MKL1888:Kanzōne
[478] Kanzōne (ital. Canzóna, „Lied“), eine lyrische Dichtform, die, zwischen dem Lied und der Ode gleichsam in der Mitte stehend, vorzugsweise zum Ausdruck ernster und schwermütiger Betrachtung bestimmt ist. Sie besteht aus mehreren längern gleichgebauten Strophen, auf welche eine kürzere Schlußstrophe folgt. Bestehen die gleichgebauten Strophen aus [479] mehr als zehn Versen, so zerfällt die Strophe in zwei Teile: die Füße und den Schweif. Erstere bestehen aus zwei gleichgebauten Abschnitten, die untereinander reimen; der letztere enthält mehr Reime, die sich umschlingen oder kreuzen, und ist mit den erstern dadurch in metrische Verbindung gesetzt, daß sein erster Vers mit dem letzten der Füße reimt. In der kürzern Schlußstrophe findet ebenfalls die Form der Umschlingung und Kreuzung der Reime statt. Die Zahl der Verse, aus denen die Strophe besteht, ist unbestimmt; in der Regel wechseln fünf- mit dreifüßigen Iamben ab. Die K. stammt von den provençalischen Troubadouren her, erhielt aber erst in Italien, namentlich durch Dante und Petrarca, ihre mustergültige Ausbildung. In Deutschland dichteten Kanzonen außer den Romantikern (Schlegel etc.) Platen, Rückert, Zedlitz („Totenkränze“), Bechstein („Luther“), K. Förster, Dingelstedt, M. Waldau u. a. – In der Musik bezeichnete man mit K. im 15.–16. Jahrh. vorzugsweise weltliche mehrstimmige Gesänge von volksmäßiger Faktur, daher Canzoni napoletani, siciliani, francesi etc. unterschieden werden (entsprechend den deutschen „Liedern“ [Frische teutsche Liedlein, Gassenhäwerlin, Reuterliedlein etc.] und den Chansons der Franzosen). Zur Gattung der Kanzonen gehören auch die Villoten und Villanellen, nur daß bei diesen die Setzart noch einfacher ist.