MKL1888:Kolbe
[930] Kolbe (Kolbenschnitt), männliche Haartracht im Reformationszeitalter, die sich seit ca. 1520–60 erhielt und für die deutsche Renaissance charakteristisch ist. Das Haar wurde rings vom Scheitel herabgekämmt und über der Stirn von Schläfe zu Schläfe und im Nacken von Ohr zu Ohr in gerader Linie abgeschnitten.
Kolbe, 1) Karl Wilhelm, Radierer und Schriftsteller, geb. 20. Nov. 1757 zu Berlin, wurde Lehrer am Philanthropin in Dessau, dann Forstsekretär und Bibliothekar des Ministers v. Schulenburg-Kahnert zu Berlin, kehrte aber bald nach Dessau in die alten Verhältnisse zurück, besuchte seit 1793 noch die Akademie der Künste zu Berlin, deren ordentliches Mitglied er 1795 wurde, und widmete sich sodann zu Dessau künstlerischen und litterarischen Arbeiten. Er starb 13. Jan. 1835 daselbst. Seine landschaftlichen Radierungen zeigen lebendige Auffassung der Natur und leichte, sichere Behandlung der Nadel. Er bewegte sich in der Nachahmung A. Waterloos und S. Geßners, nach dessen Zeichnungen er eine Folge von 25 Blättern ätzte (Zürich 1806–11). Er schrieb: „Über den Wortreichtum der deutschen und französischen Sprache und beider Anlagen zur Poesie“ (Berl. 1804, 2 Bde.; 2. Aufl. 1818–20, 3 Bde.), als Anhang dazu: „Über Wortmengerei“ (das. 1809, 3. Aufl. 1823). Vgl. seine Selbstbiographie: „Mein Lebenslauf und mein Wirken im Fach der Sprache und Kunst“ (Berl. 1825).
2) Karl Wilhelm, Maler, Neffe des vorigen, geb. 7. März 1781 zu Berlin, studierte auf der Akademie seiner Vaterstadt, besonders unter Chodowiecki. Seine erste große historische Komposition: Frobens Tod in der Schlacht bei Fehrbellin, eine Kreidezeichnung, gewann 1796 den ersten Preis der Akademie. In der Ölmalerei bildete er sich nach den niederländischen Malern. Sein großes Gemälde: Albrecht Achilles erobert bei Nürnberg eine Fahne (1806) ward von der Stadt Berlin als Geschenk für die Prinzessin Luise von Preußen bei ihrer Abreise nach Holland gekauft. Am meisten zeichnete sich K. bei seiner gefälligen Gruppierung, seiner schönen und klaren Farbe und seiner saubern Ausführung in dem romantischen Idyll aus (altdeutsche Straße, in der Berliner Nationalgalerie). Von seinen historischen Darstellungen sind noch zu erwähnen: die Himmelfahrt Christi (1816), für die Schloßkirche zu Potsdam, Ottos d. Gr. Schlacht gegen die Ungarn, Karl V. auf der Flucht und Barbarossas Leiche bei Antiochia (Berliner Nationalgalerie). Zu den zehn Glasfenstern im Schlosse zu Marienburg hat K. sowohl die Kartons als die Farbenskizzen (zwei in der Nationalgalerie zu Berlin) geliefert. Sie stellen die Kämpfe und Siege des Deutschen Ordens dar. K. starb 8. April 1853 in Berlin.
3) Hermann, Chemiker, geb. 27. Sept. 1818 zu Elliehausen bei Göttingen, studierte seit 1838 in Göttingen Naturwissenschaft, speziell Chemie, ward 1842 Assistent Bunsens in Marburg, promovierte dort 1843, ging 1845 als Assistent Playfairs nach London, kehrte 1847 nach Marburg zurück, um dort mit Frankland eine in London begonnene Arbeit über die Nitrile fortzusetzen, siedelte aber noch in demselben Jahr nach Braunschweig über und redigierte dort das „Handwörterbuch der Chemie“ von Liebig und Wöhler. 1852 folgte er einem Ruf als Professor der Chemie nach Marburg und 1865 nach Leipzig, wo 1867 unter seiner Leitung das neue chemische Laboratorium erbaut wurde. Er starb 25. Nov. 1884 daselbst. Kolbes Arbeiten gehören wesentlich der organischen Chemie an, zu deren glücklichsten Förderern er gerechnet werden muß. Besonders wichtig waren seine Untersuchungen über die Einwirkung von Chlor auf Schwefelkohlenstoff, über die Zersetzung der organischen Säuren durch den elektrischen Strom, über die Darstellung von Säuren mit höherm Kohlenstoffgehalt aus Cyanverbindungen von Alkoholradikalen, über die Zusammensetzung des Kakodyls. Von der Lehre von den gepaarten Radikalen ausgehend, suchte K. die theoretische Chemie in eigentümlicher Weise auszubilden und trat mehrfach in Opposition gegen die herrschenden Richtungen. 1861 entdeckte er die Bildung des Korallins aus Phenol, 1873 eine einfache Methode zur Darstellung von Salicylsäure aus Phenol und Kohlensäure, und im folgenden Jahr erkannte er die antiseptischen Eigenschaften dieser Verbindung. Er schrieb: „Ausführliches Lehrbuch der organischen Chemie“ (Bd. 1 u. 2, Braunschw. 1855–64; 2. Aufl. von E. v. Meyer, 1880–84; Bd. 3 von E. v. Meyer und Weddige, 1868–78); „Kurzes Lehrbuch der anorganischen Chemie“ (das. 1878, 2. Aufl. 1884); „Kurzes Lehrbuch der organischen Chemie“ (das. 1883); „Das chemische Laboratorium der Universität Marburg“ (das. 1866); „Das chemische Laboratorium der Universität Leipzig“ (das. 1872); „Zur Entwickelungsgeschichte der theoretischen Chemie“ (Leipz. 1881). Seit 1870 gab er das „Journal für praktische Chemie“ heraus.
4) Johann Kasimir, Graf von Wartenberg, s. Wartenberg.