Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Guerillas“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 7 (1887), Seite 903
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Guerillas. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 903. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Guerillas (Version vom 07.05.2021)

[903] Guerillas (span., spr. gherilljas, „Freischaren“), in Spanien bewaffnete Volkshaufen, die besonders nach der französischen Invasion von 1808 sich bildeten und neben den regulären Truppen durch Führung des kleinen Kriegs dem Feind bedeutenden Schaden zufügten. Diese Kriegsweise ist den Spaniern zu allen Zeiten eigentümlich gewesen, in gleicher Weise ein Produkt ihres die strenge militärische Zucht abweisenden Naturells und der Formation des Landes, welches in schwer zugänglichen Gebirgen den G. vortreffliche Stützpunkte gewährt. Mit ihr hatte einst Viriathus den Römern jahrelang Widerstand geleistet, hatten die Christen ihre ersten Erfolge gegen die Araber errungen, im spanischen Erbfolgekrieg die Anhänger der Bourbonen und der Habsburger einander befehdet. Als daher die regelmäßigen Heere von den Franzosen zersprengt waren, erließ die Zentraljunta 28. Dez. 1808 ein Dekret, welches im ganzen Reich, besonders aber in den Gebirgen, die Bildung von G. anordnete, um kleinere Abteilungen des Feindes zu überfallen, seine Kommunikationen abzuschneiden, seine Depots aufzuheben, dabei auch den Nationalhaß überall lebendig zu erhalten. In wenigen Monaten bedeckte sich das Land mit solchen Banden unter Führung von Bauern, Mönchen, Schmugglern, Offizieren etc., welche zwar das Land selbst arg ruinierten, aber den Franzosen auch unüberwindliche Schwierigkeiten bereiteten. Die durch die französischen Siege versprengten Soldaten füllten ihre Reihen. Unter kühnen Führern wurden die G. schon im Frühjahr 1809 größern feindlichen Korps so gefährlich, daß z. B. Victor und Sébastiani nicht nach Andalusien vordringen konnten. Oft gelang es den G., wichtige Posten abzufangen, vor allem wurden die Franzosen gezwungen, ihre Etappen stark zu besetzen und ihre Kräfte in einem ermüdenden und blutigen Parteigängerkampf aufzureiben. Repressivmaßregeln steigerten nur die Rachsucht, die Verwüstung des Landes die Zahl der verzweifelten Kämpfer. An dem Scheitern der Kriegspläne Napoleons haben die G. einen Hauptanteil gehabt, und unter ihren Anführern sind als besonders durch Glück, Charakter und persönliches Schicksal ausgezeichnet außer Empecinado zu nennen: der Alte von Sereña, Pastor, welcher später General wurde, Abuelo, Chacelo, besonders[WS 1] aber der Pfarrer Merino (s. d.). Auch der englische General Robert Wilson (s. d.) hatte großen Einfluß auf die Organisation der G. und deren Erfolge. Nach dem Frieden von 1814 arteten die G. zum Teil in Räuberbanden aus, welche einzelne Provinzen arg heimsuchten. Durch Verfolgte und Unzufriedene verstärkt, gewannen sie infolge der Revolution von 1820 eine neue politische Bedeutung. Durch den Fanatismus der Pfaffen aufgereizt, bildeten sich royalistische G., denen konstitutionelle entgegentraten, so daß sich zwischen beiden ein förmlicher Parteikampf entspann. Nach dem Abzug der Franzosen gab die Verfolgung der politisch Kompromittierten dem Bandenwesen in Spanien neue Nahrung, welches nun wieder in gemeine Räuberei überging. Auch um die Ansprüche des Don Karlos nach Ferdinands VII. Tod 1833 durchzusetzen, beriefen die Priester, vor allen Merino, wieder G., so daß der damalige Bürgerkrieg in den ersten Jahren einzig von diesen Banden unterhalten wurde. Später, mit der Organisierung des karlistischen Heers, verlor sich der Name G., jedoch nicht die Kriegsart derselben. Im letzten Karlistenkrieg seit 1872 endlich traten wieder G. auf unter Führern wie der Pfarrer Santa Cruz, Saballo u. a., die dem Kampf einen grausamen Charakter aufgeprägt haben. Auch die Mexikaner haben im Kampf gegen die Franzosen 1863–66 mit Erfolg Guerillabanden gebildet.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: beson-|sonders