MKL1888:Kakaobaum
[372] Kakaobaum (Theobrōma L.), Gattung aus der Familie der Sterkuliaceen, Bäume mit abwechselnden, großen, ungeteilten, oblongen Blättern, seiten-, achsel- oder endständigen Blütenbüscheln oder einzelnen Blüten und großer, lederartig holziger, eiförmiger oder eilänglicher, gerippter oder kantiger, fünf-, zuletzt einfächeriger, nicht aufspringender Frucht mit in einem Mus nistenden, etwas zusammengedrückten, eilänglichen Samen. Sechs im tropischen Amerika heimische Arten. Kakao- oder Schokoladenbaum (T. Cacao L., s. Tafel „Genußmittelpflanzen“), ein 12 m hoher Baum mit ausgebreiteter Krone, gestielten, eilänglichen, zugespitzten, 20–30 cm langen Blättern, fast das ganze Jahr hindurch aus dem Stamm und den Ästen, selbst aus der bloßgelegten Wurzel hervorbrechenden, sehr kleinen, roten Blüten und länglicher, spitzer, 10–20 cm langer, 5–7 cm breiter, gelber oder rötlicher, nach dem Trocknen brauner Frucht mit zehn Längsrippen, weichem, süßlichem, etwas schleimigem, farblosem Mus und zahlreichen in fünf Längsreihen aufgestapelten, durch das Mus und die zersprengten Scheidewände der Frucht zu einer Säule vereinigten, weißen, nach dem Trocknen braunen Samen mit zerbrechlicher Samenschale. Der K. ist einheimisch im mittlern Amerika zwischen dem 23.° nördl. Br. und dem 20.° südl. Br.; er gedeiht besonders in geschützten Thälern und an Flußufern, im Schatten hoher, stark belaubter Bäume, dann auch an Küstenstrichen, selten aber in einer Höhe von über 300 m. Er steht gewöhnlich vereinzelt und bildet nur selten kleine Wälder. Die in Mexiko früher sehr starke Kultur ist jetzt bedeutend verringert, am stärksten noch bei Tabasco und in der Provinz Oajaca bei Colima. Im nördlichen Mexiko und in den Thälern von Louisiana und Georgia finden sich nur selten einzelne Bäume. Guatemala liefert die besten Bohnen, besonders Soconusco, dann die Gegenden von Honduras und Mosquito und die Provinzen Costarica und Nicaragua. Wiederholt blühte die Kakaokultur auf Haïti, Jamaica und Martinique; allein Orkane zerstörten die Plantagen, und jetzt liefern diese Inseln nur sehr wenig Kakaobohnen. Ste.-Croix, Santa Lucia, Granada und Trinidad geben reiche Erträge, ebenso Kolumbien, besonders die Provinz Magdalena und die Gegend von Popayan, dann Ecuador, namentlich um Quito und Guayaquil. Wenige, aber vorzügliche Kakaobohnen liefern Porto Cabello und die Gegenden am Busen von Maracaibo in Venezuela; große Mengen guter Kakaobohnen aber der Nordabhang der Küstenkette bei Caracas und der ganze Küstenstrich von Cumana bis zur Mündung des Tocuyo. Weiter nach S. liefert der K. zwar mehr, aber schlechtere Früchte. Das kolumbische Guayana liefert nur Früchte wilder Bäume, dagegen blühen Kakaoplantagen am Surinam und Berbice. Im französischen Guayana steigt die Kultur, im brasilischen liegt sie fast gänzlich danieder. Die Ufer des Amazonenstroms liefern wenig und nicht besonders gute Kakaobohnen von wilden Bäumen, etwas bessere von einigen Plantagen, noch schlechtere die brasilischen Provinzen Ceará und Pernambuco, wo überhaupt die Grenze für Kakaokultur ist. Sehr gut gedeiht der K. auf Java, Manila, Bourbon und den Kanarischen Inseln. Die Kakaokultur ist sehr schwierig; sie erfordert eine gleichmäßige Temperatur zwischen 24 und 28°, sehr guten, lockern Boden, Feuchtigkeit und Schatten sowie Schutz vor den Winden. Die junge Saat wird mit Bananen und Erythrinen beschattet. Die Blüte erscheint nach 21/2–3 oder 5 Jahren, die ersten Früchte nicht vor dem Ende des vierten Jahrs; dann aber dauert die Tragfähigkeit bis zum 30., ja bis zum 50. Jahr. Die Früchte reifen in vier Monaten und werden meist zweimal im Jahr geerntet. Jeder Baum liefert jährlich nur 1–2 kg Samen. Die aus den gesammelten Früchten herausgenommenen Samen werden sorgfältig vom Fleisch befreit und 4–5 Tage unter bisweiligem Umrühren in bedeckten Haufen einer schwachen Gärung überlassen, um einen herben Beigeschmack zu beseitigen. Dann trocknet man die Samen und siebt sie ab. An andern Orten vergräbt man die Bohnen in die Erde oder überläßt sie in großen Fässern einer stärkern Gärung. Diese gerotteten Bohnen sind dunkler und vollständiger von dem krautigen, bittern Geschmack befreit als der nach der ersten Methode gewonnene ungerottete, Sonnen- oder Inselkakao. Die Bohnen verlieren beim Trocknen die Hälfte ihres Gewichts. Sie gleichen etwa einer Bohne oder Mandel, sind gelblich- oder graurot, matt und bestehen aus einer leicht zerbrechlichen, pergamentartigen Schale, welche einen dunkelbraunen, glänzenden, von einem dünnen Häutchen umgebenen Kern einschließt, der marmorartig gezeichnet erscheint, vielfach zerklüftet ist und sehr leicht in Bruchstücke zerfällt. Die Bohnen enthalten in 100 Teilen: Kakaofett 45–49, Stärke 14–18, Stärkezucker 0,34, Rohrzucker 0,26, Cellulose 5,8, Pigment 3,5–5, Eiweißkörper 13–18, Theobromin 1,2–1,5, Asche 3,5, Wasser 5,6–6,3. Der Gehalt an Fett schwankt nicht nur in den verschiedenen Kakaosorten, sondern auch in einer [373] und derselben Sorte bedeutend. Die Asche enthält 39,5 Proz. Phosphorsäure, 37,1 Proz. Kali, 16 Proz. Magnesia, 2,9 Proz. Kalk, außerdem Chlor, Schwefelsäure, Kieselsäure, Natron und Eisenoxyd. Die Kakaobohnen werden geröstet, zerrieben und unter Zusatz von Zucker und Gewürzen zu Schokolade (s. d.) verarbeitet; ohne jeden Zusatz in derselben Weise verarbeitet, geben sie die Kakaomasse. Durch Pressen von einem Teil des Fettes befreit, liefern sie den entölten Kakao. Nach holländischer Methode digeriert man letztern noch mit Soda- oder Pottaschenlösung und erhält dann ein Präparat, welches sich in Wasser leichter verteilt, auch wohl verdaulicher ist und mit heißem Wasser ohne Kochen ein genießbares Getränk liefert. Die Schalen der gerösteten Bohne, Kakaothee, Schokoladenthee, enthalten etwas Theobromin und geben ein leichtes, schokoladenartig schmeckendes Getränk; man benutzt sie auch zur Darstellung von Essenzen u. dgl.
Unter den verschiedenen Handelssorten sind die Bohnen aus Soconusco und Esmeraldas in Ecuador die besten; sie sind gelb, von mildem Geschmack, klein und schwer, kommen aber nur in geringer Menge nach Europa. Beide sollen übrigens nicht von T. Cacao, sondern von T. angustifolium Sessé und T. ovalifolium Sessé abstammen. Ihnen am nächsten steht der Oajacakakao aus Mexiko, welcher ebenfalls nur wenig zur Ausfuhr gelangt. Diesem folgt der Caracaskakao, dicke, sehr unregelmäßige, sehr wenig breit gedrückte, graubraune Bohnen mit ziemlich rauher, dicker, grau bestäubter Schale (besonders in Spanien, Frankreich, Italien verarbeitet). Ihm am ähnlichsten sind der Pedrazza aus Neugranada und der Maracaibo aus Venezuela. Am häufigsten kommen im europäischen Handel vor: Guayaquil (Ecuador), rötlich oder graubraun, ziemlich große Bohnen von etwas bitterm Geschmack (in Norddeutschland konsumiert), Angostura und Strasil (Maranhão, Pará, besonders in Österreich konsumiert, und der geringe Bahia). In kleinerer Menge kommen nach Europa der Kakao von Martinique, Trinidad, San Domingo, San Tomé (Afrika), von den Sundainseln und Ostindien. Kakao wird in Europa besonders in Frankreich, Deutschland und der Schweiz verarbeitet. Der Konsum beträgt in Spanien, Portugal und in den von Spaniern und Portugiesen besiedelten Ländern Mittelamerikas und des tropischen Südamerika pro Kopf und Jahr etwa 1 kg, in Frankreich 0,25–0,35, in England 0,15; im Deutschen Reich 0,05 kg. Die Gesammtproduktion wird etwa 425,000 metr. Ztr. betragen. Frankreich importierte 1883: 156,623, England jährlich etwa 107,500, Deutschland 1883: 25,570 metr. Ztr. Kakaobohnen, 26,290 metr. Ztr. Kakaomasse und 4760 metr. Ztr. Schokolade, Belgien 8500, Holland 12,500–15,000, Österreich 4400 metr. Ztr. Der europäische Verbrauch beziffert sich auf 250–300,000 metr. Ztr. Vgl. Gallais, Monographie du cacao (Par. 1827); Mangin, Le cacao et le chocolat (das. 1860); Forest, Du cacao et de ses diverses espèces (das. 1864); Mitscherlich, Der Kakao und die Schokolade (Berl. 1859).