Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Klausthal“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Klausthal“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 9 (1887), Seite 813814
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: Clausthal
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Clausthal
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Klausthal. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 813–814. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Klausthal (Version vom 14.04.2021)

[813] Klausthal (Clausthal), wichtigste Bergstadt auf dem Oberharz, im preuß. Regierungsbezirk Hildesheim, Kreis Zellerfeld, liegt zwischen den Quellbächen der Innerste und an der Linie Halle-K. der Preußischen Staatsbahn, 605 m ü. M., auf einem rauhen Plateau, auf dem bei noch nicht 6°C. jährlicher Durchschnittswärme und 150 cm jährlicher Regenmenge Ackerbau nicht mehr betrieben werden kann, und ist von der Nachbarstadt Zellerfeld nur durch den kleinen Zellbach getrennt. Die Stadt hat freundliche Gebäude und breite Straßen, eine evangelische und eine kath. Kirche, ein Gymnasium mit Realabteilung, eine auch von Ausländern stark besuchte Bergakademie und Bergschule (mit Bibliothek, großen Sammlungen von Modellen und Mineralien und einem Laboratorium), ein Oberbergamt, ein Hüttenamt, eine Berginspektion, eine Superintendentur und (1885) 8871 meist evang. Einwohner. Die männlichen Bewohner sind größtenteils Berg- und Hüttenleute; die weibliche Bevölkerung findet in Strick- und Häkelwarenfabriken vielfach Beschäftigung. Die Bergwerke in der Nähe von K. gehören zu den wichtigsten des preußischen Harzes, namentlich die Gruben des Burgstädter Zugs: Herzog Georg Wilhelm, Anna Eleonore und Bergmannstrost. Die erstgenannte hat nächst dem Samson bei Andreasberg den tiefsten Schacht des Harzes (850 m). Als Ersatz für die nach und nach eingehenden kleinen Pochwerke ist 1 km von der Stadt entfernt eine großartige, mit Dampf betriebene Aufbereitungsanstalt erbaut; noch 1 km weiter liegt die Frankenscharner Silberhütte mit 14 Schmelzöfen, welche außer den oberharzischen Erzen auch amerikanische Silbererze verhüttet, und noch weiter thalabwärts die bedeutende Grube Bergwerkswohlfahrt. Der Bergbau des Oberharzes, dessen Mittelpunkt K. bildet, gehört wegen seiner Produktion und der Großartigkeit seiner Anlagen zu den bedeutendsten in Deutschland. Er umfaßt außer den Klausthaler Gruben auch noch die Bergwerke bei Zellerfeld, Bockswiese, Lautenthal, Grund und Andreasberg sowie die denselben dienenden Hüttenwerke zu K., Lautenthal, Altenau und Andreasberg. Der Bergbau findet auf Gängen statt, welche in den Kulmschichten (unteres Kohlengebirge) auftreten und hauptsächlich silberhaltigen Bleiglanz, Kupfer- und Zinkerze führen. Die Grundwasser werden durch zwei Stollen abgeführt, von denen der Georgsstollen (1779–99 erbaut) sich durch sämtliche Gruben (außer den Lautenthaler) erstreckt, etwa drei Stunden Länge hat und bei der Bergstadt Grund mündet (284 m ü. M.), während der noch 140 m tiefere Ernst-Auguststollen (1851–64 gebaut) an seinem Anfangspunkt bei der Grube Karolina in 392 m Tiefe eindringt und bei Gittelde (210 m ü. M.) mündet. Letzterer, welcher teilweise zugleich zum Transport von Erzen durch Schiffe dient, ist eins der bedeutendsten Werke der Markscheidekunst und sichert in Verbindung mit der teilweise noch im Bau begriffenen, 230 m unter dem Ernst-Auguststollen und 37 m unter dem Meer liegenden tiefsten Wasserstrecke den Bergbau auf die [814] längste Zeitdauer. Ebenso bedeutend sind die Anstalten zur Sammlung und Herbeiführung der zum Betrieb der Werke dienenden Aufschlagwasser. Es werden nicht nur sämtliche Quellwasser und Bäche des Plateaus aufgefangen und in 67 Teichen, von denen der Hirschler Teich allein über 15 Hektar groß ist, gesammelt, sondern auch die Quellwasser des 22 km entfernten Brockenfelds und des Bruchbergs durch den sogen. Dammgraben den Klausthaler Werken zugeführt. Der fiskalische Bergbau des Oberharzes beschäftigte 1881–82: 4093 Arbeiter. Es wurden in der gedachten Zeit gefördert: 166,572 Doppelzentner Blei- und Silbererze, 4397½ Doppelzentner Kupfererze und 59,192½ Doppelzentner Blende. Die Produktion der Hütten betrug 45,32 kg Gold, 29,896,51 kg Silber, 100,037 Doppelzentner Blei, 739 Doppelzentner Kupfer und 9658½ Doppelzentner Kupfervitriol. An Gesamtüberschuß wurden an die Staatskasse abgeführt 14,586,144 Mk. Der Bezirk des Oberbergamts K. umfaßt die preußischen Regierungsbezirke Hildesheim (mit Ausnahme der Grafschaft Hohnstein), Hannover, Lüneburg und Stade, den Regierungsbezirk Kassel und die Provinz Schleswig-Holstein. Außerdem führt das Oberbergamt die Mitverwaltung des Preußen und Schaumburg-Lippe gemeinsam zustehenden Steinkohlenbergbaus der Grafschaft Schauenburg. – Die erste Besiedelung des Oberharzes geschah in der Mitte des 12. Jahrh. durch Gründung des Benediktinerklosters Cella, die wahrscheinlich vom reichsunmittelbaren Stift Simonis et Judae in Goslar ausging. Die Mönche trieben bereits etwas Bergbau, doch das Kloster, von dem noch unbedeutende Reste in Zellerfeld vorhanden, wurde 1431 vom Papst aufgehoben, und der Bergbau ging ein. Die zweite Besiedelung erfolgte zu Anfang des 16. Jahrh. infolge des Interesses, welches die braunschweigischen Herzöge, namentlich Heinrich der jüngere, am Bergbau nahmen. 1532 gab er dem braunschweigischen Teil des Oberharzes die erste Bergfreiheit, und schon 1538 wurde in Zellerfeld die erste Kirche gebaut. Im grubenhagenschen Anteil erließ Herzog Ernst 1553 die erste Bergfreiheit. Die um diese Zeit entstandene Bergstadt K. erhielt 1570 die erste Kirche. Diese und die andern Bergstädte wuchsen sehr schnell durch das rasche Aufblühen des Bergbaues und die Einwanderung fränkischer Bergleute (noch heute ist der Dialekt der Einwohner in den Bergstädten ein oberdeutscher, dem fränkischen ähnlicher). Der Bergbau war ein gewerkschaftlicher; doch nahm das Interesse der Gewerke in neuerer Zeit infolge der immer größer werdenden Schwierigkeiten allmählich ab, was 1864 zu einer Abfindung aller noch vorhandenen Anteilsbesitzer führte. Seitdem ist der Fiskus alleiniger Besitzer.