Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Hüttenkunde“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 827
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Hüttenkunde. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 827. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:H%C3%BCttenkunde (Version vom 23.03.2022)

[827] Hüttenkunde, die Lehre von den wissenschaftlichen Grundsätzen, auf welchen die Abscheidung der nutzbaren Metalle aus ihren Erzen im großen, in Hüttenwerken, seltener durch mechanische als durch chemische Prozesse (Hüttenprozesse) beruht. Als Hilfswissenschaften für dieselbe kommen vorzugsweise Chemie, Physik und Mineralogie, dann auch Mechanik, Maschinenlehre, Mathematik, Baukunst u. a. in Betracht. Bald nimmt man H. und Metallurgie für identisch, bald versteht man unter letzterer im weitern Sinn die Lehre von der Metallgewinnung überhaupt und zieht auch die Aufbereitungskunde mit in ihr Gebiet; bald weist man der Metallurgie im engern Sinn nur den theoretischen Teil, der H. mehr den praktischen Teil des Hüttenwesens, d. h. der Gesamtheit aller zur Anlage und zum Betrieb von Hütten erforderlichen Kenntnisse, zu. Man teilt die H. gewöhnlich in einen allgemeinen und einen speziellen Teil. Der allgemeine Teil handelt von den besonders den Hüttenmann interessierenden chemischen und physikalischen Eigenschaften der Metalle und ihrer Verbindungen; von den Hüttenprozessen (trockne und nasse Prozesse, je nachdem die chemischen Reaktionen durch Wärme oder durch Behandlung der Substanzen mit Flüssigkeiten herbeigeführt werden, z. B. ersternfalls Rösten, Schmelzen, Sublimieren, Destillieren etc., letzternfalls Auflösen, Fällen, Amalgamieren etc.); von den zur Hervorbringung dieser Reaktionen erforderlichen Materialien (Erze, Zuschläge, Brennmaterialien etc.) und Hüttenapparaten und zwar Hauptapparaten (Öfen, Lösegefäße etc.) und Hilfsapparaten (Gebläse, Winderhitzungsapparate etc.); endlich von den Hüttenprodukten, welche aus den Prozessen hervorgehen und sein können: Edukte, die aus den Erzen dargestellten Rohmetalle (Kupfer, Blei, Silber etc.); Hüttenfabrikate, als Handelsware abzugebende zusammengesetzte Substanzen, welche als solche in den Erzen nicht präexistieren, sondern während der Verhüttung derselben durch Vereinigung mehrerer Bestandteile entstanden sind (Hartblei, Realgar etc.); Zwischenprodukte, bei Hüttenprozessen entstandene zusammengesetzte Substanzen, welche nicht technisch nutzbar, also keine Handelsware sind und bei größerm Metallgehalt entweder für sich oder gemeinschaftlich mit Erzen weiter verarbeitet werden (Schwarzkupfer, Werkblei, Leche oder Steine, Speisen, reiche Schlacken etc.), oder bei nur geringem, mit Vorteil nicht mehr auszuziehendem Metallgehalt als Hüttenabfälle weggeworfen werden (arme Schlacken, Eisensauen, manche Ofenbrüche etc.). Der spezielle Teil der H., welchen man wohl in die Metall- und Eisenhüttenkunde zerfallen läßt, umfaßt die Lehre von der hüttenmännischen Gewinnung der einzelnen Metalle unter besonderer Berücksichtigung der dazu erforderlichen Materialien, Apparate und der auf den verschiedenen Hüttenwerken vorkommenden Abweichungen. Vgl. außer den ältern Werken von Lampadius, Karsten, Wehrle u. a.: Scheerer, Lehrbuch der Metallurgie (Braunschw. 1848–1853, 2 Bde.; unvollendet); Plattner-Richter, Vorlesungen über allgemeine H. (Freiberg 1860–63, 2 Bde.); Rivot, Principes généraux du traitement des minerais métalliques (2. Aufl., Par. 1872; deutsch von Hartmann, Naumb. 1860, 2 Bde.); Percy, Metallurgie (deutsch von Knapp, Wedding und Rammelsberg, Braunschw. 1863–81, 4 Bde.); Stölzel, Metallurgie (das. 1863–86); Kerl, Handbuch der metallurgischen H. (2. Aufl., Leipz. 1861–65, 4 Bde.); Derselbe, Grundriß der allgemeinen H. (2. Aufl., das. 1879); Derselbe, Grundriß der Metallhüttenkunde (2. Aufl., das. 1880) und der Eisenhüttenkunde (das. 1875); Dürre, Allgemeine H. (das. 1877); Balling, Die Metallhüttenkunde (Berl. 1885); Beckert, Leitfaden zur Eisenhüttenkunde (das. 1885); Frantz und Dannenberg, Hüttenmännisches Wörterbuch (Leipz. 1882).