MKL1888:Geographische Gesellschaften

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Geographische Gesellschaften“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 7 (1887), Seite 125126
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Geographische Gesellschaften. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 125–126. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Geographische_Gesellschaften (Version vom 15.03.2022)

[125] Geographische Gesellschaften, Vereine zur Verbreitung und Erweiterung geographischer Kenntnisse, sind Kinder unsers Jahrhunderts. Allerdings hatten sie einen Vorläufer in der 1788 zu London gegründeten African Society, welche jedoch ihr erfolgreiches Streben nur auf die Erforschung Afrikas richtete. Aber ihr eigentliches Bestehen datiert erst von der Stiftung der Société de géographie zu Paris 1821. Seitdem breiteten sie sich über alle Kulturländer [126] Europas aus, stifteten in Asien mehrere Zweigvereine, fanden in Amerika Nachahmung und sind neuerdings sogar auf afrikanischen und australischen Boden verpflanzt worden. Je nach dem Sitz, den leitenden Kräften und den Geldmitteln haben sie sich in sehr verschiedener Weise entwickelt; manche können nur im engen Kreis zur Verbreitung geographischer Kenntnisse beitragen, andre nützen fast ausschließlich durch Publikationen, wieder andre können Expeditionen ausrüsten und in großartiger Weise in den Fortschritt der Erdkunde eingreifen. Einige setzen auch Preise aus und ehren große Entdecker durch Verleihung von Medaillen. Die älteste geographische Gesellschaft ist die 1821 zu Paris gegründete, welche gegenwärtig 2250 Mitglieder zählt, eine jährliche Einnahme von 73,867 und ein Vermögen von 28,438 Mk. hat. Bis zum Jahr 1873 blieb sie auch die einzige in Frankreich, dann aber entstand schnell in den verschiedensten Städten eine Reihe geographischer Vereine, deren Zahl Ende 1885 schon 23 betrug. An mehrere derselben schließen sich Zweigvereine oder Sektionen an. Die zweitälteste Gesellschaft ist die 1828 gestiftete Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, Ende 1885 mit 887 Mitgliedern, einer Jahreseinnahme von 30,143 Mk. und einem Kapitalvermögen von 86,000 Mk. Ihre Vorsitzenden: A. v. Humboldt, Karl Ritter, H. Berghaus, Ehrenberg, Kiepert, Dorn, Barth, Bastian, v. Richthofen, Nachtigal sind sämtlich Gelehrte ersten Ranges. Seit Berlin des Deutschen Reiches Hauptstadt geworden, gewann diese Gesellschaft noch mehr an Ansehen, und sowohl die von ihr herausgegebene „Zeitschrift“ als die „Verhandlungen“ beweisen, in welch reger und fördernder Weise in ihr die Erdkunde betrieben wird. In Deutschland ist die Vereinsthätigkeit am allerrührigsten gewesen. Auf Berlin folgten 1836 Frankfurt a. M., 1845 Darmstadt, 1861 Leipzig, 1863 Dresden, 1869 München, 1870 Bremen, 1873 Halle und Hamburg, 1877 Freiberg i. S., 1878 Metz, Hannover und der Zentralverein für Handelsgeographie in Berlin, 1880 Karlsruhe, 1882 Jena, Lübeck, Königsberg i. Pr., Greifswald, Kassel und Stettin, 1883 Aschersleben, 1884 Hamburg, so daß die Gesamtzahl der geographischen Gesellschaften in Deutschland gegenwärtig sich auf 24 beläuft, von denen die meisten Jahresberichte herausgeben. Der dritte geographische Verein nach chronologischer Reihenfolge ist die 1830 gegründete Royal Geographical Society zu London, welche namentlich unter Sir Roderick Murchison sich zu hoher Bedeutung entfaltete. Sie zählte 1885: 3393 Mitglieder, hatte eine Jahreseinnahme von 188,150 und ein Kapitalvermögen von 390,800 Mk. Die Gesellschaft gibt jährlich das „Journal“ und in monatlichen Heften die „Proceedings“ (mit denen 1879 das „Geographical Magazine“ verschmolzen ward) heraus und hat in ihrem Vereinshaus ein astronomisches Observatorium zur praktischen Vorbereitung von Forschungsreisenden errichtet. Bis zum Jahr 1884 war sie in Großbritannien die einzige; in diesem Jahr entstanden weitere g. G. zu Manchester und Edinburg, von denen die letzte gleichfalls Monatshefte veröffentlicht. Eine der bedeutendsten Gesellschaften ist die 1845 gegründete Kaiserlich russische geographische Gesellschaft zu Petersburg mit 846 Mitgliedern, einer Jahreseinnahme von 115,115 und einem Vermögen von 117,698 Mk. Sie läßt große Kartenwerke herstellen, entsendet Expeditionen zur Erforschung des russischen Asien, gibt Denkschriften und Verhandlungen in russischer Sprache heraus und hat in Asien mehrere Sektionen, seit 1850 in Tiflis, seit 1851 in Irkutsk und seit 1877 in Omsk. In Rußland ist sie die einzige. Auch Österreich-Ungarn besaß bis 1872 nur eine Geographische Gesellschaft, die 1856 zu Wien gegründete, sehr bedeutende, welche 1885 bei 1348 Mitgliedern eine Einnahme von 12,205 und ein Vermögen von 52,118 Mk. hatte. Sie gibt monatlich Mitteilungen heraus, ebenso wie eine 1872 in Budapest gegründete Gesellschaft, deren in magyarischer Sprache verfaßtes Organ („Földrajzi Kozlemĕnyek“) zugleich einen Auszug in französischer Sprache enthält. Sonst hat mit Ausnahme von Norwegen, Griechenland, der Türkei und Serbien jeder europäische Staat eine oder mehrere g. G. Gegenwärtig haben Deutschland, wie oben aufgezählt, 24 g. G., Frankreich 23: zu Paris (5), Lyon, Bordeaux, Marseille, Montpellier, Nancy, Rouen, Rochefort, Douai, Bourg, Dijon, Lille, Toulouse, Lorient, Nantes, Brest, St.-Valéry en Caux, Tours und Havre; je 6 haben die Schweiz: zu Genf, Bern, St. Gallen, Herisau, Aarau, Neuchâtel, und Italien: zu Rom, Mailand, Neapel, Florenz, Turin, Palermo; Großbritannien hat 3: zu London, Manchester und Edinburg; je 2 haben Belgien: zu Antwerpen und Brüssel, die Niederlande: zu Haag und Amsterdam, Österreich-Ungarn: zu Wien u. Budapest, Portugal: zu Lissabon u. Porto, Spanien: beide zu Madrid; je 1 haben Dänemark: zu Kopenhagen, Schweden: zu Stockholm, Rußland: zu Petersburg, und Rumänien: zu Bukarest. Somit besitzt Europa 76 Gesellschaften. In Amerika bestehen gegenwärtig 9: in Rio de Janeiro (2), Mexiko, New York, Maceio, Quebec, Buenos Ayres (2) und San Francisco; in Afrika 4: zu Kairo, Oran, Algier und Konstantine; in Asien 4: zu Tiflis, Irkutsk, Omsk (alle drei Sektionen der großen russischen Gesellschaft zu Petersburg) und zu Tokio; in Australien 1: zu Sydney, mit Sektionen in Melbourne, Adelaide und Brisbane. Auch von den oben genannten, namentlich den französischen, besitzen mehrere g. G. Zweigvereine.