Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Haselstrauch“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 200
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Haselstrauch. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 200. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Haselstrauch (Version vom 23.02.2023)

[200] Haselstrauch (Haselstaude, Corylus L., hierzu Tafel „Haselstrauch“), Gattung aus der Familie der Kupuliferen, Sträucher oder Bäume mit großen, rundlichen oder breit länglichen, gesägten Blättern, zu 2–3 an vorjährigen Zweigen stehenden männlichen Blütenkätzchen, kleinen, knospenförmigen weiblichen Blüten, welche in Laubknospen überwintern und im Frühjahr nur die rote Narbe aus diesen hervorstrecken, und einsamiger, hartschaliger Nuß. Man kennt sieben Arten in gemäßigten Klimaten der nördlichen Hemisphäre. Der gemeine H. (C. avellana L., s. Tafel), nach der Stadt Avellino in Unteritalien benannt, ein 2–4 m hoher Strauch mit grauen Ästen, drüsig rauhhaarigen Zweigen, kurzgestielten, rundlich herzförmigen, zugespitzten, schwach eckig gelappten, doppelt gesägten Blättern und glockenförmiger, zerrissen gezahnter Hülle von der Länge oder wenig länger als die Frucht. Der H. findet sich durch ganz Europa, in Nordafrika und in Vorderasien bis an das Kaspische Meer, wo er die höchsten Spitzen der Gebirge erreicht. Im Algäu erreicht der H. seine obere Grenze mit der Buche, in den östlichen Alpen bleibt er unter dieser 160 m zurück. Der H. hat forstwirtschaftlich keine große Bedeutung. Seine hohen Ansprüche an die Bodenkraft machen ihn ungeeignet, die Lücken in den Beständen auf ärmerm Boden zu füllen, und da, wo er von Natur fortkommt, gedeihen weit nutzbarere Holzarten. Nur als Mischholz im Eichenniederwald (Eichenschälwald) leistete er oft gute Dienste; sein starker Blattabfall führt dem Boden reichlichen Humus zu. Man vermehrt ihn durch Stockausschläge und Ableger. Die Veredelung geschieht durch das sogen. Anpfeilern, durch Pfropfen in den Spalt oder durch Okulieren. Starke junge Ruten dienen zu Stöcken, Gitterwerk, Blumenstäben etc. Das Holz ist weich, fein, gut spaltbar, aber von kurzer Dauer; man benutzt es zu Tischlerarbeiten, früher zu Wurfspeerschäften, häufiger wird es gespalten und in seinen Spänen zu allerlei Flechtwerk benutzt. Die Kohle dient als Reißkohle zum Zeichnen, auch zur Bereitung von Schießpulver. Die Nüsse des gemeinen Haselstrauchs sind länglich, mit einer Spitze versehen; man kultiviert aber auch eine Form, bei welcher die gleichgestalteten Nüsse doppelt so groß sind. Diese Form wurde zu Anfang des vorigen Jahrhunderts in Franken, besonders beim Kloster Zell und bei Bamberg, kultiviert (Zeller oder Bamberger Nüsse), später durch rundliche Zeller Nüsse verdrängt. Eine zweite Form mit rundlichen Nüssen, die aber am obern Teil etwas eckig sind, ist bei uns aus Südeuropa, besonders von Lyon und Barcelona, eingeführt (italienische, römische, Lyoner H., Barcelonanuß). Außerdem werden einige Varietäten, auch eine mit braun purpurroten Blättern, in Gärten kultiviert. Die Lambertshasel (C. maxima Mill.) ist größer als die gemeine, oft baumartig; die Blätter haben einen oft sehr intensiven braunroten Schein, die Nuß gleicht am meisten der Zeller Nuß und ist von einer sehr langen, eingeschnürten, am obern Ende geschlitzten Fruchthülle umgeben (daher der aus „Langbart“ verstümmelte Name). Diese Art, deren Vaterland unbekannt ist, ist gegen unsern strengen Winter etwas empfindlich. Von der pontinischen Hasel (C. pontica C. Koch) im Pontinischen Gebirge, deren Fruchthülle die Nuß gleichfalls weit überragt, aber nicht eingeschnürt und an der einen Seite tief gespalten ist, kamen die Nüsse als Nuces ponticae nach Konstantinopel und Rom. Die Baumhasel (C. Colurna L.), welche im südöstlichen Europa und im Pontinischen Gebirge kultiviert wird und bis zum Himalaja geht, ist stets baumartig, bis 20 m hoch, besitzt herzförmige, spitze, doppelt bis gelappt gesägte Blätter, die Früchte stehen gedrängt und sind von einer vielfach geschlitzten, aber nur wenig längern Hülle umgeben. Sie bildet in Unterösterreich, Ungarn und im Banat ganze Bestände, aber ihre Nüsse sind weniger schmackhaft als die der andern Arten. Das Holz ist schön lichtbraun und namentlich in Wien zu Möbeln und Schnitzereien sehr gesucht. – Die Haselnuß wird seit sehr alter Zeit kultiviert, ist aber durch die Kultur wenig verändert worden. Sie bildet im Süden und Osten Europas einen wichtigen Handelsartikel; die Stadt Avellino versendet, wie schon im Altertum, ganze Schiffsladungen; auch in Piemont wird sie gebaut und besonders nach Paris exportiert; England bezieht jährlich an 125,000 Bushels aus Spanien. Große Kulturen befinden sich in Böhmen auf den Schwarzenbergschen Gütern und in Calsot bei Reuding. Die Nuß dient nicht nur als Dessertobst, sondern gibt auch fettes Öl. Viele Varietäten der angeführten und andrer Arten werden als Ziersträucher kultiviert. Vgl. Palandt, Der H. und seine Kultur (Berl. 1882); Rosenthal, Vorzügliche und interessante Haselsträuche (Wien 1883).

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Haselstrauch.
Haselstrauch (Corylus Avellana).

1. Trieb mit männlichen Kätzchen (a) und weiblichen Blüten (b). 2. Männliche Blüte von oben. 3. von unten, 4. von unten ohne Staubgefäße. 5. Staubgefäße, vergrößert. 6–8. Weibliche Blüte. 9. Ovarium, im Durchschnitt. 10. Zweigspitze mit Blättern und Früchten. 11. Aus dem Fruchtschüsselchen gelöste Frucht. 12. Samenkorn. 13. Der eine Samenlappen mit dem Keim. 14. Längsdurchschnitt durch beide Samenlappen.