Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kadénz“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 350
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Kadénz. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 350. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kad%C3%A9nz (Version vom 06.05.2021)

[350] Kadénz (ital. Cadenza), s. v. w. Schlußfall, d. h. eine harmonische Wendung, welche einen Ruhepunkt oder Abschluß bildet. Man unterscheidet die sogen. vollkommene K., die Folge: Oberdominante-Tonika (a), von der unvollkommenen K. oder dem Halbschluß (b); doch wird auch die Plagalkadenz,

d. h. die Folge: Unterdominante-Tonika (c), unvollkommene K. und die große K., die Folge: Unterdominante-Oberdominante-Tonika (d), auch vollkommene genannt. Trugkadenz heißt die Wendung der Oberdominante nach einem andern Akkord als dem der Tonika (e). Aufgehaltene K. (Fermate) endlich ist in Konzerten mit Orchester, Sonaten etc. ein Halt inmitten der K., meist auf dem Quartsextakkord der Tonika (f), dem ein mehr oder minder ausgesponnenes brillantes Passagenwerk folgt, in welchem der Virtuose meist noch die größten Schwierigkeiten zu überwinden hat. In früherer Zeit schoben die Künstler in die „aufgehaltene K.“ freie Improvisationen über Themen des gespielten Werkes ein. Beethoven zog es vor, dem Virtuosen auch vorzuschreiben, was er an dieser Stelle spielen solle, schrieb zu seinen frühern Konzerten gesonderte „Kadenzen“ (so nannte man nun auch diese Einschiebsel selbst) und fügte seinem Es dur-Konzert dieselben gleich von vornherein als organische Teile ein. Auch in Schumanns Klavierkonzert und andern neuern Werken ist die K. integrierender Teil des Ganzen. Gleichwohl belieben die Pianisten auch heute noch, in die Beethoven-Konzerte andre, wenn auch nicht mehr improvisierte Kadenzen einzuschieben; Moscheles, Reinecke u. a. haben solche Kadenzen herausgegeben.