Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kapelle“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 479480
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Kapelle. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 479–480. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kapelle (Version vom 23.07.2021)

[479] Kapelle (mittellat. Capella, franz. Chapelle, v. lat. capa, „den Kopf mitbedeckender Mantel, Kappe“), ursprünglich ein kleines, zur Aufbewahrung einer Reliquie etc. bestimmtes kirchliches Gebäude; später im Gegensatz zur Pfarrkirche jede kleinere Kirche, die entweder für sich abgesondert, z. B. auf Kirchhöfen, außerhalb der Städte, an Landstraßen etc., oder in Privatgebäuden angebracht und zur Vollziehung gewisser gottesdienstlicher Handlungen bestimmt ist. Besonders waren innerhalb der Burgen und königlichen Paläste dergleichen Kapellen zur Privatandacht der Burgherren und fürstlichen Familien eingerichtet. Außer diesen für sich stehenden Kapellen gibt es solche, welche mit einer Hauptkirche verbunden und neben, in oder unter derselben, bez. dem Chor gelegen sind. Dies die sogen. Krypten. Der Chorumgang gotischer Kirchen ist oft mit einem Kapellenkranz umgeben. Im spätgotischen Stil, als man die Strebepfeiler nicht mehr nach dem Äußern, sondern nach dem Innern des Gotteshauses vorspringen ließ, bildeten sich naturgemäß an den Seiten der Nebenschiffe Kapellenreihen. Auch die Kirchenbaukunst der Renaissance liebte diese Nebenschiffkapellen, die gewöhnlich ihren besondern Altar haben und je einem besondern Heiligen gewidmet sind. Der Aufseher einer K. oder der in ihr fungierende Geistliche hieß Kapellan (s. Kaplan). – K. wird auch ein ständiger besoldeter Kirchenchor oder ein Orchester genannt. Die ältesten derartigen Kapellen sind die Vokalkapellen, besonders die päpstliche K. zu Rom (ähnliche Institute sind Chapels royal in London, die Hofkapelle in München, der Domchor in Berlin etc.); da die ältern Kirchenkompositionen (bis gegen das 17. Jahrh.) nur für Singstimmen ohne jede Instrumentalbegleitung geschrieben waren, so erhielt in der Folge die Benennung a cappella (Kapellstil) den Sinn von Vokalmusik ohne Begleitung. Die im 17. Jahrh. mit dem Aufkommen der reinen Instrumentalmusik und begleiteten Gesangsmusik in großer Zahl entstehenden kleinen Orchester der Fürstenhöfe wurden aber ebenfalls Kapellen genannt, so daß man heute bei dem Wort K. in erster Linie an eine Instrumentalkapelle denkt. An der Spitze einer K. steht der Kapellmeister.

Kapelle (franz. Coupelle, v. lat. cupella, „kleines Gefäß“), in der Technik ein gußeiserner Kessel mit halbkugelförmigem [480] Boden, oben mit horizontal auswärts gebogenem Rand und mit einem seitlichen Ausschnitt, wird in einen Ofen (Kapellenofen) eingesetzt und dient zur Aufnahme von Schalen, Kolben, Retorten (für den Hals der letztern ist der Ausschnitt bestimmt), welche, in trocknen Sand gebettet, andauernd und gleichmäßig erhitzt werden sollen. K. heißt auch ein aus Knochenasche oder ausgelaugter Asche (Kapellenasche) geschlagenes tiegelförmiges Schmelzgefäß der Probierer, auf welchem silberhaltiges Blei unter Luftzutritt in Schmelzhitze erhalten (abgetrieben, kapelliert, kupelliert) wird. Dabei oxydiert sich das Blei, und das geschmolzene Bleioxyd wird von der porösen Kapellenmasse eingesogen, während das nicht oxydierte Silber auf dem Boden des Gefäßes als Kügelchen (Korn) zurückbleibt. Eine geringe Menge Silber geht mit dem Bleioxyd in die K. (Kapellenzug). Beim Silberfeinbrennen heißen die mit Mergel, Äscher, Knochenasche ausgeschlagenen Eisenschalen Teste, auch wohl Kapellen.