MKL1888:Initiālen
[956] Initiālen (lat.), Anfangsbuchstaben, besonders über die Textschrift hervorragende oder aus derselben heraustretende, verzierte und farbige (als Buch- oder Kapitelanfang). Als die Vervielfältigung von Handschriften und Büchern in den Händen von Schreibern lag, wurde die Hervorhebung der I. aus dem Texte durch Vergrößerung sowie durch Hinzufügung von Linien und Schnörkeln versucht, woraus sich allmählich ein ornamentales Spiel entwickelte, das im frühen Mittelalter vornehmlich durch irische Mönche einen bestimmten phantastischen Charakter erhielt. Die I. wurden anfangs durch rote Striche (daher die Benennung Miniatur) ausgezeichnet, später durch Auflegung von Goldblättchen gehoben und schließlich in bunten Farben und mit Gold ausgemalt. Zu den Ornamenten traten später Figuren und ganze Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament hinzu, welche sich auf den Inhalt des betreffenden Kapitels bezogen. Im 14. und 15. Jahrh. wurde mit den I. in Handschriften, welche als die Anfänge der Miniaturen- (Buch-) Malerei anzusehen sind, so großer Luxus getrieben, daß man I. findet, welche ganze Blattseiten von Foliohandschriften bedecken. Mit der Erfindung der Buchdruckerkunst wurden auch die I. übernommen. Anfangs wurden sie in den gedruckten Text mit der Hand hineingemalt. Später wurden sie in Holzschnitt dargestellt und dann koloriert. Die moderne Buchausstattung hat die I. wieder aufgenommen und verwertet sie mit Vorliebe nach dem Geschmack der Gotik und Renaissancezeit, aus welchen sich zahlreiche Vorbilder für figürliche und ornamentale I. in Kupferstich und Holzschnitt erhalten haben. Ihren Höhepunkt erreichte die Initialenmalerei in Italien und Frankreich zu Ende des 15. und im Anfang des 16. Jahrh. S. Tafel „Ornamente II“, Fig. 36 u. 37 (irische I.), Fig. 39, 46; [957] Tafel III, Fig. 7, 8, 16 u. 19. Vgl. Faulmann, Die Initiale (Wien 1886).