Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Karneădes“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 548
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Karneădes. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 548. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Karne%C4%83des (Version vom 07.04.2022)

[548] Karneădes, griech. Philosoph, nach Ciceros Angabe Gründer der sogen. dritten Akademie, war 214 v. Chr. zu Kyrene in Afrika geboren und starb als Vorstand der Schule Platons 129 in Athen. Im J. 156 zugleich mit dem Stoiker Diogenes und dem Peripatetiker Kritolaos nach Rom gesandt, um Milderung einer Athen auferlegten Geldstrafe zu erwirken, glänzte K. daselbst durch seine hinreißende Beredsamkeit, welche ihn in den Stand gesetzt haben soll, jedes ihm aufgegebene Thema gleich gut wie dessen Gegenteil zu erweisen. Seit jener Zeit begann in Rom das Studium der griechischen Philosophie, Dialektik und Rhetorik. Seine Lehre kennt man nur durch Diogenes Laertius, Cicero u. a. Wenn die Philosophen der Akademie seit Arkesilaos ihr Zweifelsystem besonders gegen die stoische Dialektik richteten und auf bescheidene Einschränkung der Vernunft drangen, welche nur Wahrscheinlichkeit angeben könne, so bestimmte K. die Gesetze und drei Stufen der Wahrscheinlichkeit genauer. Die stoische Lehre von der Gottheit bekämpfte er, stritt überhaupt eifrig gegen den Anthropomorphismus. In der Moral stellte er gegen die Stoiker den Satz auf, daß das höchste Gut in der Befriedigung des natürlichen Triebes liege, und setzte, obgleich ein eigentliches Naturrecht leugnend, der bürgerlichen Gerechtigkeit (Klugheit) die natürliche (Sittlichkeit) entgegen.