Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Karst“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 562563
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Karst. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 562–563. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Karst (Version vom 01.12.2022)

[562] Karst, Handgerät zum Umbrechen des Acker- und Gartenbodens, aus einer zwei- oder dreizinkigen Hacke bestehend. Die Zinken sind 18–20 cm und darüber lang, 1–2,5 cm breit und haben unten eine spitzige Schärfe. Oben, wo die Zinken zusammenlaufen, befindet sich ein Öhr, in welches der etwa 1 m lange Stiel befestigt wird. Bei der Arbeit haut man mit dem K. schräg in die Erde hinein, reißt die von den Zinken gefaßte Scholle los und legt sie um. Der K. dient auch zur Vertilgung der Quecken, zum Umreißen eines berasten Bodens, zur Umarbeitung eines sehr steinigen, steilen, abhängigen oder unebenen Landes. Der schwersten Karste bedient man sich bei Bearbeitung der Weinberge.

Karst (ital. Carso), Gebirge im österreich.[WS 1] Küstenland, welches sich an die Triglawgruppe der südöstlichen (Julischen) Alpen anschließt. Im weitern Sinn bezeichnet man als K. (Karstgebirge, Karstland) eine gewisse Ausbildungsform der Oberfläche eines Gebirges, deren charakteristische Merkmale die plateauartige Gestaltung des Gebirges im großen und das Vorherrschen jüngerer Kalkformationen, wie Kreide und Nummulitenkalk, bilden. Das Karstland kennzeichnet sich durch Unfruchtbarkeit; es stellt im ganzen, namentlich an den Küstenstrichen längs der Adria, eine öde, weißgraue, grobfelsige, waldlose Wüste dar. Diese Unfruchtbarkeit ist aber keine ursprüngliche, wie dies die in grünem Schmuck prangenden Karstdistrikte des höhern Binnenlandes jetzt noch zeigen. Sie ist vielmehr die Folge der Waldverwüstung, die hier wahrscheinlich schon von den ersten Ansiedlern, dann von den Römern und Venezianern betrieben wurde und auch gegenwärtig nicht ganz aufgehört hat. In neuester Zeit wurden wohl energischere Versuche gemacht, die Zerstörung der Wälder aufzuhalten, und auch mit der Wiederaufforstung einzelner Karstflächen begonnen, doch können die bisherigen Resultate noch immer nicht als befriedigende bezeichnet werden. Der K. im weitern Sinn bildet ein in großen Stufen angeordnetes Terrassenland, das von vielgestaltigen zerrissenen, oft äußerst wilden Bergreihen und Kalkstöcken sowie von allerlei Kesselthälern und Löchern durchzogen ist, wobei gewöhnlich Höhenzüge aus eocänem Sandstein die Übergänge von einer Stufe zur andern vermitteln. Die Kesselthäler sind nicht selten von 350–500 m hohen Kalkwänden eingefaßt und von Bächen oder kleinen Flüssen bewässert, die aus einer Höhle austreten und nach kurzem Lauf wieder in einer Höhle verschwinden. Fehlt eine solche Abflußöffnung, dann sind diese Thäler versumpft. Sie werden von den Slawen Dolinen und bei größerer Ausdehnung Poljen (d. h. Felder) genannt. Auf ihrer Bodenfläche hat sich fruchtbare Erde angesammelt. Zuweilen, besonders dort, wo die Hochflächen ebener sind, ist der Boden von dicht aneinander gereihten, meist regelmäßigen, kreisrunden Löchern durchwühlt, die zum Teil mit Alluvium ausgefüllt sind, zum Teil aber sich in unbekannte Tiefen fortsetzen. Viele sind von Schwärmen der Höhlentaube bewohnt, weshalb man sie Taubenlöcher, auch Karstlöcher nennt. Charakteristisch für das Karstland ist sein Reichtum an Höhlen, darunter die berühmte Adelsberger Grotte, die Magdalenengrotte, Poikhöhle, die Höhle von Planina, die fünf Lueger Grotten mit dem Höhlenschloß, die Höhle von Corgnale, die Höhlen der Reka etc. Der größte Teil des Karstes gehört der Kreideformation an; nur einzelne Gebirgsstreifen bestehen aus Jurakalk. Die Trias ist insbesondere in dem zu den Dinarischen Alpen gehörigen Velebit und der Kapela vertreten. Von Wichtigkeit ist die thonige, eisenschüssige, daher rote Erde, welche die Karstklüfte und Mulden erfüllt und bei genügender Feuchtigkeit dem Ackerbau und Holzwuchs günstig ist. Die eigentümlichen Reliefformen des Karstes sind nur an die weitreichende Verbreitung des Kalkes und an die bedeutende Erosionsfähigkeit des letztern gebunden. Unter den mineralischen Naturschätzen des Karstes hat das Quecksilber (Gruben von Idria) die größte Bedeutung; außerdem finden sich noch Braunkohlen in Krain, Istrien und Dalmatien und in letzterm Land auch Asphalt.

Das Karstland erstreckt sich, von der Idria und obern Laibach angefangen, bis in die Balkanhalbinsel hinein und hat in der Herzegowina, in Montenegro, bei Cattaro und in einigen Teilen Albaniens seine wildeste Gestalt. Zum Meer hin fällt der K. in Steilwänden ab und setzt sich in den zahlreichen vorgelagerten Inseln fort. Unter den Höhenrücken des Karstes treten in Österreich besonders zwei Züge hervor. Der nördliche Zug, eine einzige Hochterrasse, besteht aus drei Teilen: dem Tarnovaner Wald, einer meist bewaldeten Hochfläche zwischen den Flüssen Isonzo, Wippach und Idrizza, mit dem höchsten Gipfel Mrsawez (1406 m hoch); dem Birnbaumer Wald, südöstlich vom erstern, teils öde, teils bewaldet, im Nanos 1299 m, in der Piukaplanina mit dem Javornik 1266 m, im Krainer Schneeberg zu 1796 m ansteigend, und den Hochflächen der Windischen Mark, darunter der Hornwald mit dem 1099 m hohen Hornbühel. Der südliche, niedrigere Zug ist der eigentliche K., welcher südlich an den Triester Meerbusen grenzt, gegen welchen er mit einem 350 m hohen Abhang steil herabstürzt, und auf seiner vegetationsarmen Hochfläche Erhebungen bis 1024 m (Slounik) hat. Im SO. schließt sich an denselben der nach den Bewohnern (Tschitschen) benannte Tschitschenboden, der die Halbinsel Istrien füllt, im steil ansteigenden Monte Maggiore seine größte Höhe mit 1394 m erreicht und sich in Cherso, Osero etc. insularisch fortsetzt. Östlich vom Tschitschenboden dehnt sich noch 50 km weit der Liburnische oder Kroatische K. aus, eine kahle, unebene Platte (Risnjak 1526 m), an welche sich die Kapela (bis 1533 m), Plisevica (1649 m), der Velebit (Sveto Brdo 1753 m) und der Dalmatinische K. oder die Dinarischen Alpen (bis 1898 m) anschließen. Als nördliche Vorlage des Karstes erstreckt sich gegen das rechte Saveufer das Uskokengebirge (St. Geraberg 1175 m). Die eigentümliche Bodenbeschaffenheit hat, wie erwähnt, auch auffällige Bewässerungsverhältnisse zur Folge; die atmosphärischen Niederschläge müssen sich entweder in Lachen und kleinen Seen an der Oberfläche sammeln oder noch häufiger durch die Spalten und Klüfte in große Tiefen hinabsinken, ein Schicksal, [563] das auch die wenigen Bäche und Flüßchen trifft, deren Bildung der Boden gestattet hat. Sie verlieren sich in einer Höhle, fließen eine Strecke unter der Erde und kommen in viel geringerer Höhe wieder zu Tage. Bei einigen wiederholt sich dieser Vorgang sogar mehrmals, und der neu hervorkommende Fluß erhält dann gewöhnlich auch einen neuen Namen (z. B. Poik – Unz – Laibach, Temenitz – Pretschna etc.). Alle diese Gewässer werden unter der Erde durch das überall hinabdringende atmosphärische Wasser allmählich verstärkt und brechen schließlich oft mit großer Wasserfülle hervor. Der bedeutendste dieser Karstflüsse ist der nach S. strömende Timavo, dessen Oberlauf die Reka ist. Unter den Seen im Karstgebiet ist der Zirknitzer See (s. d.) seines periodischen Steigens und Fallens wegen der berühmteste; bekannt sind auch die 13 Plitvicaseen in Kroatien. Das Klima ist auf der Höhe des Karstes trotz der südlichen Lage durch den Einfluß kalter Luftströmungen rauh; Sommer und Winter sind trocken, während Frühjahrs- und Herbstregen vorherrschen. Von den Winden ist der kalte Nordostwind, die Bora, wegen ihrer verheerenden Gewalt gefürchtet. Vgl. Schmidl, Zur Höhlenkunde des Karstes (Wien 1854); Wessely, Das Karstgebiet Militärkroatiens und die Karstfrage (Agram 1877); E. Reyer, Studien über das Karstrelief („Mitteilungen der k. k. Geographischen Gesellschaft“, Wien 1881); v. Mojsisovics, Zur Geologie der Karsterscheinungen („Zeitschrift des Deutschen und Österreich. Alpenvereins“, 1880); v. Guttenberg, Die forstlichen Verhältnisse des Karstes (Triest 1882).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: österrreich.