskontribution erließ. Vgl. v. Held, Geschichte der drei Belagerungen Kolbergs im Siebenjährigen Krieg (Berl. 1847); Riemann, Geschichte der Stadt K. (Kolb. 1873); Schönlein, Geschichte der Belagerungen Kolbergs 1758–1807 (2. Aufl., das. 1878); Janke, Bad K. (das. 1884).