Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Königsberg“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 10201023
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Königsberg. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 1020–1023. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:K%C3%B6nigsberg (Version vom 16.01.2023)

[1020] Königsberg, 1) K. in Preußen (poln. Krolewiec, lat. Regiomontum; hierzu der Stadtplan), befestigte

Wappen von Königs­berg i. Pr.

Hauptstadt der preuß. Provinz Ostpreußen u. des Regierungsbezirks gleichen Namens, Krönungs- und dritte Residenzstadt der Monarchie, liegt unter 54°42′ nördl. Br. und 20°29′ östl. L. v. Gr., 4,8 m ü. M., zu beiden Seiten des Pregels, 7,5 km vor seiner Mündung in das Frische Haff und im Knotenpunkt der Linien Seepothen-Eydtkuhnen, K.-Kranz und K.-Labiau der Preußischen Staats- und Pillau-Prostken der Ostpreußischen Südbahn, auf hügeligem Boden und besteht aus den drei Hauptteilen: Altstadt (um die alte Burg im 13. Jahrh. entstanden), Löbenicht und Kneiphof (Insel). Zu jedem dieser Teile gehören Vorstädte (die ältesten im N.: Steindamm, altes Fischerdorf, wo die älteste Kirche, St. Niklas, steht, und Tragheim; auf dem Südufer: St. Anton oder Vordere Vorstadt, St. Georg oder Hintere Vorstadt, Haberberg etc.), welche seit der Vereinigung jener drei Städte (1724) zum Weichbild gezogen wurden. Das Ganze hat jetzt einen Umfang von etwa 15 km. Der Pregel durchströmt die Stadt von O. nach W. in zwei Armen (Alter und Neuer Pregel), welche unterhalb der Grünen Brücke sich vereinigen. Wo er in die Stadt eintritt, liegt der sogen. Litauer, wo er aus derselben austritt, der sogen. Holländer Baum, die ehemaligen städtischen Zollgrenzen. Seine größte Breite innerhalb der Stadt beträgt 82–85 m. Die Stadt trägt einen modernen Charakter. Das Mittelalterliche ist bis auf einen Flügel des Schlosses, einen Fortifikationsturm der Altstadt und die Kathedrale der ehemaligen Bischöfe des Samlandes gänzlich geschwunden. Unter den Distrikten, in welche das heutige K. geteilt ist, sind die auf dem rechten Pregelufer die vornehmsten. Sie bestehen aus den ältesten Stadtteilen, welche mit den auf dem linken Flußufer gelegenen und mit der Kneiphofinsel durch sieben Fahrbrücken und die neue Eisenbahnbrücke (eiserne Gitterbrücke) verbunden sind. Die Altstadt zeigt trotz der engen Bauart eine regelmäßige Anlage: eine Langgasse mit ihren Parallelen, von Querstraßen durchschnitten. Geräumiger und stattlicher zeigt sich in gleicher Anlage der Kneiphof, dessen Langgasse sich bis vor kurzem noch als Sitz des einstigen Großbürgertums oder der reichen Kauf- und Handelsherren der vorigen Jahrhunderte darstellte. Die Löbenichtsche Langgasse, einst Sitz der reichen Großbürger der Malzbräuerzunft, besteht jetzt fast nur aus Wohngebäuden. Das einstige Rathaus am Altstädtischen Markt ist noch als ein der Stadt gehöriges Gebäude vorhanden und wird zu verschiedenen öffentlichen und privaten Zwecken benutzt. Das früher Löbenichtsche Rathaus ist schon längst in Privatbesitz übergegangen und umgebaut. Das Kneiphofsche Rathaus in der Brotbänkenstraße (1695 umgebaut), ist jetzt Amtslokal des Magistrats, in dem danebenliegenden Kneiphöfschen Junkerhof befindet sich der Sitzungssaal der Stadtverordneten. Der Altstädtische Junkerhof wurde 1875 zu Läden umgebaut. Von den mittelalterlichen „Artushöfen“ hat sich keine Spur erhalten. Unter den sieben Marktplätzen hat einzig der Markt der Altstadt noch altertümliches Aussehen.

Das hervorragendste Gebäude der Altstadt ist das königliche Schloß, ein längliches Viereck, 104 m lang und 66,8 m breit, 1255 im Bau begonnen (s. unten, Geschichte), später Sitz der Hochmeister des Deutschen Ordens und seit 1525 Residenz der Herzöge von Preußen. Die Nordseite rührt noch aus der Ordenszeit her, das übrige ist im 16. und 18. Jahrh. angebaut. Auf dem Westflügel befinden sich die Schloßkirche (1592 erbaut), in welcher sich Friedrich I. 1701 und König Wilhelm I. (18. Okt. 1861) die Königskrone aufsetzten, und der mächtige, zu allen großen Festen benutzte sogen. Moskowitersaal (83 m lang, 17,9 m breit und 6 m hoch), auf den dieser Name wahrscheinlich von einem Gemach übertragen ist, in welchem die moskowitischen Gesandten aufgenommen wurden, die sich 1516 hier befanden, als der Hochmeister Markgraf Albrecht ein Bündnis mit dem Großfürsten Wasilij gegen den König von Polen einging. Unter Friedrich I. erhielt das Schloß den prächtigen, von Schlüter 1708–12 erbauten Pavillon, vor dem die Statue des genannten Königs (ebenfalls von Schlüter) steht. Auf dem Ostflügel ist das große

[Ξ]

KÖNIGSBERG.
Alt-Roßgärtsche Kirche F2
Alte Graben-Straße AB3,4
Alte Reiferbahn F3
Altstädter Stift B3
Altstädtische Kirche C3
Altstädt. Lang-Gasse CD3,4
Anatomie B3
Anatomische Anstalt BC3
Artillerie-Gasse C6
Ausfall-Thor-Gasse A3
Bad E1
Baptisten-Kirche E1
Bellevue DE3
Berg-Gasse, Ober- DE3
Berg-Platz D3
Berg-Straße D3
Bessel-Straße B2,3
Bibliothek, Königliche EF3
Bismarck-Straße D6
Blinden-Institut B6
Bohlwerks-Gasse BC4
Borcherts-Gasse B5
Börse C4
Börsen-Garten D2
Botanischer Garten B3
Brandenburger Straße B6
Brandenburger Thor A6
Brotbänken-Gasse CD4
Burg-Straße D2
Butterberg-Gasse AB3
Chemisches Laboratorium C3
Chirurgische Klinik BC3
Cranzer Bahnhof B1
Damm-Straße C5
Dampfschiff-Platz B4
Der Kai C4
Deutsch-reform. Kirche D3
Deutsch-reform. Kirchhof E3
Dom D4
Dom-Platz D4
Drei Kronen-Loge D2
Drumm-Straße C3
Eisenbahn-Thor der Ostbahn A6
Eisenbahn-Thor der Südbahn A6
Evangel. Vereinshaus E3
Exerzierhaus F1 u. G2
Feld-Artillerie-Kaserne B6
Fisch-Markt D4
Fleischbänken-Gasse CD4
Fleisch-Markt D4
Französ.-reform. Kirche E3
Französische Straße D3
Frei-Gasse C5
Friedrich-Kollegium DE3
Friedrichs I. Denkmal D3
Friedr. Wilhelms III. Denkm. D2
Friedrichs-Burg A4,5
Friedrich-Straße F2
Garnison-Lazarett E2 u. F3
Garten-Gasse CD2
Garten-Straße, Alte B6
Gas-Anstalt C5
General-Kommando E2
Georgs-Straße C5
Gesecus-Platz C3
Graben-Gasse DE4,5
Graben-Straße, Alte AB3,4
Graben-Straße, Neue B3,4
Grüne Brücke C4
Güter-Bahnhof B5,6
Gymnasium CD3
Haberberg-Kirche BC6
Haberberg, Oberer CD6
Haberberg, Unterer CD6
Herzogs-Acker F1,2
Heu-Markt C2
Hinter-Lomse DE4
Hinterer Roßgarten E1,2
Hintere Tragheim-Str. DE1,2
Hintere Vorstadt C5,6
Hof-Gasse C4
Hohe Brücke DE6
Holz-Brücke D4
Holländer Baumstraße AB4
Honig-Brücke D4
Hospital-Gasse BC5
Hospital (Löbenicht-) DE4
Immanuel-Loge E1,2
Jägerhof-Straße E2,3
Jahrmarkts-Platz C5
Juden-Kirchhof D1
Judenkirchhofs-Straße CD1
Junker-Straße CD3
Kalthöfsche Straße EF2
Kants Haus u. Denkmal CD3
Katholische Kirche E3,4
Kirchen-Straße EF2
Klapper-Wiese B4,5
Klinik B2,3
Kneiphof CD4
Kneiphöfsches Gymnas. D4
Kneiphöfsche Langgasse C4
Knochen-Straße BC5,6
Kommandantur E2
König-Wilhelms-Gymnas. E1,2
Königs-Straße EF3
Königs-Thor G2,3
Konrads-Hof A1
Kopernikus-Straße BC3
Kottel-Brücke C4
Krämer-Bücke C4
Kran-Gasse, Große BC4
Krankenhaus, Städt. E1
Krausenecksche Wallstr. AB1–4
Krieger-Denkmal A2,3
Kronen-Straße BC6
Kürassier-Kaserne D1
Kürassier-Wallstraße B–D1
Laak-Straße, Obere B3
Laak-Straße, Untere C3
Landgericht D2
Landes-Haus F3
Landhofmeister-Straße E3
Landwirtschaftl. Akademie C1
Lange Reihe B2,3
Lastadien-Gasse BC4
Leinweber-Gasse B2
Licent-Graben-Gasse B3,4
Linden-Straße D4
Litauer Wall-Straße FG1–3
Lobeck-Straße E2,3
Löbenichtsche Lang-G. DE3,4
Luisen-Straße B2
Luther-Denkmal C3
Militär-Schwimm-Anstalt E6
Mittel-Tragheim-Straße D1,2
Monken-Gasse C3
Monken-Quergasse, Erste C3
Mühlen-Gasse C1,2
Münz-Platz D3
Münz-Straße D3
Museum, Städtisches E3
Nachtigallen-Stieg E1
Neue Gasse, Haberberger C6
Neue Gasse, Roßgärter F1
Neuer Markt E4
Neuroßgärter Kirche B3
Neuroßgärtsche Kirchen-G. BC3
Neuroßgärtscher Kirchhof AB2
Ober-Berg-Gasse DE3
Ober-Rollberg C3
Ost-Bahnhof B5
Palais des kommandierenden Generals E2
Packhof B4
Parade-Platz (Königs-G.) CD2,3
Physikalisches Institut C1
Plantage E4
Pillauer Bahnhof B3,4
Polizei D3
Polnische Kirche C3
Polnischer Kirchhof AB2
Ponton-Brücke D5
Post-Straße C3
Post und Telegraph C3
Prediger-Straße EF1,2
Prinzen-Straße F3
Proviant-Amt-, Königl. A3,4
Pulver-Straße CD1,2
Rathaus C4
Reiferbahn B3
Reifschläger-Gasse C3
Regierung, Königliche D1,2
Rippen-Gasse F2,3
Rosen-Gasse C3
Roßgärter Thor EF1
Roßgärtscher Markt E3
Sackheimer Hinter-Gasse E–G4
Sackheimer Kirche E3
Sackheimer Mittel-Gasse FG3,4
Sackheimer Rechte Straße FG3
Sackheimer Thor G3
Sankt Georgen-Hospital C5
Sattler-Gasse C4,5
Schleusen-Straße B5
Schiffbau-Gasse B4
Schloß, Königliches CD3
Schloß-Platz D3
Schloßteich-Brücke D2,3
Schloßteich-Gasse D2,3
Schmiede-Brücke D4
Schnurlings Grabengasse C4,5
von Schön-Denkmal E3
Schützenhaus D1
Speicher-Gasse C3,4,E3
Stall-Gasse C3
Steile-Gasse F3
Steindammer Thor B1
Steindamm-Lawendel-Str. B2,3
Steindamm-Rechte Str. BC2,3
Steindamm-Wallstraße B2
Sternwarte A3
Stritzel-Gasse C3
Süd-Bahnhof AB5,6
Synagoge C5
Theater D2
Theater-Straße D3
Toten-Gasse C3
Totenkopf-Loge DE2
Tragheimer Kirche C2
Tragheim. Kirchen-Straße C1,2
Tragheim. Kirchhof u. Thor C1
Tränk-Gasse BC4
Turnhalle, u. Turner Str. C5
Union-Gießerei AB3
Universität CD2
Vieh-Markt DE6
Vogel-Gasse BC3,4
Volks-Garten A3
Vorderhufen AB1
Vorder-Lomse D4
Vorderer Roßgarten E2,3
Vordere Vorstadt C4,5
Waisenhaus G3,4
Wall-Gasse 1.te, 2.te u. 3.te G3
Wasser-Gasse CD3,4
Weiden-Damm D5
Weißgerber-Straße DE3
Wilhelms-Gasse F2,3
Wolf-Markt C4
Wrangel-Straße C–E1
Zeughaus A4,5
Zoologisches Museum B2
Zuggraben D5

[1021] Schloßthor, und am Ende der Südseite erhebt sich der 84,5 m hohe Schloßturm, von dessen Galerie man die ganze Stadt und Umgegend und das Frische Haff übersieht. Außer dem Dom und der neuen, in gotischem Ziegelbau errichteten Altstädtischen Kirche mit einem von massenhaften Pfeilern getragenen Schiff wird unter den 15 Kirchen der Stadt ein architektonisch interessantes oder altes Gebäude vergebens gesucht. Der Dom, jetzt die Kneiphofsche Stadtkirche, wurde 1333 vom Hochmeister Luderus von Braunschweig im gotischen Stil gegründet und 1856 einer durchgreifenden Restauration unterworfen. Er ist 92,3 m lang und 25,7 m breit. Der schlanke, 50 m hohe Turm und die schönen drei Schiffe machen einen majestätischen Eindruck; letztere enthalten einen figurenreichen Altar und manche interessante Grabdenkmäler, darunter das des Markgrafen Georg Friedrich und das prächtige Marmormonument des Kanzlers von Kospoth. An der Nordseite des Doms befindet sich ein offener Bogengang, die sogen. Stoa Kantiana, und daran ein dem Andenken Kants gewidmeter und mit dessen Büste geschmückter kapellenartiger Raum, unter dessen Steinboden die Gebeine des großen Philosophen ruhen. Ein Denkmal Kants (Nachbildung der am Denkmal Friedrichs II. in Berlin befindlichen Statue von Rauch) wurde 1864 in der Nähe des Schlosses errichtet, sein mit einer Marmortafel geziertes kleines ehemaliges Wohnhaus befindet sich wenige Schritte davon in der Prinzessinstraße. Auf die genannten ältesten Stadtteile beschränkt sich noch heute der Handel, daher die Handels- und Verkehrsanstalten meistens hier zu finden sind. Die neue Börse, nach dem Plan H. Müllers in Bremen im italienischen Renaissancestil mit einem Aufwand von 1¾ Mill. Mk. erbaut und 1875 vollendet, das imposanteste Gebäude der Neuzeit und zugleich Sitz des Vorsteheramtes der Kaufmannschaft, steht auf dem südlichen Pregelufer. In der Nähe liegen die Bahnhöfe. Die neuesten Stadtteile sind die nördlich vom Schloß gelegenen, die, in der herzoglichen Zeit gar nicht oder spärlich bebaut, den meisten Raum für die Erweiterung bei zunehmender Bevölkerung darboten. Hinter dem Schloß bis an den Steindamm und die Vorstadt Tragheim dehnte sich der fürstliche Tiergarten, jetzt Paradeplatz, aus; nach O. erstreckt sich, 9,35 Hektar groß, der Schloßteich, dessen Ufer mit reichem Baumwuchs in wohlgepflegten Gärten bestanden sind. Eine durchgreifende Änderung in der Bauart ging von der Königsstraße (ehedem „Neue Sorge“) aus, besonders seit Friedrich Wilhelm I. sich 1731 hier ein Palais erbaut hatte. Letzteres ist seit 1810 der Universitätsbibliothek eingeräumt und der ebenfalls in der Königsstraße gelegene Jägerhof 1843 der durch Theodor v. Schöns Einfluß gestifteten Malerakademie gewichen. Das moderne K. zeigt fortgesetzt das Bestreben, diese höher gelegenen und darum gesündern Stadtteile immer dichter zu bebauen. Das schöne, durch einen 1885 begonnenen Umbau erheblich erweiterte Bussesche Postgebäude, die oben erwähnte neue Kirche der Altstadt, das neue Universitätspalais, zu dem 1844 beim 300jährigen Jubelfest der Universität der Grund gelegt wurde (nach Stülers Plänen 1865 vollendet), das Stadttheater (von Val. Müller), die drei neuen Gerichtsgebäude auf dem Theaterplatz, die Halle des Börsengartens am Schloßteich gehören zu den nennenswertesten Bauten des heutigen K. Sie liegen alle in der Nähe des größten und schönsten Platzes der Stadt, des Parade- oder Universitätsplatzes, den seit 1852 das 5 m hohe bronzene Reiterstandbild Friedrich Wilhelms III. (von Kiß) schmückt, und als dessen Avenue die elegante Tragheimer Pulvergasse angesehen werden kann. In der Mitteltragheimer Straße ist in den letzten Jahren ein neues Regierungsgebäude, zugleich als Sitz des Oberpräsidiums für Ostpreußen, entstanden, während das stattliche Landeshaus der Provinzialverwaltung in der Königsstraße errichtet ist. Die frühern schönen Spaziergänge der Königsberger: der Philosophendamm, wo Kant einst lustwandelte, und das bepflanzte Glacis zwischen dem Roßgärter und dem Königsthor werden kaum mehr benutzt, seitdem die erstere zum Eisenbahnviertel gezogen und vor das genannte Thor die Mehrzahl der Kirchhöfe verlegt ist. Zur Zeit bilden die Hufen vor dem Steindammer Thor den Hauptvergnügungsplatz für das Königsberger Publikum.

Der Bau der Festungswerke, welche die Stadt jetzt einschließen, begann erst 1843 unter Friedrich Wilhelm IV. Sie stehen in Verbindung mit einer großen Kette von Außenwerken, welche die nächste, ehedem so ländlich angenehme Umgebung der Stadt gänzlich verändert haben, und eine Linie von detachierten Forts, die zum größten Teil jetzt schon vollendet sind, trägt solche Veränderungen noch auf Meilenweite hinaus. Den zum Teil geschmackvoll ausgeführten neuen Festungsthoren, unter denen neben dem Königs- und dem Friedländer Thor das Steindammer Thor am beachtenswertesten ist, haben sämtliche Stadtthore der frühern Enceinte weichen müssen, wie die alten innern Stadtthore dem immer weiter sich ausdehnenden Straßenverkehr. Die riesigen Werke der Ostseite dienen der Garnison als Kasernen; eine Kavalleriekaserne samt Reitplatz ist auf der Nordseite neben den Festungswerken geschaffen worden.

Die Zahl der Einwohner belief sich 1885 mit der Garnison (ein Grenadierreg. Nr. 1, 2 Füsilierbat. Nr. 33, ein Infanteriebat. Nr. 41, 2 Infanteriebat. Nr. 43, ein Kürassierreg. Nr. 3, ein Feldartilleriereg. Nr. 1, ein Fußartilleriereg. Nr. 1 und ein Trainbat. Nr. 1) auf 151,151 Seelen gegen 112,123 im J. 1871. Darunter befanden sich 139,795 Evangelische, 6174 Katholiken und 4155 Juden. Industrie und Handel sind sehr bedeutend. Als besonders hervorragend kann namentlich die Eisenindustrie (Guß und Maschinenbau) bezeichnet werden. Sonstige Erwerbszweige sind: Garn- und Zwirnspinnerei, Fabrikation von Manufakturwaren, Tuch, Konfektionsgegenständen, Leinwand, Shoddy, Tabak und Zigarren, Dachpappe, Tapeten, Chemikalien, Knochenmehl, Mineralwasser, Essig, Spiritus, Pianinos, Marzipan etc., Dampf- und Ölmüllerei, Bierbrauerei, Weißgerberei, Kalkbrennerei, Buchdruckerei. Eigentümlich ist für K. neben Danzig die Bernsteinindustrie. Für Gewinnung des Materials waren 1885 im ganzen 1650 Personen thätig. Der Ertrag stellte sich durch Dampfbaggerei (Schwarzort) auf 670, durch Bergwerksbetrieb (Palmnicken und Kraxtepellen) auf 1030, durch Taucherei, Stechen, Schöpfen und Lesen auf 85 Doppelzentner. Der Handel, begünstigt durch Eisenbahnverbindungen, namentlich aber durch die Lage Königsbergs an einem schiffbaren Fluß, dessen Mündung durch das Frische Haff vor den Meeresfluten gesichert ist, hat der Stadt eine bedeutende Stelle unter den Handelsplätzen des Nordens verschafft. Der äußere Hafen von K. befindet sich in Pillau. Viele Schiffe müssen hier leichtern, da das Haff nur durch Baggerungen Tiefgang erhält, viele werden in Pillau selbst umgeladen. Eine Besserung dieser den Verkehr erschwerenden Kalamität steht durch Anlage [1022] einer 6 m tiefen Haffrinne in Aussicht. Es sind nicht allein die Erzeugnisse des Landes: Getreide, Hülsenfrüchte, Flachs, Hanf, Holz, Holzwaren, Pferde, Vieh, Chemikalien, Artikel der Textilindustrie etc., sondern auch eingeführte Produkte, die eine in stetem Steigen begriffene Handelsprosperität nachweisen. Namentlich ist K. Hauptstapelplatz des gesamten kontinentalen Theehandels. Für den Handel mit Getreide zählt es zu den größten Exportplätzen. Es betrug der Wert der Einfuhr 1886: 179 Mill. Mk., darunter an über See bezogenen Waren 69,5 Mill. Mk. Der Wert der Ausfuhr betrug 150,5 Mill. Mk., davon für über See ausgeführte Artikel 62,8 Mill. Mk. 1885 belief sich der gesamte Seeverkehr auf 3412 Schiffe. Es kamen an: mit Ladung 1180 Schiffe zu 300,764 Registertons, in Ballast oder leer 485 Schiffe zu 115,357 Registertons. Es gingen ab: mit Ladung 1709 Schiffe zu 427,453 Registertons, in Ballast oder leer 38 Schiffe zu 13,490 Registertons. An Handels- und Verkehrsanstalten besitzt K. eine Hauptstelle der Reichsbank (Umsatz 1886: 1014 Mill. Mk.), die Königsberger Vereinsbank (Umsatz 1886: 512 Mill. Mk.), eine Ostpreußische landschaftliche Darlehnskasse (Umsatz 1886: 327 Mill. Mk.), eine Ländliche Genossenschaftsbank, eine Genossenschaftliche Grundkreditbank, eine Rentenbank, eine Provinzialfeuersocietät etc., ein Vorsteheramt der Kaufmannschaft, eine Börse, einen Gewerberat, eine Reedereigesellschaft, eine Dampfschiffahrtsgesellschaft und eine Schiffswerfte. Den Verkehr in der Stadt vermittelt eine Pferdeeisenbahn.

Unter den Bildungsanstalten nimmt die Universität (Collegium Albertinum) die erste Stelle ein. Dieselbe wurde vom Herzog Albrecht I. von Preußen als eine „echt lutherische“ 1544 gegründet und erfreut sich mit den Anstalten, die zu ihr gehören, der 1811 von Bessel errichteten Sternwarte, dem 1819 von Karl v. Baer gegründeten zoologischen Museum und dem 1809 von Schweigger angelegten botanischen Garten, 9 Kliniken, die jetzt als Muster dastehen, Laboratorien und Seminaren sowie zum Teil bedeutenden Sammlungen, besonders der über 220,000 Bände zählenden Bibliothek (neben welcher die Stadtbibliothek nur für Spezialitäten in Betracht kommt), einer immer gediegener sich gestaltenden Ausstattung. In der Aula befinden sich Fresken von Rosenfelder, Gräf, Piotrowski u. a. Die Zahl der Studierenden betrug im Wintersemester 1886/87: 815. (Vgl. Witt, Die dritte Jubelfeier der Albertus-Universität zu K., Königsb. 1844.) An andern Schulanstalten hat K. 4 Gymnasien, ein Progymnasium, 2 Realgymnasien, eine höhere Bürgerschule, 2 Taubstummen- und eine Blindenanstalt. Hierzu kommen für besondere Bildungszwecke eine Anzahl von Instituten, darunter die Handelsschule, die Provinzialkunstschule und die Malerakademie mit dem Stadtmuseum (etwa 270 Gemälde der neuern und neuesten Zeit enthaltend), eine Musikschule, die archäologische Sammlung der Prussia, die geologischen der Physikalisch-Ökonomischen Gesellschaft etc. An Wohlthätigkeitsanstalten sind besonders zu nennen: das große städtische Krankenhaus, das von einem Verein geleitete Krankenhaus der Barmherzigkeit, das königliche Waisenhaus (1701 gestiftet), das große königliche Hospital und eine sehr große Zahl von Wohlthätigkeitsvereinen aller Art. K. zählt 20 Magistratsmitglieder und 102 Stadtverordnete und ist Sitz des Oberpräsidiums der Provinz Ostpreußen, des Konsistoriums, eines Generalsuperintendenten, des Provinzialschul- und Medizinalkollegiums, des Provinzialarchivs, der Provinzialsteuerdirektion, einer Oberpostdirektion, der Landesdirektion für Ostpreußen, eines Oberlandes- und eines Landgerichts, einer Regierung, eines Landratsamtes, verschiedener Konsulate etc. Von militärischen Behörden befinden sich hier: das Kommando und der Stab des 1. Armeekorps, der 1. Infanterie- und 1. Kavalleriedivision, der 1. und 2. Infanterie-, 1. Kavallerie- und 1. Feldartilleriebrigade. Die drei hier erscheinenden Zeitungen sind die „Hartungsche Zeitung“, die „Ostpreußische Zeitung“ und die „Königsberger Allgemeine Zeitung“. Zum Landgerichtsbezirk K. zählen die acht Amtsgerichte zu Allenburg, Fischhausen, K., Labiau, Mehlauken, Pillau, Tapiau und Wehlau.

[Geschichte.] K. (Altstadt), dessen Burg vom Deutschen Orden 1255 zum Schutz gegen die heidnischen Samländer und zwar auf den Rat des böhmischen Königs Ottokar erbaut ist, wurde 1256 in der Gegend des heutigen Steindammes angelegt, nach der Zerstörung durch die Preußen 1263 in dem Thal unterhalb des Schloßbergs bis an den Pregel wieder aufgebaut und erhielt 1286 Stadtrecht. Der Stadtteil Löbenicht wurde 1300, die Insel Kneiphof 1327 mit Stadtrecht begabt. Von 1457 an war K. die Residenz der Hochmeister, 1525–1618 der Herzöge Preußens; deshalb führt es auch noch den Titel „Haupt- und Residenzstadt“. Von 1626 datiert die Befestigung der Stadt durch Wälle und Gräben; seit 1843 ist K. zu einer Festung ersten Ranges umgeschaffen (s. oben). In K. wurde 16. Jan. 1656 ein Vertrag zwischen Schweden und Brandenburg geschlossen, durch welchen dieses für Preußen die schwedische Lehnshoheit statt der polnischen anerkannte und Ermeland zu Lehen erhielt. 1758 ward K. von den Russen, 1807 von den Franzosen besetzt. König Friedrich Wilhelm I. vereinigte 1724 die drei Städte zu Einer, fortan gab es nur Einen Magistrat und Ein Stadtgericht. Vgl. Faber, Die Haupt- und Residenzstadt K. in Preußen (Königsb. 1840); Rosenkranz, Königsberger Skizzen (das. 1842); Schubert, Zur 600jährigen Jubelfeier Königsbergs (das. 1855); Frischbier, Die Zünfte der Königsberger Junker und Bürger im Kneiphof (das. 1880).

Der Regierungsbezirk K. (s. Karte „Ost- und Westpreußen“) hat einen Flächeninhalt von 21,107 qkm (383,34 QM.) mit (1885) 1,171,116 Einw. (1880: 1,155,545 Einw.), darunter 910,235 Evangelische, 243,153 Katholiken und 10,586 Juden, und besteht aus 20 Kreisen:

Kreise QKilo­meter QMei­len Einwohner 1885 Auf 1 QKil.
Allenstein 1357 24,65 68973 51
Braunsberg 946 17,18 53469 55
Preußisch-Eylau 1232 22,38 55828 45
Fischhausen 1061 19,27 52243 49
Friedland 880 15,98 45553 52
Gerdauen 848 15,40 37298 44
Heiligenbeil 908 16,49 46332 51
Heilsberg 1096 19,91 55495 51
Preußisch-Holland 859 15,60 44142 51
Königsberg (Stadt) 20 0,36 151151
Königsberg (Land) 1051 19,09 53972 51
Labiau 1064 19,32 53150 50
Memel 841 15,27 58551 70
Mohrungen 1265 22,98 55869 44
Neidenburg 1632 29,61 57001 35
Ortelsburg 1708 31,02 69040 40
Osterode 1551 28,17 67694 44
Rastenburg 874 15,87 45132 52
Rössel 852 15,47 50167 59
Wehlau 1062 19,29 50056 47

[1023] 2) K. in der Neumark, Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Frankfurt, ehemals Hauptort der Neumark, an der Röhrike und der Linie Breslau-Stettin der Preußischen Staatsbahn, 19 m ü. M., hat eine gotische Kirche aus dem 13. Jahrh., ein gotisches Rathaus, ein Gymnasium, ein Schullehrerseminar, eine Präparandenanstalt, 2 Hospitäler, ein Amtsgericht, ein Warendepot der Reichsbank, Filzwaren- und Peitschenfabrikation und (1885) 5958 meist evang. Einwohner. – 3) K. in Franken, Stadt im Herzogtum Koburg (Exklave im bayr. Regierungsbezirk Unterfranken), hat 2 Kirchen, eine Burgruine mit schöner Aussicht, ein Amtsgericht, eine Maskenfabrik, Wein- und vortrefflichen Obstbau und (1885) 924 evang. Einwohner. K. ist Geburtsort des Astronomen Johann Müller, genannt Regiomontanus, dem daselbst ein Denkmal gesetzt ist. – 4) Stadt in der böhm. Bezirkshauptmannschaft Falkenau, an der Eger und der Prag-Egerer Eisenbahn, hat eine schöne Pfarrkirche, Reste einer 1634 von den Schweden zerstörten Burg, Baumwollweberei, Alizarinfabrikation, Kunsttischlerei, Braunkohlenbergbau, Viehmärkte, eine Tischlerschule und (1880) 4041 Einw. Nahe dabei die Baumwollspinnerei und -Weberei Liebauthal. – 5) (tschech. Klimkovice) Stadt in Österreichisch-Schlesien, Bezirkshauptmannschaft Troppau, mit Schloß, (1880) 1366 Einw., Samtband- und Likörfabrikation und Bezirksgericht. – 6) (ungar. Ujbánya) Bergstadt im ungar. Komitat Bars, zwischen kahlen Bergen, unweit der Gran, mit 2 kath. Kirchen, (1881) 4190 Einw. (Slawen und Ungarn), ehemals ergiebigem Bergbau auf Gold, Silber und Kupfer, einer Mühlstein- und Glasfabrik und einer Gewerbeschule.