Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Isomorphie“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 4748
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Isomorphie. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 47–48. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Isomorphie (Version vom 02.10.2022)

[47] Isomorphie (Isomorphismus, aus dem griech. isos, „gleich“, und morphè, „Gestalt“, gebildet), die Erscheinung, daß Körper von ungleicher, aber analoger Zusammensetzung gleiche Kristallform haben. Isomorphe Körper bilden oft ganze Reihen, innerhalb deren die Kristallform stets im wesentlichen dieselbe, also nicht nur demselben System, sondern auch derselben (holoedrischen oder hemiedrischen) Abteilung desselben angehörig ist und, wenn es Systeme mit ungleichen Achsen sind, ungefähr dasselbe Verhältnis der Achsen zeigt. Befinden sich isomorphe Körper zusammen in einer Lösung, so können sie beim Kristallisieren nach veränderlichen Verhältnissen in denselben Kristall eintreten (isomorphe Vertretung). Ein Kristall wächst in der Lösung eines isomorphen Körpers ebenso fort wie in einer Lösung seiner eignen Substanz und besteht dann aus zwei stofflich ganz verschiedenen Schichten. Isomorphe Körper geben oft, indem sie sich mit denselben andern Elementen verbinden, wieder isomorphe Substanzen; so z. B. sind Thonerde, Chromoxyd und Eisenoxyd isomorph, sie verbinden sich sämtlich mit Eisenoxydul und geben dann die isomorphen Zeilanit, Chromeisen und Magneteisen, welche, da Eisenoxydul (wie z. B. auch die Carbonate, Magnesit, Kalk- und Eisenspat u. a. zeigen) sich isomorph mit Magnesia, Kalk und Zinkoxyd vertreten kann, wieder mit dem edlen Spinell, dem Zinkspinell etc. isomorph sind. Keineswegs haben aber die Kristallformen der einfachern Ingredienzien Einfluß auf die der Mischungen; während z. B. Thonerde (Korund), Eisenoxyd (Eisenglanz) etc. rhomboedrisch sind, sind die Spinelle, das Magneteisen etc. regulär holoedrisch. Man nennt folgerichtig auch solche Elemente, deren entsprechende Verbindungen isomorph sind und isomorph in Mischungen eingehen, selbst isomorph, z. B. Chrom, Eisen, Aluminium, obwohl man deren Kristallform gar nicht kennt; ja, in manchen Fällen haben solche nähere Bestandteile isomorpher Substanzen nicht gleiche Kristallform (z. B. Magnesia und Zinkoxyd). In diesem Sinn stellt man die Elemente in folgende Gruppen zusammen: 1) Schwefel, Selen, Mangan, Chrom; die analog zusammengesetzten Verbindungen ihrer Säuren mit derselben Base sind gewöhnlich isomorph; 2) Magnesium, Calcium, Mangan, Eisen, Kobalt, Nickel, Zink, Kadmium, Kupfer bilden isomorphe Doppelsalze von der allgemeinen Formel MSO4.K2SO4 + SH2O; 3) Mangan, Eisen, Chrom, Aluminium bilden isomorphe Oxyde und Alaune; 4) Calcium, Strontium, Baryum, Blei, deren Kohlensäuresalze isomorph sind; 5) Wolfram, Molybdän, deren Säuren isomorphe Bleisalze bilden; 6) Zinn und Titan, deren Oxyde (Zinnstein, Rutil) isomorph sind; 7) Palladium, Platin, Iridium, Osmium bilden isomorphe Doppelchloride mit Chlorkalium; 8) Kalium, Ammonium, Rubidium, Cäsium bilden zahlreiche isomorphe Verbindungen; 9) Natrium, Silber bilden isomorphe Sulfate, Selenate und Chlorverbindungen; 10) Silber, Gold, Kupfer, Blei; 11) Phosphor, Arsen, Antimon; die analogen Salze der gewöhnlichen Phosphor- und Arsensäure sind isomorph, während Arsen u. Antimon isomorphe Oxyde und Schwefelverbindungen bilden; 12) Jod, Brom, Chlor, für manche Fälle auch Fluor und Cyan, zeigen in einfachen Verbindungen I. Von komplizierter zusammengesetzten Mineralien sind noch mancherlei Silikate, die Gruppe der dem Apatit gleich zusammengesetzten Phosphate und Arseniate, welche hexagonal pyramidal-hemiedrisch sind, viele Schwefelmetalle hervorzuheben. Sehr wichtig ist hierbei der Dimorphismus oder, da es auch trimorphe und polymorphe Körper gibt, besser gesagt der Heteromorphismus, und erst nach Zuziehung dieser Eigenschaft, vermöge welcher einer und derselbe Körper in Kristallform, Härte, Gewicht etc. ganz verschieden auftreten kann, wird es verständlich, wie Körper, die an sich nicht isomorph erscheinen (Magnesia als Periklas regulär, Zinkoxyd hexagonal), sich isomorph vertreten können; sie sind, auch wenn man sie nicht in zwei oder mehr Gestalten kennt, doch mit Sicherheit als dimorph (heteromorph) anzunehmen. Körper, die in denselben zwei oder drei verschiedenen Formen kristallisieren, nennt man isodimorph (Antimonoxyd, Arsenigsäureanhydrid). Für die Mineralogie hat die I. eine besondere Wichtigkeit, weil isomorphe Spezies durch die vikarierende Vertretung der in den Grenzspezies verschiedenen Elemente vermittelst einer ununterbrochenen Reihe von Mittelspezies verbunden sind. So kristallisieren Kalkspat (CaCO3) und Magnesit (MgCO3), beide der allgemeinen Formel RCO3 sich unterordnend, im hexagonalen System und liefern bei der Spaltung Rhomboeder. Für Kalkspat [48] ist der stumpfe Winkel 105°5′, für Magnesit 107°28′, so zwar, daß bei einem wachsenden Gehalt an Magnesium im Kalkspat auch die Werte des Rhomboederwinkels wachsen und ein als Mittelspezies zwischen Kalkspat und Magnesit aufzufassender Körper, der Bitterspat (CaMg)CO3, in Rhomboedern von 106°17′ spaltet. In dieselbe isomorphe Reihe gehören noch Eisenspat (FeCO3, Rhomboederwinkel 107°), Manganspat (MnCO3, Rhomboederwinkel 106°51′) und Zinkspat (ZnCO3, Rhomboederwinkel 107°40′) sowie die große Anzahl der diese Endglieder verknüpfenden Mittelspezies. Die mineralogische Systematik wird nur dann den natürlichen Verhältnissen Rechnung tragen können, wenn sie solche isomorphe Reihen nicht trennt, sondern als zusammengehörige Körper zur Geltung bringt. Da die I. in weitaus den meisten Fällen an gleiche Säureradikale, aber variierende Basen geknüpft ist, ergibt sich im allgemeinen die (in dem den hier besprochenen Spezies zu Grunde gelegten System befolgte) Regel, die Salze nach dem Säureradikal anzuordnen und nur dann Salze verschiedener Säuren in Eine Abteilung zusammenzufassen, wenn die I. an gleiche Basis-, aber verschiedene Säureradikale geknüpft ist. Dieser Fall tritt ein bei den Phosphaten und Arseniaten, die im Mineralsystem zu Einer Ordnung der Sauerstoffsalze zusammengesetzt sind. So sind nicht nur Apatit (3 Ca3P2O8 + CaCl2) und Pyromorphit (3 Pb3P2O8 + PbCl) isomorph, sondern es gehört auch Mimetesit (3 Pb2As2O8 + PbCl2) in dieselbe Reihe. Weitere Beispiele für I. sind: Roteisenstein (Fe2O3) und Korund (Al2O3), Witherit (BaCO3), Strontianit (SrCO3), Aragonit (CaCO3) und Weißbleierz (PbCO3), Schwerspat (BaSO4), Cölestin (SrSO4), Anhydrit (CaSO4) und Bleivitriol (PbSO4) etc. – Mitunter wird der Begriff der I. auch weiter gefaßt. Er bezeichnet dann nur nahe Verwandtschaft der Form ohne Rücksicht auf analoge chemische Zusammensetzung und selbst ohne Rücksicht auf Zugehörigkeit zu demselben Kristallsystem. Über isodimorphe Reihen vgl. unter Heteromorphismus.