Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kegelspiel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 652
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Kegelspiel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 652. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kegelspiel (Version vom 08.04.2023)

[652] Kegelspiel (Kegelschieben, Kegeln), bekanntes Spiel, das mit mannigfachen Abänderungen gespielt wird. Die Kegelbahn besteht aus einer 1,5–2,5 m breiten, 12–20 m langen, ganz ebenen und horizontalen Bahn, welche früher ganz allgemein nur mit Lehm oder Thon belegt und mit feinem Sand oder besser mit einer festgestampften Mischung von Blut und Hammerschlag aufgefüllt war, jetzt aber bei allen bessern Anlagen mit Zement, Asphalt oder Marmorplatten gedeckt wird. Am Anfang der Bahn ist ein etwa 2 m langes Brett in dieselbe eingelassen; es gibt aber auch Bahnen, wo dieses Mittelbrett ganz hinausführt, und solche, die ganz mit Bohlen, Eisen oder Marmor belegt sind. An beiden Seiten ist die Bahn längshin mit emporstehenden Brettern (Banden) eingefaßt, und soll sie sich gut trocken und gleich erhalten, so muß sie überbaut sein. Die Kegel, in der Regel neun an der Zahl (an manchen Orten wird aber auch mit mehr, so in Schlesien oft mit 15 und 17 Kegeln gespielt), kommen am Ende der Bahn auf eine eingelassene, starke hölzerne (auch blecherne) Unterlage (Kreuz, Leg) so zu stehen, daß drei Kegel hintereinander, deren mittelster, durch Größe und Form etwas ausgezeichneter, der König heißt, dem Spieler entgegen die Mittelreihe bilden; rechts und links von diesen stehen zwei, dann ein Kegel. Nach ihnen wird mit harthölzernen, 10–20 cm im Durchmesser haltenden Kugeln geschoben, die auf einer auf der Seite der Bahn nach dem Spieler zu abwärts laufenden Rinne wieder zurückbefördert werden. Hier und da hat man noch Kugeln im Gebrauch, welche zur Aufnahme der Finger des Spielers mit Löchern versehen sind; es handelt sich dann mehr um ein Kegelwerfen als Kegelschieben. Die bekanntesten Spiele sind: das deutsche Kegeln oder Brettspiel, das damit verwandte Hamburgern, das Partens, das Lübeckern und die Poule. Beim deutschen K., einer vorwiegend im nördlichen Deutschland üblichen Spielart, macht jeder Spieler hintereinander 2–3 Würfe, deren Points ihm von einem für jeden festgesetzten Stamm (100) abgerechnet werden. Eine solche Partie endet, wenn sämtliche Stämme durch die Summe der in den gemachten Würfen gezählten Points ausgeglichen sind. Beim Hamburgern teilen sich sämtliche Spieler in zwei Parteien; die Partei, welche bei einer Runde die höchste Zahl erreicht, gewinnt auch die von der Gegenpartei gemachten Points. Bei dem in Mittel- und Süddeutschland gebräuchlichen Partens wird nicht wieder aufgestellt, bis alle Kegel gefallen sind; wird in zwei Parteien gespielt, so geschieht dies gleichfalls nicht, und jede Partei thut ihre sämtlichen Würfe nacheinander, bis alle gefallen sind oder eins der Honneurs, Hamburg (die drei mittelsten Kegel), Kranz oder große Schur (acht um den König), kleine Schur (die acht vordersten oder hintersten Kegel), geschoben ist. Hier darf angebandet werden, wenn nicht mehr alle Kegel stehen, und die Spieler können in beliebiger Reihenfolge schieben. Ähnlich ist das Lübeckern, nur wirft hier jeder Spieler auf eigne Rechnung. Bei Kegelpoule zahlt jeder Spieler einen Satz in den Stamm, wirft der zweite Spieler mehr als der erste, so bekommt dieser einen Strich, umgekehrt bekommt er den Strich selber. Man spielt um eine bestimmte Anzahl von Strichen, wer diese erreicht, ist tot. Wer überbleibt, gewinnt die Einsätze. In den Vereinigten Staaten spielt man (angeblich weil die Frömmler in der 9 ein Verletzung der heiligen Dreizahl sehen) mit 10 gleichen Kegeln, welche in einem Dreieck aufgestellt werden, dessen Spitze dem Spieler zugekehrt

Grundriß der Rundkegelbahn.

ist. Die neuerlich konstruierte Rundkegelbahn ist von hufeisenförmiger Bauart, wobei Aufsetzbohle u. Auftritt a (s. Figur) dem Kegelbrett b gegenüberliegen, und besteht ganz aus Holz. Der Kurzschuh besteht aus einem ca. 0,6–1,5 m langen Brett mit Seitenrändern, entweder schmal, nach Art der gewöhnlichen Kegelbahn, wo dann die kleinen Kegel an dem einen Ende stehen, die Kugel von dem andern Ende mit einem Queue hinausgeschoben wird und im ganzen die Regeln des gewöhnlichen Kegelspiels gelten; oder das Brett ist breiter, nach oben etwas aufsteigend, oben halbrund, an der Seite läuft die Bahn, die oben sich öffnet, mehr gegen die Mitte herab stehen die Kegel. Die Kugel wird auf der einen Seite der Bahn mit einem Queue hinausgestoßen und muß von hinten in die Kegel hineinfallen. Von dieser zweiten Art gibt es sehr verschiedene Veränderungen und danach sehr verschiedene Regeln, die gemeiniglich in besondern Anweisungen zum Gebrauch des resp. Bretts enthalten oder auf dem Brett selbst bemerkt sind. Bei dem K. mit hängender Kugel, in Gärten etc., ist die Kugel mit Schnur an einem Galgen in solcher Höhe über dem Leg aufgehangen, daß sie die Kegel gerade berührt. Sie wird seitwärts um die Kegel geworfen und fällt von hinten in dieselben hinein. – Das K. ist wahrscheinlich germanischen Ursprungs (althochdeutsch chegil) und aus der Sitte des Steinwerfens nach beliebigem Ziel hervorgegangen. Die Unterhaltung der Freier Penelopes in der Odyssee, welche Voß mit „Steineschieben“ übersetzt, darf wohl nicht als ein K. gedeutet werden, da die spätere reiche Litteratur der Hellenen das Kegeln nicht kennt. Die erste deutliche Beschreibung eines Kegelspiels finden wir im „Renner“ des Hugo v. Trimberg (Rektors am Kollegiatstift zu Bamberg innerhalb der Zeit von 1260 bis 1309). Damals benutzte man nur drei Kegel. Zu Anfang des 16. Jahrh. schrieb Murner das allegorische Gedicht: „Kögelspil gebracttiziert ausz dem yeczigen zwytracht des glaubens, 1522“, woraus auf allgemeine Verbreitung des Kegelns geschlossen werden darf. Von Deutschland aus muß das Spiel frühzeitig nach Frankreich, den Niederlanden und nach England gekommen sein. In Frankreich wurde es 1370 von Karl V. untersagt. In England bediente man sich anfangs nicht der Kugeln, sondern eines Wurfstocks (club-kayles); die Zahl der Kegel war daselbst sehr verschieden. Vgl. Rothe, Das K., kulturhistorische etc. Studien (Halle 1879).