MKL1888:Hydraulischer Widder

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Hydraulischer Widder“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 836837
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Hydraulischer Widder. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 836–837. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Hydraulischer_Widder (Version vom 07.03.2022)

[836] Hydraulischer Widder (Montgolfiersche Wassermaschine, Stoßheber), eine Wasserbeförderungsmaschine, die mit Vorteil benutzt werden kann, wo es darauf ankommt, bei vorhandenem Gefälle einen Teil des durch dasselbe gelieferten Wassers auf eine mäßige Höhe zu heben. Der hydraulische Widder wurde 1797 von Montgolfier wegen seiner Stoßwirkung, die derjenigen der antiken Mauerbrecher ähnelt,

Hydraulischer Widder.

Widder genannt. Die Engländer schreiben seine Erfindung einem gewissen Whaitehurs oder auch Mathieu Boulton in Soho zu. Einrichtung u. Wirkungsweise dieser Maschine sind folgende. Der Behälter a, etwa ein Teich, Bach, Fluß (s. obenstehende Figur), steht durch eine Leitungsröhre [837] b mit einem Windkessel r in Verbindung, u. in letztern mündet eine Steigröhre d ein. Die Einmündung der Leitungsröhre in den Windkessel ist durch ein sich nach oben öffnendes Ventil, das sogen. Steigventil c, dagegen das freie Ende der Leitungsröhre mit einem sich nach unten öffnenden Ventil, dem sogen. Sperrventil v, versehen. Die Bewegung des Wassers geht nun automatisch in der folgenden Weise vor sich. Das Steigventil ist geschlossen, das Sperrventil infolge seines Gewichts offen; das Wasser fließt also bei v aus der Röhrenleitung heraus. Indem es aber von unten nach oben gegen das Ventil v strömt, übt es auf letzteres einen Druck aus, welcher, nachdem das Wasser eine gewisse Geschwindigkeit erlangt hat, hinreicht, das Ventil zu heben und damit die Ausflußöffnung zu schließen. Da in diesem Augenblick die Strömung des Wassers plötzlich unterbrochen wird, so müssen alle Röhrenwände einen Stoß erleiden, welcher im stande ist, einen weit größern Druck zu überwinden, als derjenige ist, welcher der Druckhöhe des Wassers zukommt. Durch diesen Stoß wird nun das Ventil c geöffnet und eine Partie Wasser in den Windkessel r getrieben, und zwar so lange, bis der Druck der im Kessel komprimierten Luft dem Stoß des Wassers das Gleichgewicht hält. Aus dem Windkessel wird das Wasser durch den Druck der komprimierten Luft in der Steigröhre d in die Höhe getrieben und zum Ausfluß gebracht. Sobald sich nach dem Stoß das Gleichgewicht wiederhergestellt hat, fallen die Ventile v und c durch ihr Gewicht wieder nach unten, c schließt den Windkessel ab, v öffnet die Leitungsröhre, das Wasser fließt daselbst von neuem aus, und das frühere Spiel wiederholt sich. Der hydraulische Widder hat bisher in der Praxis wenig Anwendung gefunden, obgleich er wegen seiner Einfachheit wohl Beachtung verdient. Boulton und Leblanc haben sogen. saugende Stoßheber konstruiert, welche das Wasser durch Ansaugen emporheben. Leblancs Apparat wurde beim Schleusen- und Kaibau zu Laval verwendet. Der von Bollée in Mans verbesserte Stoßheber soll unter den günstigsten Umständen einen Nutzeffekt von 75–80 Proz. ergeben. Der hydraulische Widder soll sich bei kleinen Wasserversorgungen und Bewässerungen bei dem Vorhandensein von Quellwasser mit Gefälle recht gut bewähren, kommt aber zur Zeit wohl nur sehr selten noch vor. Eingehende Versuche über die Leistungen des Stoßhebers hat Eytelwein angestellt („Bemerkungen über die Wirkung und vorteilhafte Anwendung des Stoßhebers“, Berl. 1805). Vgl. Weisbach-Herrmann, Ingenieur- und Maschinenmechanik, 3. Teil, Abt. 2 (Braunschw. 1880–82); „Handbuch der Ingenieurwissenschaften“, Bd. 4, Abt. 1 (Leipz. 1883).