Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Genremalerei“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 7 (1887), Seite 109
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Genremalerei. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 109. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Genremalerei (Version vom 09.01.2023)

[109] Genremalerei („Gattungsmalerei“), dasjenige Fach der Malerei, welches Individuen als Typen einer bestimmten Gattung zur Darstellung bringt, im Gegensatz zur Historienmalerei, welche bestimmte geschichtliche Individuen vorführt, im weitesten Sinn jede Darstellung aus dem Leben irgend einer Zeitperiode, in welcher nichthistorische Personen vorkommen. Im Französischen bezeichnet das Wort genre jedes Fach der Malerei, so genre historique, genre du paysage etc., absolut gebraucht aber jedes Gemälde mit menschlichen Figuren, doch nicht mit solchen von historischer Bedeutung, auch Tier- und Architekturstücke, Blumen und Stillleben. Schärfer ist der Begriff, den man in Deutschland mit Genrebildern verbindet. Nach diesem ist zu einer solchen Darstellung keineswegs immer eine bestimmte Handlung als Vorwurf notwendig, sondern es können auch allerlei Zustände den Stoff hergeben, wie auch historische Personen, sobald sie in Situationen des alltäglichen Lebens zur Anschauung gebracht werden, dazu geeignet sind. Man bezeichnet Darstellungen der letztern Art mit dem Namen historisches Genre. Obwohl Genrebilder in der Regel in kleinerm Maßstab ausgeführt werden als historische Darstellungen; die meist lebensgroße oder selbst überlebensgroße Dimensionen in Anspruch nehmen, so ist dies doch kein wesentlicher Unterschied, sondern dieser wird einzig und allein durch den Charakter der Darstellung bedingt. Genrebilder malten bereits die alten griechischen Maler, so Peiraikos Barbierstuben, Antiphilos eine Weberwerkstätte etc., und in Pompeji trifft man unter den Wandgemälden verschiedene Genrebilder an. Zu einer selbständigen Ausbildung gelangte die G. allerdings erst infolge der Erfindung der Ölmalerei, und schon J. van Eyck malte Genrebilder. In steigendem Maß folgte die nordische Kunst dem von ihm ausgehenden Anstoß, und nachdem bereits im 16. Jahrh. P. Brueghel die niederländische Bauernwelt trefflich geschildert, erreichte die G. im 17. Jahrh. ihren Höhepunkt. Die ganze Auffassung der holländischen Kunst hat einen genreartigen Charakter. Rembrandt, Teniers, Brouwer, Terborch, Metsu, Dou, Ostade, J. Steen, Jan van der Meer von Delft, Pieter de Hooch u. v. a. schufen unerreichte Meisterwerke im Genre. In Deutschland hatten bereits Schongauer und Dürer verschiedene Darstellungen der Art im Stich oder Holzschnitt ausgehen lassen, und B. und H. S. Beham u. a. folgten ihrem Beispiel; jedoch vermochten die Deutschen im 17. Jahrh. den Niederländern in der Malerei nichts Ebenbürtiges an die Seite zu stellen. In der italienischen Malerei haben nur Giorgione und später Caravaggio Genrebilder im engern Sinn geschaffen. Im 18. Jahrh. wurde die G. in Frankreich mit großem Erfolg durch Watteau, Lancret, Pater, Boucher, Greuze u. a. kultiviert, und in Spanien schufen Velasquez und Murillo Ausgezeichnetes. Der Verfall der Kunst im 18. Jahrh. machte sich natürlich auch in der G. geltend, und erst in der neuesten Zeit hat dieselbe wieder, besonders durch den Einfluß der Düsseldorfer Schule, ihr Terrain erobert und schließlich die historische Kunst vollständig überwuchert. Nach dem Vorgang von Hasenclever, A. Schrödter, Th. Hildebrand in Düsseldorf, F. E. Meyerheim, Hosemann und Menzel in Berlin hat die deutsche G. ihren Höhepunkt in Knaus, Vautier, Defregger, M. Schmid, Bokelmann u. v. a. erreicht. Das österreichische Genrebild, begründet durch Danhauser und Waldmüller, hat ebenfalls glänzende Vertreter. Noch mehr Übergewicht hat die G. in England, wo sie fast ausschließlich dominiert (Millais, Herkomer, Frith etc.), und in Frankreich (Meissonier, Breton, Brion, Bastien-Lepage u. v. a.).