Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kiefer“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 711714
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Wiktionary: Kiefer
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Kiefer. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 711–714. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kiefer (Version vom 02.12.2024)

[711] Kiefer (Maxilla, Mandibŭla), diejenigen vor der Mundöffnung der meisten Tiere gelegenen, mittels besonderer Muskeln beweglichen hartem Teile, welche die Zerkleinerung der Speisen, das Kauen, besorgen. Bei manchen Krebsen läßt sich aus der Entwickelungsgeschichte der Nachweis führen, daß dieselben Gliedmaßen, welche beim jungen Tier die Schwimmfüße darstellen, dem erwachsenen als K. dienen und zu diesem Behuf Gestalt und Bau wesentlich verändern. Man bezeichnet daher auch diejenigen Extremitäten, welche zwischen echten Beinen und echten Kiefern die Mitte halten, als Kieferfüße (s. d.). Von besonderer [712] Form sind die K. bei manchen Seeigeln, indem sie, fünf an der Zahl, mit den sie verbindenden harten Teilen des Mundskeletts eine fünfseitige Pyramide (Laterne des Aristoteles, s. Tafel „Echinodermen“) bilden. Ebenfalls sehr charakteristisch und zwar von Gestalt eines Vogelschnabels sind die K. bei den Tintenschnecken. Bei den Krebsen, Insekten etc. bewegen sich die K. in ihrer ursprünglichen Form seitlich gegeneinander, verwandeln sich jedoch häufig in röhrenartige Saugapparate (z. B. bei Schmetterlingen in den Rüssel) oder auch in Stechborsten. Bei den Wirbeltieren bewegt sich der Unterkiefer in senkrechter Richtung gegen den gewöhnlich unbeweglichen Oberkiefer; beide K. tragen meist Zähne und sind nur selten (z. B. bei den Vögeln) zahnlos und mit Horn bekleidet. Der Unterkiefer besteht aus zwei seitlichen, gewöhnlich aber in der Mittellinie des Gesichts miteinander verschmolzenen Stücken; der Oberkiefer ist ebenfalls doppelt, jedoch stoßen sein rechter und linker Teil nicht direkt aneinander, sondern sind durch den sogen. Zwischenkiefer getrennt. Letzterer trägt bei den Säugetieren die Schneidezähne und ist meist deutlich als besonderer Knochen erkennbar, bei den Affen und noch mehr beim Menschen aber so innig mit den Oberkiefern verwachsen, daß man lange Zeit an seiner Selbständigkeit zweifelte. Wegen der K. des Menschen vgl. Schädel.

Kiefer (Föhre, Pinus L., hierzu Taf. „Kiefern“), Gattung aus der Familie der Abietineen, Bäume, selten Sträucher, mit Nadeln, die nur an sehr jugendlichen Exemplaren oder an jungen Trieben einzeln, außerdem zu 2–5 an kurzen, nicht zur Entwickelung gekommenen Zweigen stehen, am Grund umgeben von einer aus kleinen Niederblättern bestehenden Scheide. Die männlichen Blütenkätzchen stehen gehäuft an der Spitze der vorjährigen Zweige, die weiblichen einzeln oder zu mehreren an der Spitze der diesjährigen Knospen; die Zapfen bestehen aus ziegeldachförmigen, offenen, holzigen oder lederartigen, außen gegen die Spitze mit einem mehr oder weniger gewölbten Schild und auf letzterm mit einem Nabel versehenen, zweisamigen, bleibenden Fruchtblättern. Die erst im zweiten Jahre reifenden Samen besitzen meist einen abfallenden Flügel.

Zur ersten Gruppe (Pinea Endl.), mit ungeflügelten Früchten, lange geschlossen bleibenden, am Ende des zweiten, selten im Anfang des dritten Jahrs abfallenden Zapfen, gehört die Pinie (P. Pinea L.), ein 15–30 m hoher Baum mit meist schirmförmig ausgebreiteter Krone, im Alter rissiger, äußerlich graubrauner, innen lebhaft rotbrauner Rinde, meist gepaart stehenden, 13–20 cm langen, kurz stachelspitzigen, hellgrünen Nadeln, großen, eirundlichen, hell zimtbraunen Zapfen, ziemlich breiten und dicken Fruchttellern, schwach pyramidenförmigem Schild, stumpfem Nabel und ziemlich harter Fruchtschale. Die Pinie stammt wahrscheinlich aus Vorderasien oder Nordafrika, kam aber früh nach Griechenland und Italien und bildet im letztern Land noch heute den malerischen Schmuck der Villen und Gärten. Sie findet sich im Küstengebiet fast aller Mittelmeerländer, auf Madeira und den Kanarischen Inseln, zum Teil nur angepflanzt, am häufigsten im Westen. Hin und wieder bildet sie auch zusammenhängende Bestände, und berühmt ist die Pineta von Ravenna. Die Piniennüsse (Piniolen, Pineolen, Pignolen), welche im vierten Jahr aus den Zapfen herausfallen, sind etwa 2 cm lang, schmal und etwas gekrümmt, an beiden Enden zugerundet, matt rotbraun und enthalten einen weißen, öligen Kern, der mandelartig und eigentümlich fein harzig schmeckt. Italien, Sizilien, die Levante, Marseille, Barcelona liefern Piniennüsse für den Handel; sie dienen als Dessert, werden aber sehr leicht ranzig.

Zur Gruppe der zweinadeligen Kiefern (Pinaster Endl.), mit am Ende des zweiten, selten im Anfang des dritten Jahrs abfallenden Nadeln, geflügelten Früchten, flachem oder pyramidenförmigem Schild und selten mit einem mit stechender Spitze versehenen Nabel, gehört die gemeine K. (in Süddeutschland Föhre, Fahre, in Württemberg Mädelbaum, in Norddeutschland Tanne, Tanger, in der Provinz Preußen und in Kurland Fichte, in der Schweiz Dale, Thäle, sonst auch Forche, Forle, Kienbaum, Tangelbaum, Pinus silvestris L., s. Tafel), einer der wichtigsten Waldbäume, der an offenen Stellen eine Höhe von 25–30 m erreicht. Der Stamm ist je nach dem Boden und dem Schluß gerade und bis hoch hinauf ohne Äste oder niedrig, gekrümmt, geknickt und teilt sich dann schon in geringer Höhe in starke, abstehende Äste. Der untere Teil des Stammes ist mit dicker, längsrissiger Borke bedeckt; nach oben hin geht die Farbe der Rinde durch Rotbraun in leuchtendes Braungelb über, welches den sich sehr leicht und unaufhörlich ablösenden papierdünnen Rindenhäuten angehört. In gutem Schluß wirft die K. sehr hoch hinauf die abgestorbenen Äste ab und bildet nur eine unbedeutende, lockere Krone; in freiem Stande dagegen bekommt sie eine weit ausgreifende, fast kuppelförmig gewölbte und abgestufte und namentlich unter Laubholz eine schirmförmige Krone, die täuschend derjenigen der Pinie gleicht. Junge Kiefern erscheinen spitz eiförmig und erhalten im Mai ein eigentümliches Ansehen, wenn sich die neuen senkrecht stehenden Triebe mit den silberglänzenden Scheiden eben bis zum Erscheinen der Nadeln entwickelt haben. Die Nadeln sind matt blaugrün und je nach der Fruchtbarkeit des Standortes 2,5 bis fast 8 cm lang. Die Blüten sind bisweilen sehr ungleich verteilt, und es gibt Bäume, welche sehr reich an männlichen Blüten sind und dagegen nur wenige weibliche entwickeln. Die erstern enthalten ungemein viel schwefelgelben Blütenstaub, der, in Regenpfützen zusammengeschwemmt, Veranlassung zur Fabel vom Schwefelregen gegeben hat. Die weiblichen Blüten bilden etwa erbsengroße, schmutzig kirschrote Zäpfchen. Die Zapfen sind kegelförmig; stets etwas ungleichseitig; sie reifen im Oktober des zweiten Jahrs, aber erst im März oder April des dritten Jahrs fallen die geflügelten Samen aus. Die Wurzeln dringen ziemlich tief in den Boden ein; der entschieden ausgebildeten Pfahlwurzel gesellen sich später kräftige Seitenwurzeln bei. Die Keimpflanze zeigt 5–6 Keimnadeln, und am ersten, bisweilen auch noch am zweiten und dritten Jahrestrieb stehen die Nadeln einzeln. Die K. wächst in der ersten Hälfte ihres Lebens viel schneller als in der zweiten; vom 50.–80. Lebensjahr wächst sie langsamer, aber gleichmäßig fort und erreicht ein Alter von ca. 300 Jahren. Die K. besitzt unter den europäischen Abietineen den größten Verbreitungsbezirk; sie findet sich vom westlichen Spanien bis an den Amur, von Lappland bis Oberitalien und vom nördlichen Rußland und Westsibirien bis Kleinasien und Persien, nördlich geht sie bis zur Grenze des Baumwuchses. Sie geht in den mitteldeutschen Gebirgen bis 786, in den bayrischen Alpen bis 1600, im Engadin bis 1950, in der Sierra Nevada bis 2100 m. Sie besitzt eine ungemein hohe forstwirtschaftliche Bedeutung: sie bedeckt allein im

[Beilage]

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Kiefern.
1–6 Gemeine Kiefer (Pinus silvestris). 7–9 Knieholzkiefer (Pinus montana). 10–12 Corsische Kiefer (P. maritima). 1, 7, 10 Triebspitze mit männlichen Blütenkätzehen; 2, 8, 11 mit weiblichen Blütenzäpfchen. 3 männlicher, 4 weiblicher Blütenstand. 5, 9, 12 Zapfen. 6 Samenschuppe mit zwei Samen.

[713] nördlichen Deutschland nach mäßigem Überschlag über 21/2 Mill. Hektar Waldfläche, bildet in Süddeutschland einen namhaften Bruchteil der Gesamtbewaldung, herrscht fast absolut im Königreich Polen, im westlichen Rußland, im südlichen Skandinavien und bildet Massenwälder im nördlichen Frankreich, in Belgien, in vielen Teilen von Österreich. Seit 100 Jahren hat sie im mittlern Europa viele früher mit Laubholz bestandene Flächen eingenommen. Unvernünftige Streunutzung, starke Lichtung der Bestände, übertriebene Weide, regellose Wirtschaft überhaupt haben an vielen Orten zu einer Bodenerschöpfung geführt, welche die Nachzucht der anspruchsvollern Laubhölzer unmöglich machte und zum Anbau der genügsamen K. zwang. Dabei empfiehlt sich diese überaus wertvolle Holzart durch raschen Wuchs, hohe Nutzholzausbeute und bedeutenden technischen Gebrauchswert; sie wächst noch auf Blößen, die durch langes Bloßliegen tiefster Bodenverwilderung verfallen sind, und auf Sandböden, die jeder andern Baumkultur spotten. Dabei gestattet die K. die einfachsten Formen des Schlagbetriebs, bei welchen Fläche an Fläche kahl abgetrieben und durch Saat oder Pflanzung wieder angebaut wird. (Vgl. Weise, Ertragstafeln für die K., Berl. 1880.) Keine andre Holzart unterliegt aber den Angriffen so zahlreicher Feinde wie die K., und diese natürlichen Gegner ihrer Massenverbreitung haben sich in erschreckender Progression vermehrt; die ausgedehnten reinen Kiefernbestände, welche seit 100 Jahren auf Kahlflächen angebaut worden sind, bieten den Feinden der K. (Kiefernspinner, Nonne, Kieferneule, Kiefernspanner, großer und kleiner Kiefernrüsselkäfer, große und kleine Kiefernblattwespe, Kiefernmarkkäfer, auch Maikäfer und Maulwurfsgrille, s. Tafel „Waldverderber I u. II“) alle Existenzbedingungen und prädisponieren die einzelnen Baumindividuen von vornherein für ihre zerstörenden Angriffe. Im Naturwald kommt die K. nur auf ganz armem Boden rein vor; überall auf den bessern und mittlern Bodenarten sind die Bestände mit Eichen, Buchen, Birken durchsprengt. In freier Kronenentfaltung streben die herrschenden Stämme empor, und es bildet sich eine reiche Bestrahlungsfläche; Blatt- und Wurzelvermögen entwickeln sich aufs höchste, und widerstandsfähige Gesundheit der Baumentwickelung ist die Folge davon. Dagegen gedeiht in dem auf Kahlflächen angebauten Kunstwald nur die K., die Mischhölzer schwinden. Mit eingepreßten Kronen strebt Stamm neben Stamm gleichberechtigt empor. Blatt- und Wurzelbildung werden auf ein Minimum zurückgedrängt; die Bestände verfallen krankhafter Disposition. Diese Verhältnisse haben in der Neuzeit gerechte Bedenken gegen die Kiefernkahlschlag-Wirtschaft erregt. Man beginnt zu den Schirm- und Samenschlägen zurückzukehren und begründet statt reiner Kiefernbestände überall, wo dies möglich ist, gemischte Bestände. Die gemeine K. trägt auf armem Boden oft schon mit 12–15 Jahren Samen. Ihre normale Samenerzeugung beginnt erst mit dem 40jährigen Alter. Aus 1 hl Zapfen, welches etwa 55 kg wiegt, gewinnt man etwa 1 kg reinen Kornsamen. Zur Pflanzenerziehung rigolt man den Boden und säet pro Ar 11/2–2 kg reinen Kornsamen in Rillen. Die Pflanzen werden zumeist einjährig, höchstens zweijährig in die Bestände gepflanzt. Sie ertragen nur wenige Jahre eine mäßige Beschattung und müssen dann, sollen sie nicht kümmern, frei gestellt werden. Mit Ballen verpflanzt man die jungen Kiefern auch wohl noch vier- bis fünfjährig. Will man einen Kiefernbestand durch Samenschlag verjüngen, so genügen 30–35 Samenbäume pro Hektar dem Zweck vollkommen. Schon im zweiten und dritten Jahr nach erfolgter Besamung werden die Mutterbäume abgetrieben. Das Holz der K. ist weich, grob, etwas glänzend, läßt sich leicht und schön spalten und ist sowohl im Trocknen als im Feuchten von großer Dauerhaftigkeit; es dient sehr allgemein als Nutz- und Brennholz. Die K. liefert auch Harz; die Rinde enthält Gerbsäure und dient zum Gerben; aus den Nadeln gewinnt man Waldwolle und Waldwollöl; die jungen Triebe wurden früher als Blutreinigungsmittel benutzt, in England und Kanada dienen sie bei der Bereitung des Sprossenbiers.

Die Knieholzkiefer (Krummholzkiefer, Sumpfkiefer, Legkiefer, Latsche, Pinus montana Mill., P. Mughus Scop., P. Pumilio Hänke, s. Tafel), ein Strauch mit liegendem, knieförmig aufsteigendem, aber auch aufrechtem Stamm, schwarzgrauer, in dicken Blättern sich lösender Rinde, kurzen, gepaart stehenden Nadeln, aufrecht stehenden weiblichen Blütenzäpfchen und eiförmigen Zapfen, gehört dem Gebirge des südlichen und mittlern Europa an, kommt aber auch in der Ebene vor und zeigt so verschiedene Formen, daß sie von vielen Botanikern in mehrere Arten zerfällt worden ist, während sie von andern nur als Form von P. silvestris betrachtet wird. Jede rauhe Hochlage bis in die Pyrenäen hat ihre Knieholzform, und diese Formen sind oft auf kleine Gebiete beschränkt. Das Knieholz ist bis jetzt selten Gegenstand forstlicher Benutzung und Kultur, bedeckt jedoch in den Alpen bei 1400–2000 m Höhe noch weite Flächen und bildet dort einen energischen Schutz gegen Lawinen und Erdfälle. Man bereitet daraus das Krummholzöl, welches in seiner Beschaffenheit dem Terpentinöl sehr nahe steht und als Volksheilmittel benutzt wird. Das Holz ist sehr dicht und fein, mit sehr schmalen Jahresringen und lebhaft braunrotem Kern und dient zu Drechslerarbeiten und Schnitzereien. Die corsische K. (P. maritima Mill., P. Laricio Poir., s. Tafel), ein sehr schöner, 30–35 m hoher Baum mit grauschwarzem Stamm, in Stücken sich lösender Rinde, sehr rauhen Ästen, pyramidenförmiger, im Alter gewölbter Krone, langen, kräftigen, blaugrünen, stachelspitzigen Nadeln und länglich-eiförmigen, fast sitzenden Zapfen mit braunem, glänzendem, rauten- und pyramidenförmigem Nabel, findet sich von Südspanien bis Kleinasien und vom Wienerwald bis Sizilien, am meisten in Spanien, auf Corsica, in den Apenninen und in Bithynien. Sie wird in Frankreich behufs der Harznutzung kultiviert. Eine interessante Abart ist die Schwarzkiefer (österreichische K., P. austriaca Höss., P. nigricans Host.), mit mehr oder weniger wagerecht in Quirlen abstehenden Hauptästen, breiter Krone, sehr dunkeln, steifen, stechenden Nadeln in fast schwarzen Scheiden, großen, hellen, konischen Zapfen und schwarzer Rinde. Diese Abart wächst in den Österreichischen Alpen, bildet hier sehr große Bestände und gewährt eine einträgliche Harznutzung. Bei Kulturversuchen in Nordfrankreich und Deutschland hat sie den gehegten Erwartungen nicht entsprochen, dagegen ist sie für die Landschaftsgärtnerei sehr empfehlenswert. Die Meerstrandskiefer (Igelföhre, K. von Bordeaux, P. Pinaster Sol., P. maritima Poir., P. Laricio Sav.), ein hoher Baum mit pyramidaler, sich wenig abwölbender Krone, grauschwarzem Stamm, schon früh rauher und gefurchter, im Alter tiefrissiger, dunkelbrauner Rinde, paarweise stehenden, 13–18 cm langen, ziemlich dicken, kurz stachelspitzigen, oft gedrehten, lebhaft grünen Nadeln, [714] meist zu drei stehenden, bis 18 cm langen, sehr kurz gestielten Zapfen mit pyramidenförmigem, mattgrauem Nabel, findet sich im Gebirge (vorzüglich der Küstengebiete) Südeuropas und Algeriens, namentlich im Westen, wo sie ausgedehnte Wälder bildet. In Westfrankreich wird sie besonders auf dürrem Heideboden zur Gewinnung von Terpentin angebaut; in Deutschland gedeiht sie nur am Rhein. Die Aleppokiefer (P. halepensis Mill., s. Tafel „Gerbmaterialien etc.“), ein meist niedrig bleibender, aber sehr breit gebauter Baum mit 8 cm langen, feinen oberseits blaugrünen Nadeln, graubrauner oder schwärzlicher, gefurchter Rinde und deutlich gestielten, schließlich überhängenden Zapfen, die gewöhnlich zu mehreren beisammenstehen, wächst in allen Mittelmeerländern und an der Ostküste des Schwarzen Meers im kaukasischen Gebirge; in Deutschland hält sie schwer oder gar nicht aus. Man gewinnt von der gefällten Aleppokiefer in Algerien und Tunis die von der Borke befreite Innenrinde als Snobarrinde und benutzt sie als Gerbmaterial. In Süditalien schält man, ohne die Innenrinde zu verletzen, nur die Außenrinde ab, die sich wieder erneuert, und benutzt sie als Scorza rossa ebenfalls zum Gerben. Auch in Griechenland (wie schon zur Zeit Theophrasts) und in Frankreich wird die Rinde der Aleppokiefer als Gerbmaterial verwertet.

Zur dritten Gruppe (Taeda Koch), mit zu zwei oder drei stehenden Nadeln, nach der Reife nicht abfallenden Zapfen und steifer, selbst dornartiger Nabelspitze, gehört die amerikanische Terpentinkiefer (P. Taeda L.), in den südöstlichen Staaten Nordamerikas, ein schöner, schlanker, bis 25 m hoher Baum mit schließlich ziemlich tief gefurchter Rinde, zu drei stehenden, dunkelgrünen, 10–16 cm langen, lebhaft grünen Nadeln, zu 2–5 stehenden, eirund-länglichen, etwa 10 cm langen Zapfen. Sie liefert ein sehr harzreiches, dauerhaftes Nutzholz, wird bisweilen bei uns angepflanzt, ist aber für unser Klima sehr empfindlich. Sie wird häufig mit der Pechkiefer (P. rigida Mill.) verwechselt, die sich von Neuengland bis Virginia findet. Die meist in größerer Zahl an den ältern Zweigen sitzenden Zapfen geben dem Baume mit dem am alten Holz büschelförmig stehenden Blättern ein fremdartiges Ansehen. P. australis Mich., welche von Virginia bis Florida dichte Wälder bildet, liefert Terpentin und Bauholz.

Zur vierten Gruppe (Cembra Loud.), mit zu fünf stehenden Nadeln, eirunden, im zweiten Jahr abfallenden Zapfen und nicht oder kaum geflügelten Früchten, gehört die Zürbel- oder Zirbelkiefer (Arve, P. Cembra L., s. Tafel), ein 12–15 m hoher, meist aber niedrigerer Baum mit pyramidenförmiger Krone, auch strauchartig, mit grauschwärzlichem Stamm, gefurchter und rissiger Rinde, fein braunwolligen Zweigen, 8–10 cm langen Nadeln mit zwei bläulichweißen Streifen auf der Unterseite, einzelnen, zu zwei oder drei stehenden, 8 cm langen, schmutzig violetten Zapfen, spitzem, gelblichweißem Nabel und ungeflügelten, eilänglichen, stumpf dreikantigen, großen Nüssen (Zirbelnüssen). Sie findet sich in den Alpen bei 1530–2560 m, in den Karpathen bei 1130–1400 m, im Altai bei 1160–1900 m. Sie bildet in den Deutschen Alpen keinen zusammenhängenden Waldgürtel, sondern tritt nur an einzelnen Stellen massenhaft auf und verschwindet, da für ihre Nachzucht bisher wenig geschehen ist, unter den steten Schädigungen der Jungwüchse durch das Weidevieh mehr und mehr. Das Holz wird von den Älplern zu allerlei Schnitzereien und Hausgerät benutzt. Wegen des fast gänzlich mangelnden Unterschieds zwischen Frühjahrs- und Herbstholz treten die Jahresringe wenig hervor, es ist deshalb sehr fein und gleichmäßig und wird auch zu Resonanzböden gesucht. Die Nüsse werden besonders in Tirol und Rußland gegessen. Als Zierbaum eignet sie sich nur für rauhe Lagen; ihren grotesken Charakter erreicht sie überhaupt erst im hohen Alter.

Zur fünften Gruppe (Strobus Loud.), mit zu fünf, selten zu vier oder sechs stehenden Nadeln, vorherrschend länglichen, herabhängenden Zapfen, wenig entwickeltem Schild und anders gefärbtem, dreieckigem Nabel, gehört die Weymouth- oder Weimutskiefer (P. Strobus L.), ein bis 56 m, bei uns noch über 25 m hoher Baum, in Nordamerika südlich bis zu den Alleghanies, in Georgia und Nordcarolina, mit ziemlich breiter, meist eirunder Krone, schwärzlicher, rissiger, nicht in Stücken sich ablösender Rinde, an der Spitze der Verästelungen ziemlich gedrängt stehenden, 8–10 cm langen, sehr dünnen, aber steifen, in der Jugend blau-, später mattgrünen Nadeln und länglich walzenförmigen, etwas gekrümmten, kaum harzigen, 15–18 cm langen Zapfen mit etwas hellerm Schilde. Die Weimutskiefer wurde 1705 in Europa bekannt und durch Lord Weymouth eifrig empfohlen. Sie hat jedoch den Erwartungen wenig entsprochen. Sie liefert in Amerika vortreffliches, bei uns aber ein schwammiges Holz von geringem Nutz- und Brennwert, wird jedoch noch jetzt als Mischholz in Nadel- und Laubholzbeständen sowie auf ganz armem Sandboden zur Bindung und Deckung desselben hier und da angebaut. Ihre Kultur erfolgt leicht durch Saat und Pflanzung, wie bei der gemeinen K. Als Zierbaum ist sie in Parken und Gärten weit verbreitet. Die Lambertskiefer (P. Lambertiana Dougl.), auf der Nordwestseite Nordamerikas vom Columbiafluß bis Mexiko, mit eirunder Krone, schwach rissiger, graubräunlicher, oben rötlicher Rinde, 8–13 cm langen, ziemlich steifen, dunkelgrünen Nadeln, einzeln stehenden und über 30 cm langen, dunkelbraunen Zapfen, wird über 60 m hoch und schließt sich somit den andern Baumriesen Kaliforniens an. Bei uns gedeiht sie nur am Rhein.

Kiefer, Friedrich, Abgeordneter, geb. 14. Jan. 1830 zu Mappach im badischen Oberland, besuchte das Lyceum zu Freiburg i. Br., studierte 1850–54 die Rechte in Heidelberg, trat dann in den Staatsjustizdienst, ward 1864 Staatsanwalt in Offenburg, 1867 Ministerialrat im Justizministerium, 1868 infolge eines damals zwischen der nationalliberalen Partei und der Regierung ausgebrochenen Konflikts als Geheimer Regierungsrat zur Generaldirektion der Verkehrsanstalten versetzt, nahm deswegen seine Entlassung aus dem Staatsdienst und ließ sich als Rechtsanwalt in Offenburg nieder. 1870 ward er zum Oberstaatsanwalt am Kreis- und Hofgericht in Mannheim, 1880 zum Landgerichtsdirektor in Freiburg und 1885 zum Landgerichtspräsidenten in Konstanz ernannt. K. ist seit 1865 ununterbrochen Mitglied der badischen Zweiten Kammer, seit 1875 auch Vizepräsident derselben, 1871–74 und 1877–84 Mitglied des deutschen Reichstags. Er ist einer der beredtesten und verdienstvollsten Führer der nationalliberalen Partei in Baden.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 476477
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[476] Kiefer (Pinus silvestris). Verbreitung. Dieser in Deutschland als einheimisch und verbreitet bekannte Waldbaum wird von dänischen Forschern als eingeführte Forstpflanze betrachtet, und es fragt sich daher, wo die Grenze seiner natürlichen Verbreitung [477] in Norddeutschland liegt. Auf Grund eingehender botanischer, linguistischer und historischer Studien hat neuerdings Krause diese Frage zu einem gewissen Abschluß gebracht. Vorwiegend tritt die gegenwärtig in Irland, England, dem französischen Tiefland, Belgien, Holland und Dänemark nicht einheimische K. innerhalb Deutschlands längs einer im allgemeinen ostwestlichen Linie auf, welche die Stromgebiete der Weichsel, Netze, Warthe, Spree, Havel, Elbe, Aller und Weser verbindet; eine Einwanderung in dieser Richtung erscheint jedoch ausgeschlossen, da sie auch im Norden (Skandinavien, Schottland) und in höhern mittel- und südeuropäischen Gebirgen vorkommt; vielmehr scheint ihr Vorherrschen längs jener Linie nur durch die sandige Bodenbeschaffenheit der betreffenden Gebiete bedingt zu sein, welche dem Baume besonders zusagt. Nicht einheimisch ist sie in Rügen, wo sie nachweislich nur angepflanzt vorkommt; auch fehlt sie im NW. der Linie Lübeck-Geesthacht-Harburg-Bremen-Meppen; längs des Südrandes des nordwestdeutschen Tieflandes im W. der Elbe hat sie eine Südwestgrenze und tritt jenseit derselben nur in Gebirgsgegenden, z. B. in den Vogesen, dem Schwarzwald etc., auf; der Verlauf der Vegetationslinie in Sachsen und Schlesien bleibt zweifelhaft. Es ergibt sich weiter, daß sie im N. der Elbe nicht über die Linie Rostock-Schwaan-Güstrow-Wittenburg-Geesthacht hinausgeht und sich hier ziemlich genau an die Verbreitung der Kartäusernelke, dieser Charakterpflanze des märkischen und pommerschen Kieferngebiets, hält. In Holstein wurde sie urkundlich im J. 1580 durch den Grafen Heinrich von Ranzau eingeführt. In Nordwestdeutschland wuchsen an den Flußmündungen und deren Hinterland nach Plinius vorwiegend Eichen; auch die noch im Mittelalter reichlich bewaldete Lüneburger Heide, die Umgebungen von Braunschweig, Detmold u. a. besaßen nach urkundlichen Quellen nur Laubholz, dagegen ist die K. auf dem Oberharz für das Jahr 1496 als einheimisch nachweisbar. Von besonderer Bedeutung erscheint es ferner, daß die K. in Mooren von Nordwestdeutschland, Rügen, Schleswig-Holstein, Dänemark, England und Irland in subfossilem Zustand gefunden worden ist, und daß also die gegenwärtige Lücke ihres Verbreitungsgebiets während älterer postglazialer Perioden nicht bestanden hat. Gleichzeitig weist ihr gegenwärtigs Fehlen in den genannten Gebieten auf einen während der Postglazialzeit eingetretenen Wechsel des Klimas hin, der sich auch aus andern Erscheinungen als wahrscheinlich ergibt (s. Moorbildung). Vgl. Krause, Beitrag zur Kenntnis der K. in Norddeutschland (in Englers „Botanischen Jahrbüchern“, Bd. 11)[WS 1]; Schwappach, Wachstum und Ertrag normaler Kiefernbestände in der Norddeutschen Tiefebene (Berl. 1889)[WS 2].

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Ernst H. L. Krause: Beitrag zur Kenntnis der Verbreitung der Kiefer in Norddeutschland. In: Botanische Jahrbücher für Systematik, Pflanzengeschichte und Pflanzengeographie, Band 11 (1890), S. 123–133 Google
  2. Adam Schwappach: Wachsthum und Ertrag normaler Kiefernbestände in der norddeutschen Tiefebene. Berlin 1889 Google