Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Inkunābeln“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 960
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Inkunābeln. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 960. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Inkun%C4%81beln (Version vom 10.03.2021)

[960] Inkunābeln (v. lat. incunabŭla, Wiege, daher Wiegendrucke, auch Paläotypen, „alte Drucke“, genannt), die Erzeugnisse der Buchdruckerkunst aus ihrer ersten Zeit. Einige rechnen nur die bis zum Jahr 1500, welche man auf 16,000 geschätzt hat, zu den I.; andre betrachten alles bis 1520, 1530, ja bis 1536 Erschienene als solche. Am meisten gesucht und als wertvolle I. geschätzt sind die frühsten Drucke aus der Zeit kurz nach der Erfindung der Buchdruckerkunst; die ersten Drucke eines Landes und einer Stadt; die Arbeiten von solchen Druckern, von denen man mit Bestimmtheit weiß, daß sie nur geringe Auflagen machten; Pergamentdrucke aus den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrh.; Werke mit besonders künstlichem oder ungewöhnlichem Druck; die ersten Ausgaben (editiones principes) der griechischen und römischen Klassiker überhaupt (von denen viele den Handschriften gleich geachtet werden); die Drucke berühmter Offizinen; erste Drucke mit Holzschnitten, Kupferstichen etc. Was zunächst das Material betrifft, so druckte man anfangs viel auf Pergament, später fast ausschließlich auf Papier. Das Papier für die I. ist durchgängig stark und weiß und läßt den kräftig schwarzen Druck angenehm in die Augen springen. Das Format der ersten Bücher war Folio. Die Lettern der ältesten Drucke sind die der Mönchsschrift ähnlichen gotischen; später werden die runden römischen Lettern gewöhnlich und besonders in Italien die herrschenden. Das erste mit gegossenen Lettern gedruckte griechische Buch ist Laskaris’ „Grammatica graeca“ (Mail. 1476). Die Initialen wurden gewöhnlich nicht mit eingedruckt, sondern in andern Farben, oft in Gold und kostbar verziert, eingeschrieben oder eingezeichnet. Die frühsten Drucke haben keine fortlaufenden Seitenzahlen; zuerst kamen Blattzahlen in Gebrauch, Seitenzahlen weit später. Dazu nahm man anfangs die römischen Zahlen; die arabischen kommen, jedoch in noch sehr unvollkommener Form, um 1470 und in der jetzigen Gestalt erst zu Ende des 15. Jahrh. vor. Titelblätter sucht man bei den ältesten I. vergebens; das erste Buch mit einem solchen soll 1485 von Jenson zu Venedig gedruckt worden sein. Gewöhnlich zeigt am Ende des Buches eine Schlußschrift den Namen des Druckers sowie den Ort und die Zeit des Druckes an. Die ersten Bücher mit Verzierungen, d. h. mit Kunstzugaben, finden sich in Deutschland und Italien. Genaue und thunlichst vollständige Verzeichnisse der I. sind enthalten in Panzers „Annales typographici ab artis inventae origine ad annum 1536“ (Nürnb. 1793–1803, 4 Bde.) und Mittaires „Annales typographici ab artis inventae origine ad annum 1557“ (Haag 1719–41, 5 Bde.). Von neuern Werken sind zu nennen: Serna Santanders „Dictionnaire bibliographique“ (Brüssel 1805–1807, 3 Bde.), namentlich für niederländische und spanische I.; für französische G. Brunets „La France littéraire“ (Par. 1865); für englische Johnsons „Typographia“ (Lond. 1824) und Blades’ „Life and typography of Caxton“ (2. Aufl., das. 1882). Vgl. auch Hain, Repertorium bibliographicum (Stuttg. 1826–38, 2 Bde.), und die verschiedenen Werke zur Geschichte der Buchdruckerkunst.