Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Grimmelshausen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 7 (1887), Seite 745
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Grimmelshausen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 745. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Grimmelshausen (Version vom 26.04.2023)

[745] Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von, der Verfasser des Romans „Simplicissimus“, war um 1625 zu Gelnhausen von protestantischen Eltern geboren, that in seiner Jugend Kriegsdienste, bekleidete später verschiedene Stellungen an deutschen Fürstenhöfen, zuletzt bei dem Straßburger Bischof Leopold Wilhelm von Österreich, und starb, nachdem er zur katholischen Kirche übergetreten, als Schultheiß zu Renchen in Baden 17. Aug. 1676. Der Name Samuel Greifenson v. Hirschfeld, unter welchem jener Roman gewöhnlich aufgeführt wurde, ist nur eine anagrammatische Umstellung seines wahren Namens, wie auch die Namen Seigneur Meßmahl, Michael Rehulin v. Sehmsdorf, German Schleifheim v. Sulsfort u. a., unter denen G. ebenfalls schrieb. Erst in seinen spätern Lebensjahren scheint er als Schriftsteller aufgetreten, dann aber auch um so thätiger gewesen zu sein. Von seinen Schriften fand die meiste Verbreitung der oben genannte Roman „Der abenteuerliche Simplicissimus, Teutsch, d. h. die Beschreibung des Lebens eines seltzamen Vaganten, genannt Melchior Sternfels von Fuchshaim etc.“, der, sechs Bücher umfassend, zu Mömpelgard 1669 in drei Ausgaben erschien. Dieses erst in neuerer Zeit richtig gewürdigte Werk ist der lebensvollste Roman der zweiten Hälfte des 17. Jahrh.; er erhob sich zu wirklich poetischer Bedeutung durch die in ihm enthaltene Fülle echter Stimmung. Schon der Kontrast der Friedenssehnsucht in der Seele des Helden mit dem blutigen Soldatenleben und wilden Abenteurertum, durch welches „Simplex“ hindurchgetrieben wird, wirkt ergreifend. Die treuen Bilder des großen Kriegs sowie der verwilderten deutschen Gesellschaft nach dem Krieg werden durch einen frischen Humor erträglich, und neben aller Derbheit, ja Roheit leben in dem Roman deutsches Gemüt und das Verlangen nach dem Idealen und Ewigen. Von den neuern Ausgaben des Werkes sind die von A. v. Keller für den Litterarischen Verein in Stuttgart besorgte (1852–62, 4 Bde.), die von H. Kurz (in „Simplicianische Schriften“, Leipz. 1863–64; mit litterarischen Einleitungen und Anmerkungen), von J. Tittmann (2. Aufl., das. 1877, 2 Bde.) und der von Kögel besorgte Neudruck (Halle 1880) hervorzuheben. Umarbeitungen erschienen von E. v. Bülow (Leipz. 1836, nur die fünf ersten Bücher umfassend), Lauckhard (das. 1876) und E. H. Meyer (Brem. 1876). Nicht so hoch wie der „Simplicissimus“ standen Grimmelshausens übrige Erzählungen: „Trutz Simplex oder Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche“ (o. O. u. J., ungefähr 1669), „Der seltzame Springinsfeld“ (1670) und „Das wunderbarliche Vogelnest“ (o. O. 1672; alle drei neu hrsg. von Kurz in den „Simplicianischen Schriften“ [s. oben] und von Tittmann in „Simplicianische Schriften“, Leipz. 1877, 2 Bde.). Ihnen reihen sich verschiedene Schriften satirischen Charakters an, wie: „Schwarz und weiß oder die Satirische Pilgerin“ (1666), „Der teutsche Michel“ (1670), „Das Rathstübel Plutonis“ (1672), „Die verkehrte Welt“ (1673) u. a. Neben diesen der volkstümlichen Richtung angehörigen Werken versuchte sich G. auch im breit-redseligen und galanten Kunstroman seiner Zeit; „Des vortrefflichen keuschen Josephs in Ägypten erbauliche Lebensbeschreibung“ (Nürnb. 1670), „Dietwalds und Amelindens anmutige Lieb- und Leidsbeschreibung“ (das. 1670) und „Des durchlauchtigen Prinzen Proximi und seiner ohnvergleichlichen Lympidä Liebesgeschichterzählung“ (das. 1672) sind charakteristische Proben der aufgebauschten und leblosen Erzählungskunst jener Tage. Eine Gesamtausgabe der Schriften Grimmelshausens erschien Nürnberg 1683–1713 in 3 Teilen. Im J. 1879 wurde ihm zu Renchen ein Denkmal in Form eines 6,5 m hohen Obelisken aus blaurotem Sandstein errichtet.