Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Hartguß“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 182183
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Hartguß. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 182–183. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Hartgu%C3%9F (Version vom 19.04.2021)

[182] Hartguß, aus besonderm Metall und auf besondere Weise erhaltener Eisenguß von großer Härte und Festigkeit. Das Material zum H. gewinnt man entweder direkt aus manganhaltigem Braun- oder Spateisenstein durch Verhüttung mit Holzkohle oder häufiger durch Zusammenschmelzen von stahlhartem weißen und weichem tiefgrauen Roheisen, bisweilen unter Zusatz von Mangan, Schmiedeeisen oder Stahl. Gewöhnlich wird nun dies Material in metallene Koquillen (Schalen-, Koquillenguß, Kapselguß) gegossen, welche die Wärme schnell ableiten und dadurch die chemische Bindung des Kohlenstoffs in der äußern Schicht des Gußstückes, mit andern Worten die Bildung einer äußern Schicht von weißem Roheisen bewirken, welches nach dem Innern zu ohne merkbare Grenze in halbiertes und endlich in graues Roheisen übergeht. Die verschiedenen Schichten des Hartgusses können, dem Zweck des Gußstückes entsprechend, in ihrer Stärke reguliert werden und zwar sowohl durch die Modifizierung der Mischungsverhältnisse der Grundstoffe als auch vor allem durch die Dimensionen der Koquille im Verhältnis zu der Masse des ganzen Stückes und durch eine entsprechende Vorwärmung der Koquille. Da aber die Bearbeitung der auf Koquillen gegossenen Flächen wegen ihrer Härte große Schwierigkeiten bietet, so läßt man die Koquille sich nur auf diejenigen Teile des Gußstückes erstrecken, welche eine harte Oberfläche erfordern. Erst nach langen Bemühungen ist es gelungen, mit Anwendung von besonders konstruierten und gehärteten Schleifsteinen und Schmirgelscheiben eine praktisch brauchbare Bearbeitungsmethode für die harten Flächen zu finden. Kaum geringere Bedeutung als die in Koquillen gegossenen haben für den Maschinenbau die ohne Anwendung von Koquillen erzeugten Hartgußfabrikate, welche sich vor dem gewöhnlichen Gußeisen durch ihre große Widerstandsfähigkeit gegen Stöße und Durchbiegungen auszeichnen und diese Eigenschaft lediglich der sorgfältigen Auswahl und Mischung der Materialien verdanken.

Die Benutzung des Hartgusses ist eine sehr vielseitige. Man verwendet ihn zu Eisenbahnschienen, Kreuzungs- und Herzstücken, Rädern für Eisenbahn- und Pferdebahnwagen und Lokomotiven, Signalglocken, Läufersteinen, Mühlenbahnen, Rammbären, Hämmern und andern Werkzeugen, Ambossen, Gesenken, Lochplatten, Zieheisen, vor allem aber zu Walzen aller Art, dann zu Maschinenteilen, besonders für landwirtschaftliche Maschinen, wo er den Stahl mehr und mehr verdrängt hat, und zu Geschossen. Der ohne Koquillen hergestellte H. dient zu Bremsklötzen, Balanciers, gekröpften Wellen, Kurbeln, Bleuelstangen, Dampfkolben und Kolbenringen, Pumpenkolben und ganzen Drucksätzen in Bergwerken, ferner zu hydraulischen Cylindern, Schmelzgefäßen, Kesseln, in welchen Salzlösungen oder Säuren gekocht werden sollen, zu Planroststäben etc. In Bezug auf Kugelguß in Koquillen leistet Gruson zu Buckau bei Magdeburg das Bedeutendste, hauptsächlich infolge genauer Kenntnis des richtigen Schwindmaßes für die beste Gußtemperatur des zur Anwendung gebrachten ausgezeichneten Roheisens (vom Harz), von welchem ein in Masse (fettem Sand) gegossener Barren von 2,6 cm im Quadrat, auf 94 cm weit voneinander entfernte Stützpunkte gelegt, ohne zu zerbrechen, 600–700 kg trägt und dabei nur eine 1,64–2,29 cm betragende, nach der Entlastung wieder verschwindende Einbiegung zeigt. Mit solchem [183] Material lassen sich Gußstücke, z. B. Eisenbahnherzstücke, bis auf 5 cm Tiefe abschrecken. Die Geschosse aus Grusonmetall, welche einen grauen bis halbierten Kern bei strahlig silberweißem Rand zeigen und 2,15–2,40 Proz. Kohlenstoff enthalten, werden in der Weise geformt, daß auf einer massiven Koquille von äußerlich kelchartiger Gestalt die Formkasten für Mantel und Böden festsitzen und im obern Formkasten bei Hohlgeschossen die Kerne aufgehängt und befestigt werden. Die Hartgußfabrikation von Ganz in Budapest soll darin bestehen, daß in die Gußform eine dicke Lage von mit Weingeist angerührtem metallischen Antimon gebracht und in die getrocknete Form flüssiges Roheisen gegossen wird, wobei sich eine harte Legierung von Eisen und Antimon auf der Oberfläche der Gußstücke bildet. Vgl. Dürre, Handbuch des Eisengießereibetriebs, Bd. 2 (2. Aufl., Leipz. 1875).