Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kiebitz“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 711
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Kiebitz. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 711. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kiebitz (Version vom 24.02.2023)

[711] Kiebitz (Vanellus L.), Gattung aus der Ordnung der Watvögel und der Familie der Regenpfeifer (Charadriidae), schlank gebaute Vögel mit kurzem Hals, großem Kopf, aufrichtbarer Holle, mittellangem, schlankem, auf der Firste flach gerundetem, vorn bauchig gewölbtem Schnabel, stumpfen Flügeln, geradem Schwanz und mittellangen, vierzehigen Füßen. Der gemeine K. (Geißvogel, Vanellus cristatus Meyer, s. Tafel „Watvögel I“) ist 34 cm lang, 70 cm breit. Oberkopf, Vorderhals, Oberbrust, die aus langen, schmalen Federn gebildete Holle auf dem Kopf und die Hälfte des Schwanzes sind schwarz, die Federn des Mantels dunkelgrün, die Halsseite, die Unterbrust, der Bauch und die hintere Hälfte der Schwanzfedern weiß, das Auge ist braun, der Schnabel schwarz, der Fuß dunkelrot. Das Weibchen hat einen schwarz und weiß gefleckten Vorderhals. Der K. findet sich überall in der Alten Welt vom 61.° nördl. Br. bis Nordindien und Nordafrika, am häufigsten in Holland; bei uns erscheint er im ersten Frühjahr und weilt bis September. Dem großen Wanderheer ziehen stets einzelne Vögel voraus. Er bewohnt sumpfige Wiesen, ist ungemein lebhaft und beweglich, läuft zierlich und behend, fliegt vortrefflich und mit den mannigfaltigsten Wendungen, spielt beim Gehen und Fliegen beständig mit seiner Holle und läßt seine Stimme fleißig ertönen. Der K. zeigt große geistige Begabung und eine unermüdliche Wachsamkeit, durch welche er auch andre Vögel schützt und den Jägern verhaßt wird. Er nährt sich von Regenwürmern, Insektenlarven, Schnecken etc. und trinkt und badet mehrmals am Tag. Er nistet in seichten Vertiefungen auf Wiesen, feuchten Äckern, legt Ende März oder Anfang April vier große, birnförmige, matt olivengrüne oder bräunliche, dunkel punktierte Eier (s. Tafel „Eier II“, Fig. 8) und verteidigt diese und die Jungen mit größter Kühnheit. Das Weibchen zeitigt die Eier in 16 Tagen. In der Gefangenschaft hält er sich sehr gut; sein Fleisch ist unschmackhaft, wird aber in Südeuropa gegessen. Bei uns bilden die Eier eine Delikatesse, doch stammen die „Kiebitzeier“ des Handels nur zum kleinern Teil vom K. her. Sie werden hart gekocht, wobei das Eiweiß durchsichtig bleibt. Als Surrogate gehen die sehr schmackhaften Lachmöwen- und andre Möweneier, auch wohl Krähen- und Teichhuhneier. Auch die Eier des Goldregenpfeifers, des Rotschenkels, des Kampfhahns, der Bekassine und Avocette kommen gelegentlich als Kiebitzeier auf den Markt. Jung eingefangene Kiebitze werden zahm und zutraulich.