Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Herculanĕum“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 411412
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Herculanĕum. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 411–412. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Herculan%C4%95um (Version vom 25.04.2024)

[411] Herculanĕum, im Altertum eine Küstenstadt Kampaniens, zwischen Neapel und Pompeji am Fuß des Vesuvs gelegen, war von Haus aus eine oskische Gründung, in welche später Etrusker und Samniter eindrangen. Es ward 307 römisch, wurde im Bundesgenossenkrieg (90–88 v. Chr.) vom Prokonsul T. Didius erobert, dann neu kolonisiert, aber bereits 63 n. Chr. unter Nero durch ein Erdbeben zur Hälfte in Trümmer gelegt und 16 Jahre später durch den furchtbaren Ausbruch des Vesuvs 24. Aug. 79 mit den nahegelegenen Städten Pompeji und Stabiä gänzlich verschüttet. Nach und nach erhoben sich 12–30 m über den Trümmern neue Ortschaften, Portici, Resina u. a., auf der Masse. So wurde die Stadt, obwohl die Alten ihre Lage genau angeben, vergessen oder doch, wie von Klüver, falsch angesetzt. Erst 1711 stieß man beim Graben eines Brunnens auf das alte Theater und fand namentlich mehrere schöne weibliche Gewandstatuen (jetzt im Museum zu Dresden). Ausgrabungen im größern Maß begannen erst 1738, nach der Thronbesteigung Karls III., und wurden nach verschiedenen Unterbrechungen in neuerer Zeit besonders 1869–76, wieder aufgenommen. Die Ausgrabung ist nur mittels Stollen und unterirdischer Gänge möglich und überaus schwierig, weil man der darüberstehenden Orte wegen überall Pfeiler stehen lassen muß. Auch ist der größte Teil des Aufgedeckten nach genauer Untersuchung und Ausräumung alles Transportabeln wieder zugeschüttet worden. Die gefundenen Kunstwerke, namentlich die Bronzestatuen (jetzt im Museum von Neapel), übertreffen die von Pompeji an Wert, während die baulichen Reste Herculaneums geringeres Interesse beanspruchen. Zugänglich ist besonders das Theater, ganz aus Stein, mit 19 Sitzreihen und für 8–10,000 Personen berechnet; südlich davon ein Tempel. Dort beginnt eine breite, mit Säulengängen eingefaßte Straße, an deren Nordostseite eine Basilika sich erhebt. Besonders interessant ist ein aufgedecktes Privathaus, das des Argus, mit kostbarer Ausschmückung und einem großen Garten. Ein andres Haus ist merkwürdig durch die darin noch in verschlossenen Vorratskammern gefundenen Viktualien. Außerdem hat man z. B. chirurgische Instrumente in dem Haus eines Wundarztes und die Bude eines Barbiers entdeckt, in welcher alles, die Gerätschaften, die Wartebänke für die Kunden, die Badestube und sogar die Haarnadeln, merkwürdig gut sich erhalten hat. Menschliche Gerippe und Kostbarkeiten sind bis jetzt wenig gefunden worden, da die Einwohner Zeit hatten, sich zu retten. Von gefundenen Kunstwerken verdienen zwei größere Gemälde, das eine Theseus und den Minotauros, das andre Telephos und Herakles darstellend, besondere Erwähnung. Ein sehr schönes Gemälde ist unter dem Namen die Amorhändlerin von H. berühmt; ein andres zeigt eine Bacchantin, wieder ein andres Merkur vor Argos und Io. Zu den vorzüglichern [412] unter den aufgefundenen Statuen gehören die des Merkur und eine weibliche Statue, ferner eine Viktoria, eine Venus, eine Diana, ein schlafender Faun von natürlicher Größe, zwei Kanephoren, eine kämpfende Amazone, die Statuen der Familie Balbus etc. In der Casa di Aristide, außerhalb der Stadtmauern, fand sich eine ansehnliche Sammlung von beschriebenen, freilich ganz verkohlten Papyrusrollen, welche aber die anfangs gehegte Hoffnung, daß sie noch unbekannte wertvolle Schriften des Altertums enthalten würden, täuschten: es waren, soweit sie entziffert sind, ziemlich uninteressante Abhandlungen über die Philosophie der Epikureer. Vgl. „Le antichità di Ercolano“ (Neap. 1757–92, 8 Foliobände); Jorio, Notizie sugli scavi d’Ercolano (das. 1827); Ruggiero, Storia degli scavi di Ercolano (das. 1886).