Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Karsch“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 561
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Karsch. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 561. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Karsch (Version vom 01.12.2022)

[561] Karsch, Anna Luise, Dichterin, gewöhnlich unter dem Namen „die Karschin“ angeführt, geb. 1. Dez. 1722 auf dem Meierhof Hammer bei Schwiebus an der schlesischen Grenze, wo ihr Vater Dürbach eine Schenkwirtschaft betrieb, brachte in ihrer frühen Jugend einige Jahre bei Verwandten in einem kleinen Städtchen zu und diente sodann in ihrer Heimat als Hirtin. Ihre erste Ehe mit Hirsekorn, einem Tuchweber in Schwiebus, war sehr unglücklich und wurde nach elf Jahren getrennt; auch eine zweite Verbindung mit dem Schneider K., einem Trunkenbold, brachte ihr nur Elend. Gelegenheitsgedichte, die sie auf Verlangen mit erstaunlicher Schnelligkeit verfaßte, erwarben ihr die Gunst des Barons v. Kottwitz; dieser brachte sie 1761 nach Berlin und führte sie daselbst als ein ungewöhnliches Naturtalent in den Kreis der Denker und Schöngeister Sulzer, Hagedorn, Gleim, Mendelssohn, Lessing ein. Ihre poetische Ader schien unerschöpflich und ergoß sich über alle möglichen Gegenstände. Zugleich aber auch hoffärtig geworden, gelangte sie trotz der bedeutenden Unterstützungen seitens ihrer Freunde zu Berlin, Halberstadt, Magdeburg, wo sie sich abwechselnd aufhielt, und des ansehnlichen Honorars von 2000 Thlr. für die Herausgabe ihrer Gedichte (Berl. 1764) nie in eine sorgenfreie Lage und belästigte ihre Gönner fortwährend mit Gesuchen um Geld. Friedrich Wilhelm II. ließ ihr nach seiner Thronbesteigung ein Haus bauen. Sie starb 12. Okt. 1791. Die frühsten dichterischen Versuche der K. tragen das Gepräge einer lebhaften Phantasie und eines feurigen Gefühls; was sie später, seit ihrer Einführung in die hohen Zirkel, dichtete, ist meist fade Lobhudelei und gewöhnliche Reimerei. K. war die Mutter der Karoline Luise v. Klencke (geb. 1754 zu Fraustadt, gest. 21. Sept. 1812 in Berlin), die außer eignen Dichtungen auch die „Gedichte“ der Mutter mit deren Biographie (2. Aufl., Berl. 1796) herausgab, und Großmutter der Schriftstellerin Helmina v. Chézy (s. d.). H. Klencke behandelte ihr Leben in einem Roman (1853). Vgl. Kohut, Die deutsche Sappho, A. L. Karschin (Dresd. 1887).