Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Küste“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 356357
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Küste. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 356–357. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:K%C3%BCste (Version vom 18.11.2022)

[356] Küste (Gestade), der vom Meer bespülte und begrenzte Teil des Festlandes und der Inseln. Die Küsten zeigen hinsichtlich ihrer horizontalen und linearen Erstreckung, ihrer vertikalen Erhebung über das Meer und ihres orographischen Baues mannigfaltige Umrisse und Formen. Die Küstenlänge oder die Linie, auf welcher ein Land oder ein Erdteil vom Meer bespült wird, ist in ihrem Verhältnis zum Flächeninhalt desselben Landes oder Erdteils von größter Wichtigkeit, weil sich danach größtenteils die maritime Zugänglichkeit desselben bestimmt, welche bei der Frage der Kulturfähigkeit eines Landes und Volkes besonders in Betracht kommt. Über diese charakteristischen Verhältniszahlen vgl. Gliederung der Kontinente. Nach ihrer vertikalen Bildung zerfallen die Küsten in Flachküsten und Steilküsten. Wo Flachküsten das Meer begrenzen, senkt sich das Land allmählich bis zum Meer und ebenso allmählich unter dessen Spiegel hinab. An solcher Flachküste setzt das Meer beständig das von ihm fortbewegte Gerölle, Sand etc. ab und zwar die gröbern Bestandteile zu oberst, den feinern Sand und Schlick, den die zurücktreibende Welle zum Teil wieder mit fortreißt, zu unterst. Werden dergleichen Küsten durch die Ebbe trocken gelegt, wie die Watten an der Nordseeküste, so lagert die Flut und Brandung dünne Schichten von Schlamm, Schlick oder feinem Sande darauf ab. Solche flache, sandige Küstenstrecken bilden den sogen. Strand, der sich durch Einförmigkeit der Konturen und mangelnde oder sehr dürftige Vegetation charakterisiert. Besonders wichtig wird die Anschwemmung von Boden da, wo zugleich Flüsse aus dem Innern des Landes kommen und diese Verlandung begünstigen. Alsdann zeigen sich vor den Buchten oft schmale Landzungen, wodurch die letztern zu Lagunen oder Binnenseen und durch die Ablagerungen der Flüsse allmählich mit Sand oder Schlamm angefüllt werden. Ein ausgezeichnetes Beispiel dieser Verlandungen sind die Haffe an der Ostseeküste (s. Haff), und die Nehrungen, durch welche sie vom Meer getrennt werden, sind wahre Küstenwälle. Dergleichen Verlandungen, namentlich losere Sandanhäufungen, werden zuzeiten wieder von dem andringenden Gewässer durchbrochen und auch wohl wieder geschlossen, wie z. B. der Lijmfjord in Jütland im Laufe von 1000 Jahren viermal mit süßem und ebensovielmal mit salzigem Wasser angefüllt worden ist infolge der Eröffnung und Verstopfung westlicher Einfahrten. Oft wird auch das lose Material, woraus diese Wälle bestehen, durch Infiltration von Kalk, vorzüglich aber durch Eisenoxyd zusammengebacken, so daß eine Art Konglomerat (Riffstein, Uferbreccie) entsteht. Dergleichen Gestein findet sich an der Küste von Ägypten, Kalabrien, Messina, Elba, Haïti, Guadeloupe, Martinique etc. Kolossal sind oft die allmählichen Zuwüchse des Landes an Flachküsten, wie z. B. in Nordchina, besonders wenn langsame Landhebung hinzutritt. Eine ganz andre Wirkung übt das Meer an den Steilküsten aus. An solchen wird durch die brandenden Wellen fort und fort eine Menge festen Materials abgelöst, das sich dann auf [357] dem Meeresgrund ansammelt. Findet an solchen Steilküsten der Wechsel von Ebbe und Flut statt, so wird der abwechselnde Einfluß der Luft und des Wassers das Gestein um so rascher zerstören. Wo festeres Gestein zwischen weicherm gelagert ist, wird jenes dem andringenden Meer noch trotzen, während dieses längst weggewaschen ist. So sind z. B. die am Fuß der Kreidefelsen Rügens angehäuften Rollstücke Reste herabgestürzter Felsmassen, aus welchen die weichere Kreide ausgespült worden ist. Sehr augenfällige Wirkungen des Auswaschens zeigen auch die Küsten von Helgoland, welche in mannigfaltig gebildeten Zacken, zum Teil Thore oder Pfeiler bildend, ins Meer vorspringen. Wo Steilküsten nur aus weichen Gesteinsmassen bestehen, ist natürlich deren Zerstörung durch das Meer noch ungleich größer, während durchaus feste Felsen, wie z. B. der Gneis Norwegens, mehr glatt gespült werden und im ganzen den brandenden Wogen kräftigen Widerstand leisten. Solche Gesteine bilden meist wild zerklüftete, zerrissene Küsten, Klippenküsten; ganz besonders aber nennt man so die Steilküsten mit isolierten, schroffen Felspartien; von ihnen sind die Korallenklippenküsten wohl zu unterscheiden, indem diese durch Korallenbänke (s. Korallenriffe) gebildet werden und zwar nicht nur an Steil-, sondern auch an Flachküsten. Für die Schiffahrt sind die Flachküsten im allgemeinen wenig günstig, indem sie häufig auf weite Strecken selbst für kleinere Fahrzeuge unzugänglich sind, auch selten natürliche Häfen darbieten und kostspielige künstliche Hafenbauten notwendig machen. Steilküsten dagegen sind in der Regel reich an tiefen, geschützten Buchten und Häfen, wie z. B. die steile Westküste Nord- und Südamerikas, die K. Malabar in Ostindien, die Küsten des südlichen und westlichen England, der Bretagne, Spaniens, Moreas, Kleinasiens etc. Zu fürchten sind an denselben jedoch unterseeische Klippen, wie die blinden Schären (skjaer) an manchen Teilen der skandinavischen K., die gefährlichen Klippen an der westlichen Kanaleinfahrt, an der irischen K. etc.