Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Gichtel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 7 (1887), Seite 329
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Gichtel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 329. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Gichtel (Version vom 26.12.2022)

[329] Gichtel, Johann Georg, Schwärmer und Mystiker, geb. 14. März 1638 zu Regensburg, ward daselbst 1664 Advokat. Er beschäftigte sich jedoch fortwährend mit religiösen, später besonders mit Jakob Böhmes Schriften, die er zuerst vollständig herausgab (1682). Auch trat er in persönlichen Verkehr mit andern Schwärmern, namentlich mit dem Holländer Breckling. 1668 kam er infolge seiner Befehdung der Orthodoxie ins Gefängnis und an den Pranger. Er suchte nun eine Zufluchtsstätte in Amsterdam. Seine Lehre, daß man einzig auf den „Gott in uns“ hören, dagegen um die Bedürfnisse des Lebens sich nicht bekümmern solle, rief Arbeitsscheu und Zerwürfnisse in den Familien hervor. Er starb 21. Jan. 1710 in Amsterdam. Seine „Theosophia practica“ ward von seinem Schüler Gottfr. Arnold (1701–1708, 3 Bde.) und von Überfeld (1722, 6 Bde.) mit seiner Biographie herausgegeben. Die Glieder der von ihm gestifteten kleinen Gemeinde in Holland hießen nach ihm Gichtelianer; sie selbst nannten sich Engelsbrüder, weil sie bis zur Reinheit der Engel sich zu erheben hofften, indem die vollkommenen Glieder (Melchisedeksche Priester) sich des ehelichen Umganges enthielten und nur von freiwilligen Gaben lebten. An ihre Spitze stellte sich ein Kaufmann J. W. Überfeld aus Frankfurt a. M. Sie haben sich in Norddeutschland bis ins 19. Jahrh. herein erhalten. Vgl. Reinbeck, Gichtels Lebenslauf und Lehren (Berl. 1732); Harleß in der „Evangelischen Kirchenzeitung“ 1831; Lipsius in Ersch und Grubers „Encyklopädie“, Bd. 66.