Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
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Band 9 (1887), Seite 896898
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Koblenz. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 896–898. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Koblenz (Version vom 18.09.2024)

[896] Koblenz (Coblenz), befestigte Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks der preuß. Rheinprovinz, am Zusammenfluß des Rheins und der Mosel,

Wappen von Koblenz.

Knotenpunkt der Linien Kalscheuren-Bingerbrück, Perl-K., K.-Ehrenbreitstein und Oberlahnstein-K. der Preuß. Staatsbahn, 60 m ü. M., liegt, von Hügeln umgeben, in einer der schönsten und anmutigsten wie strategisch wichtigsten Gegenden des ganzen Rheinthals (s. den Karton auf Karte „Rheinprovinz“). Die Stadt besteht aus der Alt- und der Neustadt. Die Altstadt, eng gebaut, hat nur einige schöne Straßen, wie die Rheinstraße, Firmung etc., und Plätze, wie den Plan, Florinsmarkt, Münz- und Hospitalplatz, aufzuweisen. Die Neu- oder Klemensstadt dagegen hat schöne, [897] breite Straßen und namentlich gegen den Rhein eine imponierende Häuserfronte. Als Plätze sind hier der Klemensplatz mit einem fast 20 m hohen Obelisken, dem von Krahe erbauten Theater, dem Postamt etc. und der Schloßplatz zu bemerken. Unter den kirchlichen Gebäuden sind erwähnenswert: die Liebfrauenkirche, auf dem höchsten Punkte der Stadt gelegen, mit 58 m hohen, im spätromanischen Stil gehaltenen Türmen; das Schiff wurde 1250, das Chor 1404–31 erbaut, das Innere ist freundlich und gefällig; die Kastorkirche, am nördlichen Ende der Rheinzollstraße, nahe der Moselspitze gelegen, mit 4 Türmen, wurde von Ludwig dem Frommen 836 als Kollegiatkirche gegründet und ist somit eine der ältesten christlichen Kirchen der Rheingegend; der gegenwärtige Bau romanischen Stils wurde 1208 vollendet, das Spitzbogengewölbe an Stelle der alten Holzdecke erst 1498 beendet. Im nördlichen Seitenschiff befindet sich das Grabmal der heil. Ritza, einer Tochter (nach andern einer Enkelin) Ludwigs des Frommen. Im Chor stehen die Grabdenkmäler des Trierer Erzbischofs Kuno v. Falkenstein (gest. 1388) und seines Nachfolgers Werner v. Falkenstein (gest. 1418). Das Freskowandgemälde im Chor ist von J. Settegast, einem Koblenzer, 1848–49 ausgeführt worden. Auch die andern Gemälde, in jüngster Zeit entstanden, sind sein Werk. Die Kirche war Schauplatz der Länderverteilung zwischen den Söhnen Ludwigs des Frommen (860) sowie verschiedener Kirchenversammlungen. Die Florinskirche ist dem evangelischen Gottesdienst gewidmet; Türme und Langhaus zeigen den romanischen Stil, während das von 1356 herrührende Chor gotischen Charakter trägt; das Innere ist unter Lasaulx’ Leitung sehr schön restauriert. Die St. Johann-, auch Jesuitenkirche, zum anstoßenden Gymnasium gehörig, wurde 1617 erbaut; die Karmeliterkirche, mit einem Freskogemälde von Anschütz, einem Koblenzer, ist gegenwärtig katholische Garnisonkirche. Außer diesen Kirchen hat K. noch mehrere Filialkirchen, Betsäle und eine Synagoge. Unter den weltlichen Gebäuden verdient das Residenzschloß zuerst genannt zu werden. Von 1778 bis 1785 vom letzten Kurfürsten von Trier, Klemens Wenzeslaus, aufgeführt, besteht es aus einem Mittelbau mit dem nach dem Schloßplatz zu gelegenen Portal, vor dem sich acht 13 m hohe und 5,2 m im Umfang haltende Säulen erheben, und zwei Flügeln, die auf der Nord- und Südseite in zwei vorspringenden Pavillons endigen. Das Ganze ist 170 m lang und hat drei Stockwerke. Schöne Anlagen ziehen sich von hier rheinaufwärts, in denselben befindet sich das Denkmal des Dichters Max v. Schenkendorf. In der Nähe der Moselbrücke sind noch zu bemerken die ehemalige kurfürstliche Burg (jetzt Fabrikgebäude) und das Kaufhaus, im 15. Jahrh. erbaut, 1688 zerstört und 1725 wiederhergestellt. Der Bau der 320 m langen Moselbrücke mit 14 Bogen ward 1343 begonnen. Über diese Brücke läuft die vom letzten Kurfürsten angelegte Wasserleitung, welche, beim Dorf Metternich beginnend, mehreren Brunnen der Stadt und dem Schloß gutes Trinkwasser zuführt. Oberhalb dieser Brücke ist die nur für Eisenbahnzwecke erbaute eiserne Gitterbrücke bemerkenswert, die vom Oberingenieur Hartwich projektiert und 1858 vom Baumeister Schwarz vollendet wurde. Über den Rhein führen außer der Schiffbrücke eine 1862–64 von demselben erbaute Eisenbahnbogenfachwerkbrücke, die sogen. Pfaffendorfer Brücke, und südlicher eine neue, 1879 fertig gestellte Eisenbahnbrücke in zwei Spannungen, im Zug der Teilstrecke Oberlahnstein-K. der Berlin-Metzer Eisenbahn, die sogen. Horchheimer Brücke.

K. bildet mit dem gegenüber am rechten Rheinufer gelegenen Ehrenbreitstein (s. d.) eine Festung ersten Ranges. Die Neubefestigung wurde von 1816 bis 1828 ausgeführt. Nach der Feldseite ist die Stadt durch einen Montalembertschen Turm und eine kasemattierte Umwallung mit Kavalieren als Außenwerken, gegen Rhein und Mosel aber durch Kavaliere und Mauerbefestigungen geschützt. Vor dieser Umwallung liegt die ehemalige Kartause mit dem Fort Konstantin und auf der dieses beherrschenden Höhe des Hunnenkopfes das starke Fort Alexander mit zwei kleinern detachierten Forts. Jenseit der Mosel auf dem Petersberg erhebt sich das Fort Franz, neben dem drei Montalembertsche Türme stehen. Am Fuß dieses Forts steht das 1795 errichtete, 1885 renovierte Denkmal des französischen Generals Marceau. Ein schönes, von Schaper 1884 ausgeführtes Standbild des Generals v. Goeben befindet sich auf dem kleinen Paradeplatz, ein sinniges Denkmal in weißem Marmor ziert sein Grab auf dem städtischen Friedhof. Die Zahl der Einwohner belief sich 1885 mit der Garnison (Garde-Grenadierregiment Nr. 4, 2 Infanteriebat. Nr. 28 und Nr. 68, 2 Abteil. Feldartillerie Nr. 8, 1 Bat. Fußartillerie Nr. 4, 1 Pionierbat. Nr. 8 und 1 Trainbat. Nr. 8) auf 31,669 Seelen, darunter 23,989 Katholiken, 7106 Evangelische und 515 Juden. An größern industriellen Etablissements hat K. mehrere Pianofortefabriken, eine Kartonagen- und Papierwarenfabrik, Schaumweinfabriken, eine Maschinenfabrik und Schiffbauerei. Der Handel ist besonders bedeutend in Wein, Holz, Berg- und Hüttenprodukten und Kolonialwaren. Mit Gegenständen des täglichen Bedarfs versorgt K. einen großen Teil der Eifel, der Moselgegend, des Hunsrücks, des Westerwaldes, der Lahn und des Mittelrheins. An Bankinstituten besitzt K. eine Reichsbankstelle (Umsatz 1885: 211 Mill. Mk.), die Mittelrheinische Bank und die Koblenzer Volksbank. Lebhaft ist trotz der zahlreichen Eisenbahnverbindungen nach den verschiedensten Gegenden die Schiffahrt. Auf dem Rhein kamen 1885 an: 2542 Schiffe (darunter 2307 Dampfschiffe) mit 34,036 Ton. Ladung; es gingen ab: 2085 Schiffe (darunter 2060 Dampfschiffe) mit 6332 T. Ladung. Auf der Mosel kamen an: 396 Schiffe (darunter 283 Dampfschiffe) mit 2516 T. Ladung; es gingen ab: 360 Schiffe (darunter 299 Dampfschiffe) mit 3822 T. Ladung. Die städtischen Behörden zählen einen Oberbürgermeister und 24 Stadtverordnete, wovon 3 als unbesoldete Beigeordnete zur Vertretung des Oberbürgermeisters befugt sind. Sonst ist K. Sitz des Oberpräsidiums der Rheinprovinz, eines Konsistoriums, eines Provinzial-Schulkollegiums, einer königlichen Regierung, eines Landratsamtes, einer königlichen Polizeidirektion, eines Hauptsteueramtes, eines Landgerichts, einer Oberpostdirektion, zweier Bergreviere, einer Forstinspektion, einer königlichen und einer Gemeindeoberförsterei, des Generalkommandos des 8. Armeekorps, des Kommandos der 30. Infanterie- und der 8. Feldartilleriebrigade und hat ein Gymnasium, eine Oberrealschule, ein Theater (mit einer kleinen Gemäldegalerie) und ein Musikinstitut. An andern Anstalten befinden sich dort: zwei Frauenklöster (Franziskanerinnen und Augustinerinnen) und ein Konvent der Barmherzigen Brüder zur Krankenpflege, eine Privatirrenpfleganstalt, ein Zuchthaus und eine Korrektionsanstalt, viele Armenanstalten etc. Zum Bezirk des Landgerichts K. gehören die 19 Amtsgerichte zu Adenau, Ahrweiler, [898] Andernach, Boppard, Kastellaun, Kirchberg am Hunsrück, K., Kochem, Kreuznach, Mayen, Meisenheim, Münstermaifeld, St. Goar, Simmern, Sinzig, Sobernheim, Stromberg, Trarbach und Zell.

Geschichte. Schon um 58 v. Chr. war die Umgegend von K. mit Gallien in dem Besitz der Römer. Julius Cäsar schlug in der Nähe, wahrscheinlich beim jetzigen Ort Engers, eine Schiffbrücke über den Rhein, und unter Drusus ward dieser Punkt (um 9 v. Chr.) zur Anlage eines Kastells benutzt, welches von der Vereinigung der Flüsse Mosel und Rhein den Namen Confluentes erhielt, woraus in der Folge Covelenz (Cobelenz) ward. Mit der Eroberung Galliens durch die Franken kam 486 auch K. unter deren Herrschaft. Den fränkischen Königen diente K. später bisweilen zum Aufenthalt, und 860 fand hier eine Versöhnung der Söhne Ludwigs des Frommen statt. Bis hierher erstreckten sich 882 die Verheerungen der Normannen. Kaiser Heinrich II. übergab die Stadt 1018 dem Erzstift Trier, bei welchem sie bis zum Ende des 18. Jahrh. verblieben ist. 1105 veranlaßte hier Heinrich V. eine Zusammenkunft mit seinem kaiserlichen Vater, um diesen in seine Gewalt zu bringen. 1138 wurde Konrad II. in St. Kastor zu K. zum Kaiser gewählt, und 1146 predigte hier Bernhard von Clairvaux den zweiten Kreuzzug. Hier suchte Eduard III. von England Kaiser Ludwig 1338 zum Kriege gegen Frankreich zu bewegen. Während des Dreißigjährigen Kriegs nahm die Stadt 1632 eine kaiserliche Besatzung auf, wurde aber von den Schweden genommen, dann von Franzosen besetzt und 1636 von den Kaiserlichen erstürmt. 1688 belagerten und beschossen die Franzosen unter dem Marschall v. Boufflers die Stadt, vermochten jedoch nur den ältesten Teil derselben zu zerstören. Im Lauf des 18. Jahrh. wurde K. mehrfach erweitert, und noch mehr geschah für die Hebung derselben, als der Kurfürst Klemens Wenzeslaus seine Residenz 1786 von Ehrenbreitstein hierher verlegte. Bald darauf gewann K. an Regsamkeit des Lebens, indem es in seinen Mauern den emigrierten Adel Frankreichs vereinigte. Die nachmaligen Könige Ludwig XVIII. und Karl X. hielten sich am kurfürstlichen Hof und in dem kurfürstlichen Schlosse Schönbornslust auf, und hier wurden die Restaurationspläne vorbereitet; von hier erließ der Herzog von Braunschweig 25. Juli 1792 das unglückliche Koblenzer Manifest. Aber schon 1794 sah sich der Kurfürst genötigt, bei Annäherung der französischen Armee unter Marceau die Stadt zu verlassen, und diese fiel in die Hände der Franzosen. Die Befestigungswerke wurden demoliert und die Klöster aufgehoben, und K. wurde 1798 Hauptstadt des Rhein- und Mofeldepartements. Am 1. Jan. 1814 nahmen die Verbündeten die Stadt in Besitz, die im darauf folgenden Jahr unter die Krone Preußens kam, Hauptstadt eines Regierungsbezirks und 1822 Sitz der höchsten Behörden für die Rheinprovinz wurde. Vgl. Günther, Geschichte der Stadt K. (Kobl. 1815); Ch. v. Stramberg, K., die Stadt, historisch und topographisch (das. 1854, 3 Bde.); Wegeler, K. in seiner Mundart und seinen hervorragenden Persönlichkeiten (das. 1875); Derselbe, Beiträge zur Geschichte der Stadt K. (2. Aufl., das. 1882); Baumgarten, K. nebst Ausflügen (das. 1884); Becker, Das königliche Schloß zu K. (das. 1886).

Der Regierungsbezirk K. (s. Karte „Rheinprovinz“) umfaßt 6202 qkm (112,64 QM.), hat (1885) 616,554 (1880: 604,052) Einw., darunter 209,139 Evangelische, 396,388 Katholiken und 9268 Juden, und besteht aus den 13 Kreisen:

Kreise QKilo­meter QMei­len Einwohner 1885 Einw. auf 1 QKil.
Adenau 549 9,98 21515 39
Ahrweiler 371 6,74 37571 101
Altenkirchen 638 11,59 60601 95
Koblenz 274 4,98 86424 315
Kochem 502 9,12 37815 75
Kreuznach 557 10,11 69090 124
Mayen 576 10,46 60687 106
Meisenheim 176 3,19 13607 77
Neuwied 620 11,26 74620 120
St. Goar 465 8,44 38973 84
Simmern 571 10,37 35601 62
Wetzlar 531 9,64 49789 94
Zell 372 6,76 30281 81